»Auch unser Widerstand wird stärker«
Interview: Gitta Düperthal
Die Bundesregierung beschloss am Mittwoch den Gesetzentwurf zum Wehrdienst und weitere Maßnahmen im Zusammenhang mit der Militarisierung. Aktivistinnen und Aktivisten von »Rheinmetall entwaffnen« haben deshalb gleichentags den Zugang zum Kölner Karrierecenter der Bundeswehr blockiert. Was war Ihr Ziel?
Wir sagen »nein« zum Krieg, protestieren gegen die Bundeswehr und das dahinterstehende System. Junge Menschen wollen an keine Front gehen, weder zur Waffe greifen noch im Krieg sterben. Wir wollen für das Leben kämpfen.
Wie verlief die Aktion?
Für die Polizei war es überraschend, dass um sechs Uhr morgens etwa 80 Aktivistinnen und Aktivisten vor dem Bundeswehr-Gebäude auftauchten. Einige machten eine Sitzblockade vorm Tor des Geländes, andere begleiteten sie solidarisch. Als nach rund einer Stunde Polizisten und Führungskräfte der Bundeswehr erschienen, ließen sie sich nicht unterkriegen, riefen antimilitaristische Parolen und sangen. Die Polizei nahm Personalien auf und verteilte Platzverweise, die sich auch auf das Camp (im Kölner Grüngürtel, jW) bezogen; einige davon für einen Tag, andere für die ganze Woche. Wir werden juristisch dagegen vorgehen.
Sie lassen sich »von der Polizei nicht stressen, die unseren Protest kriminalisiert«, »heute gehen keine Briefe von hier raus«, haben Sie online mitgeteilt. War das symbolisch gemeint?
Nachdem unsere Aktion gestartet war, waren auf beiden Seiten des Tores zum Gelände Bundewehr-Soldaten zu sehen. Vermutlich bewachen sie diese zentrale Einrichtung 24 Stunden am Tag. Der normale Betrieb war unterbrochen. Sobald die Wehrpflicht wieder eingeführt ist, werden hier die Rekrutierungen organisiert. Wir sind nicht kriegsbereit, wollen mit den Kriegen der Herrschenden nichts zu tun haben. Wir sind nicht bereit, für ein Land zu sterben, das uns soziale Infrastruktur wegkürzt. Unsere Meinung: Wir führen eure Kriege nicht.
Warum trugen die Protestierenden weiße Overalls?
Wir wollen unsere antimilitaristische Haltung gemeinsam zum Ausdruck bringen, nicht individuell erkennbar sein. Akteure der Klimagerechtigkeits- und Antikohlebewegung »Ende Gelände« tragen bei ihren Massenprotesten ebensolche Anzüge. Wir wehren uns gemeinsam gegen das repressive Polizeigesetz in Nordrhein-Westfalen und ein Versammlungsgesetz, das autoritär untersagt, gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck gemeinsamer politischer Gesinnung zu tragen. Wir bestehen auf unsere Grundrechte.
Durch die Polizeipräsenz konnten Sie den Menschen vor Ort vermutlich nicht das Ziel Ihrer Aktion erklären.
In der Tat, ein Problem! Polizeiketten und -autos werden als Drohkulisse aufgebaut, um uns abzuschirmen und antimilitaristische Öffentlichkeitsarbeit zu unterbinden. Man stigmatisiert uns als vermeintliche Gefahr. Personen, die unsere Arbeit mit Kameras dokumentieren wollten, ging die Polizei unfreundlich an, behinderte so Pressearbeit. Wir finden aber andere Wege, mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen.
Zuvor sollte das Camp, das Dienstag begann und Sonntag enden soll, unterbunden werden. Die Auseinandersetzung um das polizeiliche Verbot ging bis vors Oberverwaltungsgericht, das es in zweiter Instanz am Sonnabend aufhob. Wie wirkte sich das für Sie aus?
Zum Campaufbau sollten von einer Firma Dixi-Klos geliefert werden. Die Polizei ließ sie wegen des Verbots wieder abtransportieren. Erst am Dienstag, als wir schon 300 Leute waren, konnte die Firma erneut anliefern. Jetzt sind wir bereits bis zu 800 Leute.
André Wüstner vom Bundeswehrverband fragte in der ARD: »Wenn wir weiterhin in Frieden und Freiheit leben wollen: Wie soll das gehen – ohne Wehrpflicht?« Was würden Sie antworten?
Wir haben dazu im Camp viele Vorschläge. Menschen in Deutschland und anderswo auf der Welt wollen keinen Krieg. Schon im Kindergarten haben wir gelernt: Konflikte gilt es, ohne Gewalt zu lösen. Daran halten wir uns. Wieso haben Regierungschefs diese einfache Regel nie gelernt oder einfach abgelegt? Auf sie ist eben kein Verlass. Wir üben im Camp kollektives Zusammenleben. Es gibt Bildung, Kultur und Konzerte, jeden Tag ist mit Aktionen zu rechnen. Nicht nur die Militarisierung geht voran, auch unser Widerstand wird stärker. Wir werden uns nicht einschüchtern lassen.
Camille Dietrich ist Sprecherin des antimilitaristischen Bündnisses »Rheinmetall entwaffnen«
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