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Aus: Ausgabe vom 27.08.2025, Seite 10 / Feuilleton

Greulich, Bauer

Von Jegor Jublimov
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Hans-Uwe Bauer bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2024

Schon als Jungkommunist stand der 17jährige Schriftsetzer Emil Rudolf Greulich (der später seinen Vornamen E. R. abkürzte und oft das Pseudonym Erge verwendete) 1926 auf Agit-Prop-Bühnen und protestierte gegen die geplante Fürstenabfindung. Er arbeitete für die Rote Fahne, bevor er ab 1930 durch Europa wanderte, nach illegaler Arbeit 1939 von der Gestapo verhaftet und in die Strafdivision 999 gesteckt wurde. Er geriet in Tunis in US-amerikanische Gefangenschaft, organisierte in Massachusetts gemeinsam mit Horst Heitzenröther ein Lagerkabarett und blieb diesem Metier auch nach Rückkehr in die Heimatstadt Berlin beim »Frischen Wind« und der »Distel« eine geraume Zeit treu. Er war Mitbegründer der beliebten Wochenpost und legte im selben Jahr seinen ersten kapitalismuskritischen Abenteuerroman »Robinson spielt König« vor. Für die populären Buch- und Heftreihen »Das neue Abenteuer« und »Spannend erzählt« schrieb er bis in die 1970er Jahre mehr als ein Dutzend Romane, daneben aber auch viel Heiteres sowie autobiographische Erinnerungen im Eulenspiegel-Verlag. Gelegentlich wurden seine Stoffe verfilmt. Der spätere Regisseur Wolfgang Hübner spielte 1966 in »Atze« den Jungkommunisten Artur Becker nach Greulichs Roman. Am Sonntag jährt sich Greulichs Todestag zum 20. Mal.

Zweimal im Abstand von vier Jahrzehnten erhielt Hans-Uwe Bauer wichtige Filmpreise – beide Male für die beste Nebenrolle. Beim Nationalen Spielfilmfestival in Karl-Marx-Stadt 1986 gab es den Preis für die Clara-Zetkin-Biographie »Wo andere schweigen«, doch er hätte ihn schon zwei Jahre zuvor für die Hermann-Kant-Adaption »Der Aufenthalt« von Frank Beyer verdient. Da steuerte er den Transporter, in dem die Häftlinge von den Nazis während der Fahrt vergast wurden. Schon seit Beginn seines Studiums an der Babelsberger Filmhochschule 1978 stand er ein paar Mal vor der Kamera, aber »Der Aufenthalt« bedeutete für ihn den Durchbruch. Noch in der DDR hatte er Gelegenheit, auch in bulgarischen, vietnamesischen und japanischen Produktionen zu spielen. Die Mutter von Bauer, der am 26. August vor 70 Jahren in Stralsund zur Welt kam, wurde bald »republikflüchtig«, wie man damals sagte. Er wuchs bis zur Volljährigkeit in Kinderheimen auf, lernte Tischler, bevor er sich für die Schauspielerei entschied. Er spielte an Theatern in Görlitz/Zittau, Greifswald und Potsdam und wurde von Altmeistern wie Rainer Simon und Roland Gräf, aber auch Regisseuren der eigenen Generation wie Dror Zahavi, Andreas Dresen oder Leander Haußmann vor die Kamera geholt. Besonders häufig sah man ihn in Krimis – vom »Polizeiruf 110« über »Tatort« bis zu »Ein starkes Team«. Auch wenn er gelegentlich in Filmen mitspielte, die die DDR-Geschichte unter dem Vorwand der Aufarbeitung denunzierten, gilt das eher nicht für »Honecker und der Pastor« (2021/22), in dem Bauer sehr einfühlsam den Pfarrer Uwe Holmer spielte, der dem Ehepaar Honecker 1990 in Lobetal Asyl gewährte.

Die jüngste Auszeichnung beim Deutschen Filmpreis 2024 erhielt Hans-Uwe Bauer für Matthias Glasners Film »Sterben«, in dem er an der Seite von Corinna Harfouch einen totkranken Mann spielte.

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