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Aus: Ausgabe vom 27.08.2025, Seite 8 / Inland
Sozialistische Jugendarbeit

»Setzen dem Ohnmachtsgefühl kollektives Handeln entgegen«

Bayern: Falken-Sommercamp greift Sorgen der Jugend um Zukunft und wegen Kriegsgreuel auf. Ein Gespräch mit Celine Steidtner
Interview: Hendrik Pachinger
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Geht auch als Reim: Slogans gegen die Aufrüstung

Vor kurzem endete das jährliche Sommercamp der sozialistischen Jugendorganisation Die Falken im Ostallgäu. Worum ging es Ihnen in diesem Jahr?

Die Vorbereitungen dazu hatten bereits im Februar begonnen. Damals trafen sich etwa 50 Helferinnen und Helfer aus ganz Bayern an zwei Wochenenden, um sich zu bilden, das Programm zu planen und sich kennenzulernen. Unser diesjähriges Motto war »Komm in unser Edelweißpirat*innen-Lager – Kampf dem Faschismus für alle Zeit!«. Dementsprechend haben wir uns im Zeltlager mit dem Widerstandskampf der Edelweißpiraten und anderen Widerstandsbewegungen während der NS-Zeit auseinandergesetzt. Daneben gab es aber auch viele andere altersgerechte Angebote zu Themen wie Krieg und Frieden, (Kinder-)Armut, zu feministischen Kämpfen, dem Budapest-Komplex oder zur Bundeswehr an Schulen. Selbstverständlich gab es auch viele sportliche und kreative Angebote, gemeinsames Wandern, Lagerfeuer und Arbeiterinnenlieder sowie Baden im Fluss.

Teil des Lagerlebens war ein Ausflug in die 15.000-Einwohnerstadt Füssen. Dort nahmen 150 Kinder, Jugendliche und Erwachsene an einer Demonstration gegen die drohende Wehrpflicht und Militarisierung teil. Wie kam es dazu?

Für das Thema, das wir gemeinsam auf die Straßen von Füssen tragen wollten, haben wir über unseren Lagerrat Vorschläge gesammelt. Das ist unser Demokratiekonzept im Zeltlager: Alle Gruppen jeden Alters sind dort mit Delegierten vertreten. Die Themen Krieg, Aufrüstung und Wehrpflicht betreffen und beschäftigen auch Kinder und Jugendliche, denn sie sind letztlich die Leidtragenden der Politik der Regierung. Sie müssen sich mit Bundeswehr-Werbung im Briefkasten und auch sonst überall, Jugendoffizieren im eigenen Klassenzimmer und penetranter »Karriereberatung« bei Jobmessen herumschlagen.

Welche Reaktionen gab es?

In Füssen sind Demonstrationen, geschweige denn welche, an denen Kinder und Jugendliche so maßgeblich beteiligt sind, eher eine Seltenheit. Deswegen fallen wir da auf – dieses Jahr zum Glück überwiegend positiv.

Was würde die Wiedereinführung der Wehrpflicht für die Jugendlichen bedeuten?

»Bei der Rüstung sind sie fix – für die Jugend tun sie nix«, haben Kinder und Jugendliche auf ein Transparent geschrieben. Alles Geld, das in Kriegstreiberei und »Wehrhaftigkeit« gesteckt wird, fehlt an anderer Stelle. Für Renovierungen von zerfallenden Schulgebäuden, genug Kitaplätze, Spielplätze oder Jugendzentren bleibt dann nichts übrig, das merken auch die Kinder. Man sieht es an Umfragewerten zur Wehrpflicht: Junge Menschen haben keine Lust drauf. Sie sind ja auch diejenigen, die ein Jahr von ihrem Leben für den Kriegsdienst opfern und sich im schlimmsten Fall an der Front verheizen lassen müssten.

Wie denken die jungen Menschen darüber?

Viele Kinder und Jugendliche machen sich jetzt schon Sorgen um ihre Zukunft. Auch sie kriegen Bilder und Berichterstattungen über die aktuellen Kriegsgreuel mit. Selbstverständlich löst das Angst und Ohnmachtsgefühle aus. Um so wichtiger ist es, dass diese Themen nicht totgeschwiegen werden, sondern Kinder und Jugendliche einen Ort für ihre Sorgen und zum Austausch bekommen.

Wie gehen Sie damit um?

Besonders Kindern und Jugendlichen wird oft vermittelt, dass ihre Meinung nichts zählen würde, dass sie sich anpassen und dem kapitalistischen Leistungsdruck beugen müssen. Am wichtigsten ist es, dem Ohnmachtsgefühl kollektives politisches Handeln entgegenzusetzen, um zu merken, dass man nicht allein ist.

Wie geht es jetzt weiter?

Unser Zeltlager bedeutet für uns zwei Wochen lang eine kleine sozialistische Gegenwelt aufzubauen, gemeinsam ein solidarisches Zusammenleben zu organisieren, Abenteuer und Spaß, aber auch kurze Nächte und viel Arbeit. Was man nach jedem Zeltlager braucht, ist viel Erholung. Was bleibt, ist ein bestärkendes Kollektivgefühl, das neue Kraft für den kapitalistischen Alltag spendet.

Celine Steidtner ist Mitglied des bayerischen Landesvorstands der »Sozialistischen Jugend – Die Falken«

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