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Aus: Ausgabe vom 27.08.2025, Seite 2 / Ausland
Pressefreiheit

In Kiew »unerwünscht«

Ukraine: Selenskij-Regierung lässt Website von junge Welt blockieren
Von Susann Witt-Stahl
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jW-Leser in der Ukraine sehen statt der Website nur noch diesen auf Grundlage des Kriegsrechts verhängten Sperrvermerk

In der Ukraine können Nutzer die Website der jungen Welt seit Anfang dieser Woche nicht mehr aufrufen. »Gemäß dem Gesetz der Ukraine ›Über elektronische Kommunikation‹ und dem Erlass des Präsidenten der Ukraine Nr. 64/2022 vom 24. Februar 2022 über die Verhängung des Kriegsrechts in der Ukraine wurde diese Internetquelle gesperrt«, ist nach Eingabe der URL jungewelt.de zu lesen. Die ukrainischen Behörden hatten jW aber schon am 12. August 2025 als »unerwünscht« eingestuft und in ihr »Register der blockierten Internetseiten« aufgenommen. In der Ukraine können der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat sowie das Nationale Kommunikationszentrum, eine größtenteils aus Militärs bestehende Abteilung des Sonderkommunikationsdienstes, solche Verbotsmaßnahmen verfügen – teils geschieht das auf Basis von Informationen des Inlandgeheimdienstes SBU. Gegenwärtig sind rund 4.600 Internetseiten gesperrt, von den betroffenen Medien vorwiegend russische und belarussische, aber auch einige wenige westeuropäische, wie das linke Portal Iskra aus Griechenland.

Die Selenskij-Regierung hat die Presse zu Beginn der Eskalation des Ukraine-Konflikts faktisch gleichgeschaltet. Die letzten oppositionellen Medien waren schon 2021 verboten worden. Nun will der ukrainische Zensur- und Überwachungsapparat offenbar auch die ohnehin rar vorhandene kritische Berichterstattung – beispielsweise über die wachsende Verflechtung des faschistischen »Asow«-Militärs mit dem militärisch-industriellen Komplex der NATO und die brutalen Zwangsrekrutierungen – aus Deutschland und anderen EU-Ländern abschalten. »Wer sie nicht erträgt, greift zu Netzblockaden«, kommentiert Sebastian Carlens, Leiter des Verlags 8. Mai, die Sperrung der jW-Webseite. »Anscheinend ist die Pressefreiheit in der EU, die bereits eingeschränkt ist und permanent weiter angegriffen wird, dem Beitrittsaspiranten Ukraine immer noch zu viel.« Vor einigen Wochen war jW bereits mit wüsten Anschuldigungen aus dem Umfeld der »Asow«-Lobby in den USA konfrontiert. Die jW-Redaktion wurde aufgefordert, Artikel über ukrainische Nazieinheiten »zu ändern«, zudem wurden umfangreiche rechtliche Konsequenzen angekündigt.

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  • Leserbrief von Steffen Weise aus Berlin (27. August 2025 um 12:38 Uhr)
    Sie wollen die sog. »freie Welt« sein und trauen es sich, ihren Bürgerinnen und Bürgern vorzuschreiben, was sie zu lesen haben und was nicht. Was für Arroganz und Überheblichkeit! Ich würde es angemessen finden, wenn die junge Welt in vielen Ländern jeweils eine Internetseite hätte, auf der die dort lebenden Menschen die Tageszeitung junge Welt in der jeweiligen Landessprache lesen könnten, also z.B. in Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Russland, vor allem aber auf Kuba, in Venezuela, Nicaragua, Brasilien, Argentinien …
    • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (27. August 2025 um 13:13 Uhr)
      In Russland ist jW und sind viele antirussisch eingestellte Zeitungen des deutschen Mainstreams frei im Internet abrufbar. Ich habe auch eben ausprobiert, dass über Yandex jede Seite von jW bzw. ihr Leserbrief sofort in einer guten russischen Übersetzung verfügbar sind. Ja, so lebt es sich eben nur unter der Knute eines angeblich autoritären »Regimes«. Wie gut haben Sie es dagegen in Deutschland, im Land der Presse- und Meinungsfreiheit, russische Medien zu empfangen. Es grüßt Sie herzlich Ihr Ihnen immer verbundener George Orwell, der bekannte Autor des Werkes »2025«.
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (27. August 2025 um 16:24 Uhr)
        Es scheint sowohl bei Autoren als auch bei Lesern der jungen Welt zum guten Ton zu gehören, mit dem Antikommunisten George Orwell brillieren zu wollen. Empfehlung: »George Orwell – Dichtung und Wahrheit« (https://www.kaz-online.de/artikel/george-orwell-dichtung-und-wahrheit)
        • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (28. August 2025 um 09:38 Uhr)
          Brilliert hat in dem Fall Orwell mit seiner vollkommen zutreffenden Vorausahnung künftiger gesellschaftlicher Entwicklungen. Tragisch für ihn ist nur, dass es ja nicht als Selbstkritik an der kapitalistischen Gesellschaftsordnung gedacht war. Doch in Bezug auf die Propaganda der westlichen Regierungen und Medien erscheint sein Buch »1984« geradezu als prophetische Vorhersage. Wie wir alle an vielen Beispielen erfahren, wird das Wahre zum Unwahren und das Unwahre zum Wahren erklärt, auch ohne Wahrheitsministerium wie unter Goebbels. Weil Orwell es als Vorhersage für die Entwicklung der sozialistischen Länder so vorher sah, und viele Fälle gab es unter Stalin ja, glühende Anhänger des Sozialismus als »Feinde des Volkes« abzustempeln, ist es nunmehr für Linke so verführerisch, ihn umgekehrt für die heutige Zeit als Zeugen anzurufen. Nun geben Sie doch Ihre Jagd nach »versteckten« Antikommunisten in den Leserforum von jW endlich auf. Das ist die falsche Zeitung für dieses Hobby.
          • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (28. August 2025 um 11:32 Uhr)
            Wie kommen Sie darauf, in meiner Leseempfehlung eine Jagd nach »versteckten Antikommunisten« zu sehen. Es ist der Versuch zur Aufklärung beizutragen, was ja eigentlich Aufgabe der jungen Welt wäre. Im Artikel von Reinhard Lauterbach »Orwell grüßt« schreibt der Autor »Generationen deutscher Schüler haben Bekanntschaft mit George Orwells Antiutopie ›1984‹ gemacht«, ohne sich darüber zu wundern, warum gerade dieser Autor als Pflichtlektüre den Schülern aufgedrängt wird. Hätte er »Generationen westdeutscher Schüler« geschrieben, wäre er nahe an der Wahrheit gewesen. In der DDR durfte »1984« nicht erscheinen. Erst im Zuge von Perestroika und Konterrevolution gab es 1990 im Verlag Volk und Welt Pläne für eine Veröffentlichung. Auch das sollte zu denken geben. Wenn auch nur ein Leser durch den KAZ-Artikel jetzt eine andere Sichtweise auf Orwell bekommt, hat sich mein und damit indirekt auch Ihr Leserbrief schon gelohnt. Vielen Dank!

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