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Aus: Ausgabe vom 27.08.2025, Seite 1 / Titel
Seehäfen

Aye, aye zum Kriegskurs

Seehäfenverband will deutsche Häfen für »militärische Aufmarschszenarien« ertüchtigen und fordert in einem Brief drei Milliarden Euro aus dem Wehretat des Bundes
Von David Maiwald
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Für kriegstüchtige Häfen fordern die Betreiber Etatmittel von Pistorius’ Regierungsressort

Die deutschen Seehäfen wollen kriegstüchtig werden. Und melden dafür Bedarf beim für Krieg zuständigen Bundesminister Boris Pistorius (SPD) an. »Zeitenwende ist mehr als Rüstung«, heißt es in einem Brief des Zentralverbands der deutschen Seehäfen (ZDS) an das Bundesverteidigungsministerium, der junge Welt am Dienstag vorlag. Um den Anspruch der »Zeitenwende« »Realität werden« zu lassen, brauche es neben moderner Ausrüstung und einsatzbereiten Streitkräften auch eine robuste Infrastruktur, erklären Verbandspräsidentin Angela Titzrath und Geschäftsführer Florian Keisinger darin. Die deutschen Häfen seien als »logistische Drehscheiben für militärische Aufmarschszenarien«, infrastrukturkritische Versorgungszentren und prioritäre Angriffsziele »von zentraler Bedeutung«. Schließlich müsse »im Ernstfall« nicht nur Bundeswehrgerät, sondern auch solches der NATO-Partner über deutsche Häfen bewegt werden können.

»Auch wenn wir hoffen, dass es nie zum Ernstfall kommt«: Den Finanzierungsbedarf beziffert der Verband neben dem regulären Volumen von rund 15 Milliarden Euro auf weitere drei Milliarden Euro, um die deutschen Seehäfen für den Kriegsbetrieb zu »ertüchtigen«. Dafür sei eine »flexible« Grundlage im Verteidigungshaushalt der Bundesregierung zu entnehmen, an den Küstenländern Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vorhandene Schwerlastflächen auszubauen, neu zu- oder im Falle Hamburgs wieder herzurichten, beschreibt der Verband in einer Kurzübersicht der Finanzierungsbedarfe. Diese seien entsprechend eines »Dual-Use«-Ansatzes »für militärische und zivile Nutzung gleichzeitig« gedacht, heißt es im Forderungsbrief des ZDS.

Dessen Adressat begutachtete am Dienstag zusammen mit dem kanadischen Ministerpräsidenten Mark Carney die einzig zur militärischen Nutzung vorgesehene Produktion von U-Booten bei Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) in Kiel. Die Werft sei »in der engeren Auswahl« für einen Großauftrag aus Kanada, hatte Carney zuvor bei einem Besuch bei Bundeskanzler Friedrich Merz erklärt. Die kanadische Regierung könnte sich dem gemeinsamen Auftrag des Bundes und Norwegens zum Bau von zwölf U-Booten der Klasse »212 CD« anschließen. Wie auch der Mitbewerber, der südkoreanische Hanwha-Konzern, erfülle TKMS »alle technischen Herausforderungen«, so Carney.

Die Kurzübersicht zur Finanzierung geht auf Bremen und Bremerhaven nicht ein, obwohl die US-Armee dort schon seit Jahrzehnten aller Art Kriegsgerät umschlägt. Auf Nachfrage nennt ein Sprecher zwei »Schwerpunktbedarfe« für die dortigen Häfen, um »einerseits vorhandene Schwerlastanlagen zu ertüchtigen und neue zu errichten, andererseits die verkehrliche Anbindung ins Hinterland«. Die Instandhaltung sei indes Ländersache, heißt es auf jW-Nachfrage beim Hafenbetreiber.

Mit Begriffen wie »kriegstüchtig« will man dort nicht arbeiten. Allerdings, so sagt der Sprecher von Bremenports im Telefonat, sei der Neubau einer havarierten Drehbrücke und die Sanierung von Kajenanlagen »unabdingbar«, sollte die NATO im Kriegsfall Truppen in Bremen und Bremerhaven anlanden wollen. In einem Positionspapier hat der Verband bereits Handlungsbedarfe zum »Zeitenwende«-konformen Ausbau der Häfen benannt. Die Häfen wollen den allgemeinen Kriegskurs nicht einfach für die langersehnte, sichere Finanzierung nutzen. Sie tragen ihn mit: Um den »Ernstfall« abzuwenden, wird »hoffen« allerdings nicht ausreichen.

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