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Aus: Ausgabe vom 26.08.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Imperialismus

Rufmord und Machtmissbrauch

Lateinamerika: Ziel juristischer Schikanen gegen Linke ist die Verteidigung neoliberaler Strukturen
Von Volker Hermsdorf
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In Argentinien traf die juristische Gängelei die langjährige Präsidentin Fernández (Buenos Aires, 20.6.2025)

Lawfare ist ein weltweites Phänomen. Allein im vergangenen Jahrzehnt wurden Gerichte in 25 Ländern angerufen, um die politische Zukunft prominenter Führungspersönlichkeiten durch Amtsenthebungsverfahren zu beenden, warnte das Lateinamerikanische Strategiezentrum für Geopolitik (CELAG) bereits 2019 in einer Studie. Seither hat sich die Zahl der Fälle deutlich erhöht.

Die Studie betont, dass Lawfare nicht ausschließlich gegen progressive Akteure eingesetzt wird oder eigens »erfunden« wurde, um linke Regierungen zu stürzen. Auch konservative Politiker können zur Zielscheibe werden, wenn sie hegemonialen oder imperialistischen Interessen im Wege stehen. Die Häufigkeit, das Timing und die Hartnäckigkeit der juristischen Verfahren gegen progressive Stimmen in Lateinamerika zeigen jedoch, dass der Kampf vor allem gegen sie geführt wird – mit dem Ziel, neoliberale Ordnungsmuster zu bewahren oder wiederherzustellen.

Die zentralen Aussagen der Studie, die auch als Buch (»Lawfare. Guerra judicial y neoliberalismo en América Latina«) erschienen ist, lassen sich wie folgt zusammenfassen: Lawfare ist erstens ein gezielter Missbrauch rechtlicher Instrumente, um progressive Regierungen und Führungspersönlichkeiten in Lateinamerika zu destabilisieren; Ziel ist die Wiederherstellung neoliberaler Ordnungen im Interesse transnationaler Konzerne und lokaler Oligarchien. Der Bericht betont zweitens die symbiotische Verbindung mit Medien, die Korruptionsnarrative verstärken und öffentliche Kampagnen begleiten. Hinzu kommt eine enge Verzahnung zwischen konservativen Justizapparaten, US-Institutionen wie der unter US-Präsident Donald Trump aufgelösten Behörde USAID und wirtschaftlichen Interessen.

Konkrete Beispiele zeigen drittens, wie Lawfare genutzt wird, um Gegner auszuschalten, Wahlprozesse zu beeinflussen und staatliche Souveränität zu schwächen; zum Beleg werden etwa Brasilien mit der Operation »Lava Jato«, Argentinien mit dem Vorgehen gegen Expräsidentin Fernández sowie Ecuador angeführt. Viertens kommt Lawfare zwar weltweit vor, ist in Lateinamerika aber besonders ausgeprägt; Gründe sind schwache Institutionen und der starke Einfluss externer Akteure wie der USA. Fünftens und letztens hat Lawfare schwerwiegende Folgen für die Demokratie, untergräbt den Rechtsstaat, ersetzt politische Auseinandersetzungen durch technokratische Justizverfahren und zementiert asymmetrische Machtverhältnisse zugunsten des globalen Nordens.

Silvina M. Romano (Hg.): ­Lawfare. Guerra judicial y neoliberalismo en América Latina, Cádiz 2019, 100 ­Seiten

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