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Aus: Ausgabe vom 25.08.2025, Seite 5 / Inland
Gesundheitspolitik

Re-Reform im Krankenhaus

Gesundheitsministerium präsentiert »Anpassungsgesetz« für Kliniken. Verbände kritisieren Entwurf
Von Oliver Rast
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Operationsbesteck in Griffweite, um klaffende Wunden im hiesigen Gesundheitssystem zu flicken

Kreativ sind sie, die ministeriellen Wortneuschöpfer von Gesetzesvorhaben. Nun liegt der Referentenentwurf des Krankenhausreformanpassungsgesetzes (KHAG) aus dem Bundesgesundheitsministerium von Ressortchefin Nina Warken (CDU) vor. Am vergangenen Donnerstag gab es die erste Verbändeanhörung im Ministerium in Berlin zur Re-Reform des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG).

Ein Gesetz, das erst im Herbst 2024 Bundestag und Bundesrat passiert hatte und seit Anfang dieses Jahres in Kraft ist. Ein Gesetz, das noch unter der Ägide von Karl Lauterbach (SPD) ausgearbeitet worden war. Lauterbachs vorgebliches Interesse: Versorgung der Patienten verbessern, Kosten im Gesundheitssektor senken – mittels weniger Betten, spezialisierten Krankenhäusern samt Zentralisierung, sprich »Abbau von Überkapazitäten«, also: Klinikschließungen. Alles Maßnahmen für eine höhere Qualität in hiesiger Kliniklandschaft, meinte der damalige Minister.

Doch nun ist das KHVVG, das bis 2029 final umgesetzt werden sollte, offenbar längst obsolet. Was Warken als »praxistaugliche Anpassung« verkauft, nennen Kritiker ein »Verwässerungsgesetz«. Klinik-, Ärzte-, Pflege- und Krankenkassenverbände monieren »faule Kompromisse«, etwa Ausnahmen und Sonderregeln in der Gesetzesnovelle, berichtete das Handelsblatt am vergangenen Donnerstag. Ferner fordern Bundesländer »Nachbesserungen«, beispielsweise die Mindestzahl von Krankenhausärzten je nach Fachgebiet unterschreiten zu können. Aufgeweichte Qualitätsvorgaben würden die zentralen Ziele der Reform, »also eine bundesweit einheitliche und hohe Behandlungsqualität für mehr Patientensicherheit, grundlegend gefährden«, wurde Stefanie Stoff-Ahnis, Vizevorsitzende des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), am Donnerstag bei dpa zitiert.

Ein Knackpunkt: die sogenannte Vorhaltevergütung. Künftig sollen rund 60 Prozent der Krankenhauskosten für die Bereitstellung von Strukturen und Personal über jene gedeckt werden, die unabhängig von der Fallzahl aus dem Gesundheitsfonds gezahlt wird. Die restlichen 40 Prozent werden weiterhin über Fallpauschalen abgerechnet, die an die tatsächliche Leistungserbringung gekoppelt sind. Bloß, wie diese bedarfsorientierte und fallzahlunabhängige Vorhaltefinanzierung ausgestaltet werden soll, bleibt unklar, kritisierte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann. Mehr noch, das Vergütungsmodell soll laut KHAG-Entwurf um ein Jahr verschoben werden.

Stella Merendino, Sprecherin für Krankenhausversorgung der Fraktion Die Linke im Bundestag, erklärte jüngst: »Statt Krankenhäuser endlich bedarfsgerecht und solidarisch zu finanzieren, werden untaugliche Instrumente wie die Fallpauschalen verlängert.« Das sei kein Schritt nach vorn, sondern ein Verschieben der Probleme auf dem Rücken von Personal und Patienten. Und nicht zuletzt sei die geplante Streichung der Pflegepersonaluntergrenzen als Qualitätskriterium für Leistungsgruppen »unverantwortlich«, betonte Simone Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) am Donnerstag gegenüber der Ärztezeitung online. Damit würde die »letzte Bastion der Pflege« in der Krankenhausreform fallen, so die Sprecherin für Pflegepolitik ihrer Bundestagsfraktion weiter. Die Untergrenzen seien eines der wenigen Instrumente, die Mindeststandards in der Versorgung sicherten und Pflegekräfte vor Überlastung schützten.

Das KHAG soll Anfang September vom »schwarz-roten« Bundeskabinett verabschiedet werden, danach folgt der parlamentarische Prozess der Gesetzesverabschiedung – oder: Die »Re-Reform« der Krankenhausreform ist bestenfalls ein sprachliches Kunstwerk für gesundheitspolitisches Flickwerk.

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