Streik von Lieferando-Fahrern
Von Gudrun Giese
Mit einem 24-Stunden-Streik haben mehrere Dutzend Lieferando-Fahrer aus Hannover, Braunschweig und Göttingen am vergangenen Freitag in Hannover gegen die Streichung ihrer Arbeitsplätze protestiert. Der Lieferdienst für Speisen und Getränke will bundesweit bis Jahresende etwa 2.000 Jobs vernichten. Lieferfahrten sollen verstärkt an Drittanbieter mit schlechteren Arbeitsbedingungen vergeben werden.
In den drei niedersächsischen Städten will Lieferando seinen Service komplett auf Subunternehmen verlagern. Auch an anderen Standorten plant der Essenslieferdienst, Arbeitsplätze abzubauen, so dass die eigene Fahrerflotte zum Jahresende um etwa zwanzig Prozent ausgedünnt sein wird. Lieferando beruft sich darauf, dass es branchenüblich sei, Fahrten an Dritte zu vergeben, um im wachsenden Wettbewerb der Lieferdienste zu bestehen. In Österreich werde die Essensauslieferung längst über Subunternehmen abgewickelt. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG), die bereits seit Wochen in verschiedenen Städten zu Streiks aufruft, warnt vor den Folgen des Outsourcings: »Das ist ein Angriff auf die Rechte unserer Kolleginnen und Kollegen, die für ihre harte Arbeit Sicherheit und Mitbestimmung verdienen«, erklärte NGG-Gewerkschaftssekretär Michael Belamon vor dem Streik. Müssten sich die Beschäftigten künftig bei Subunternehmen verdingen, hätten sie mit geringeren Löhnen, fehlender Tarifbindung und weniger Arbeitsplatzsicherheit zu rechnen. Die EU-Plattformrichtlinie müsse konsequent umgesetzt werden, so Belamon. »Wo Werkverträge und Scheinselbständigkeit die Regel sind, werden die Rechte der Beschäftigten mit Füßen getreten.«
Diese Einschätzung belegte ein Beitrag des ARD-Magazins »Kontraste« am vergangenen Donnerstag. So gebe es bei Subunternehmen wie etwa Fleetlery, auf die die Lieferdienste Uber Eats und Wolt schon länger, Lieferando ebenfalls zunehmend setzen, weder Festanstellungen noch verlässliche Entgeltzahlungen, hieß es dort, was durch Aussagen von Betroffenen dokumentiert wurde. Wer für Uber Eats und Wolt Essen ausliefere, bekäme nicht einmal den Mindestlohn, habe selten einen korrekten Arbeitsvertrag und müsse unter oftmals gesundheitsgefährdenden Bedingungen arbeiten, zitierte in der Sendung Patrick Feuerstein vom Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung (WZB) aus einer aktuellen Studie seines Hauses. Basierend auf einer Befragung von Fahrern hätte lediglich Lieferando vier von zehn Punkten bekommen, Uber Eats und Wolt hingegen null. Zehn Punkte entsprechen dabei der Einhaltung von Menschenrechten und Kernarbeitsnormen der Vereinten Nationen.
Mit der Auslagerung von zwanzig Prozent der Fahrerflotte an Dritte dürfte auch Lieferando in der Bewertung weiter absacken. Bisher sind fast alle der noch etwa 10.000 Fahrer über das Tochterunternehmen Takeaway Express bei der Lieferando Marktplatz fest angestellt, die ebenfalls Tochterfirma der niederländischen Lieferando-Muttergesellschaft Just Eat Take Away ist. Nach Auskunft der NGG gelten für die Lieferando-Beschäftigten derzeit verbindliche Standards bei Bezahlung und Arbeitsbedingungen. Außerdem existieren einige Betriebsräte beim Lieferdienst. »Lieferando muss einen Sozialtarifvertrag mit uns verhandeln – nur so gibt es echte Sicherheit für alle Betroffenen«, sagte Belamon von der NGG anlässlich des Streiks in Hannover. Die Gewerkschaft fordert zudem ein Gesetz, das generell Direktanstellungen in der Lieferbranche vorschreibt. Freitag abend hatten sich Fahrer am Weißekreuzplatz in der Nähe des Hauptbahnhofs in Hannover zu einer Kundgebung versammelt. Anschließend zogen sie demonstrativ durch die Innenstadt. Unterstützung gab es dabei von der Partei Die Linke. Deren Bundestagsabgeordneten Maren Kaminski aus Hannover und Jorrit Bosch aus Braunschweig solidarisierten sich in Redebeiträgen mit den Anliegen der Lieferando-Fahrer. Bosch warf dem Unternehmen vor, mit dem Outsourcing gezielt die betriebliche Mitbestimmung und Tarifbindung auszubremsen.
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