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Aus: Ausgabe vom 23.08.2025, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Das große Blubbern

Von Arnold Schölzel
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In der FAZ schildert Redakteurin Othmara Glas am Freitag, was sich vor knapp drei Jahren in der Ostsee zutrug: »Ein Druckverlust in Strang A von Nord Stream 2 am frühen Morgen des 26. September 2022 war der erste Hinweis, dass etwas mit der Gaspipeline nicht stimmte. Am Abend desselben Tages fiel auch der Druck in den beiden Strängen von Nord Stream 1. Luftaufnahmen nahe der dänischen Insel Bornholm zeigten damals, wie das Wasser in der Ostsee sprudelte – von dem Gas, das aus gut 80 Meter Tiefe an die Oberfläche schoss.« Ein seismologisches Institut in Norwegen habe die Explosionen aufgezeichnet und geschätzt, »dass für die zweite Detonation etwa 700 Kilogramm Sprengstoff eingesetzt wurden«.

Das reichte für den großen »Wumms«. In westlichen Medien war anschließend wenig davon zu lesen, dass Olaf Scholz bereits am 7. Februar beim Antrittsbesuch als Kanzler in Washington von US-Präsident Joe Biden zu hören bekam: »Wenn Russland einmarschiert, (…) dann wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben. Dann setzen wir dem ein Ende.« Scholz grinste schweigend.

Die damals frischgebackene Außenministerin Annalena Baerbock hatte da längst schon dafür geworben, an die Stelle der scheußlichen russisch-fossilen Energie schön-fossiles Öl und Gas von Wertepartnern zu beziehen. Gemessen am heutigen Stand der deutschen Energieimporte hatte sie vollen Erfolg. Am 8. Juli berichtete das Statistische Bundesamt: »Russland ist als Gaslieferant inzwischen vollständig aus den Importstatistiken verschwunden.« Nur indirekt komme eventuell Gas von dort hierzulande an. Und der NDR meldete am selben Tag: »Ein Viertel der Primärenergieversorgung in Deutschland wird laut Bundesnetzagentur durch Erdgas abgedeckt. Ein großer Teil davon kommt über Pipelines – etwa aus Norwegen. Flüssigerdgas erhält Deutschland hingegen vor allem aus den USA.« Die Frage, wem die Sprengung 2022 genützt hat, ist jedenfalls beantwortet.

Vom so verwirklichten politischen und wirtschaftlichen Interesse lässt sich zwar nicht ohne weiteres auf die Leute schließen, die als Sabotagehandwerker vor Ort waren, auffällig ist aber, dass die Ankündigung Bidens und die durch Scholz, Habeck, Baerbock und Co. geförderte US-Frackingindustrie medial so gut wie keine Rolle spielen. Ausnahme war wieder einmal der US-Publizist Seymour Hersh, der fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Biden-Ankündigung am 8. Februar 2023 schilderte, »wie Amerika die Nord-Stream-Pipeline stillegte«.

Wenig später stellten Schweden und Dänemark ihre Ermittlungen zu dem Anschlag ein, nur die deutsche Bundesanwaltschaft behauptete, an dem Fall dranzubleiben. Sie konzentrierte sich auf eine Gruppe von Ukrainern, die mit einem nicht besonders großen Segelboot von Rostock aus zur Tat gestartet sein soll. Mit 700 Kilogramm Sprengstoff allein für die zweite Sprengung. Polnische Behörden hielten das offenbar für einen Witz. Sie ließen im Sommer 2024 freundlich einen Ukrainer entwischen, hinter dem die Deutschen her waren. Der jetzt in Italien verhaftete frühere ukrainische Geheimdiensthauptmann ist das bisher einzige Opfer des Karlsruher Ermittlungseifers.

Dabei soll es bleiben. In der FAZ rügte jedenfalls am Freitag Reinhard Veser, der wohl täglich Russen zum Frühstück vertilgt, die Ukrainer wegen des Anschlags: »Politisch war er eine große Dummheit. Er hätte die Beziehungen zu einem der wichtigsten Verbündeten der Ukraine beschädigen und dem Kreml einen Propagandaerfolg bescheren können.« Richtig: Hätte, hätte, hat aber nichts beschädigt. Geld, Waffen und vielleicht demnächst deutsche Landser strömen in den ukrainischen Orkus. »Wir« brauchen ein Sprungbrett. Der Rest sind Wasserblasen.

Geld, Waffen und vielleicht demnächst deutsche Landser strömen in den ukrainischen Orkus. »Wir« brauchen ein Sprungbrett. Der Rest sind Wasserblasen.

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