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Aus: Ausgabe vom 23.08.2025, Seite 6 / Ausland
Brief aus Jerusalem

Smotrich schafft Fakten

Brief aus Jerusalem: Israel will mit Vorgehen in Gaza und Westbank eine Zweistaatenlösung verhindern
Von Helga Baumgarten
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Jahrelang hatte Smotrich (l.) seine Pläne zurückgehalten, jetzt sollen sie umgesetzt werden (Maale Adumim, 14.8.2025)

Die gerade beschlossenen Pläne der israelischen Regierung zur Besetzung Gazas und zum Siedlungsbau in der Westbank sind nicht neu. »Das Zweistaatenmodell hat Israel in eine Sackgasse geführt. Es gibt nur eine Möglichkeit, den Konflikt für uns zu entscheiden: Wir müssen verstehen, dass es in Israel keinen Platz gibt für zwei konkurrierende Nationalbewegungen.« So beginnt ein »entscheidender Plan«, den der heutige Finanzminister Bezalel Smotrich, der auch für die illegalen Siedlungen in der Westbank zuständig ist, 2017 auf einer rechten Konferenz vorstellte.

Smotrich outet sich gleich am Anfang als Fundamentalist: »Ich glaube, der Staat Israel ist der Beginn unserer Erlösung, die Erfüllung der Prophezeiungen der Thora und der Visionen der Propheten.« Sein Papier bezeichnet er »als realistisches geopolitisches strategisches Dokument«. Es sei zuerst und vor allem pragmatisch, da es eine praktische Lösung biete und in ihm »Glaube und Realismus, Vision und Realität« in Einklang stünden.

Den palästinensischen Nationalismus qualifiziert Smotrich ab als »negatives Spiegelbild des Zionismus«. Israel habe nur eine Möglichkeit, seine Zukunft zu garantieren: Es müsse offen und klar erklären, dass es einen palästinensischen Staat niemals geben werde, und seine volle Souveränität über »Judäa und Samaria« (d. h. die Westbank, jW) erklären und diese auch ausüben. Der Bau neuer Städte und Siedlungen, zusammen mit der Zuwanderung Hunderttausender Israelis, sei die entscheidende Grundlage dafür.

Die »Araber des Landes Israel« stellt Smotrich vor die Alternative, auszuwandern oder ihre nationalen Träume zu vergessen und zu akzeptieren, als Individuen in einem jüdischen Staat zu leben. Wer dem nicht folge und den bewaffneten Kampf gegen Israel fortführe, müsse und könne besiegt werden: »Wer mit Gewalt das Existenzrecht Israels als Staat des jüdischen Volkes untergräbt, wird auf IDF (israelische Streitkräfte, jW) treffen, voll entschlossen, sie zu besiegen mit Gottes Hilfe. Die IDF sind eine starke und kluge Armee, willens und fähig, die Terroristen innerhalb kurzer Zeit zu besiegen. Die getötet werden müssen, werden getötet, Waffen werden konfisziert bis zur letzten Kugel, damit wird Sicherheit für israelische Bürger hergestellt.«

Smotrich sieht kein Problem darin, die Welt von diesem Paradigma zu überzeugen. Schließlich basiere es auf Gerechtigkeit, denn die eigene Verbindung zum Lande Israel sei biblisch bezeugt. Und er schließt mit einem Zitat von David Ben-Gurion: »Es ist nicht wichtig, was Nichtjuden sagen, entscheidend ist, was wir Juden tun.« Interessant ist, dass er am Ende seines Planes betont, dass weder Jitzchak Rabin noch Schimon Peres einen palästinensischen Staat oder die Teilung des Landes, speziell Jerusalems, jemals akzeptiert hätten.

Der August 2025 mit der Genehmigung zum Siedlungsbau im Gebiet »E 1«, der die Westbank durchtrennen würde, ist für Smotrich der Beginn der Endphase zur Umsetzung seines Plans von 2017. Vergangene Woche sagte er: »Wer versucht, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, wird von uns eine Antwort auf dem Boden neuer Tatsachen bekommen. Nicht durch Dokumente, Beschlüsse oder Erklärungen – sondern durch Fakten. Das Faktum neuer Häuser, Stadtviertel, Straßen und jüdischer Familien, die ihr Leben dort aufbauen. Lasst sie weiter reden über einen palästinensischen Traum – wir werden eine jüdische Realität bauen. Sie wird die schlichte Idee eines palästinensischen Staats als solche begraben …«

Helga Baumgarten ist emeritierte Professorin für Politik der Universität Birzeit und schreibt an dieser Stelle wöchentlich ihre Kolumne »Brief aus Jerusalem«

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