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Aus: Ausgabe vom 23.08.2025, Seite 6 / Ausland
Nahostkonflikt

Schauspiel für Abbas

Libanon: Teile der Fatah folgen Ankündigung des palästinensischen Präsidenten und legen Waffen nieder
Von Dieter Reinisch, Beirut
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Fatah-Kämpfer der Al-Aksa-Brigaden im palästinensischen Flüchtlingslager von Ain Al-Hilweh (21.8.2024)

Die Entwaffnung der palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon habe begonnen, war am Donnerstag zu vernehmen. In einem der ältesten von ihnen im Süden Beiruts, Burdsch Al-Baradschna, seien zum Auftakt die ersten Waffen an die Armee des Landes abgegeben worden. Insgesamt sollen zwölf Flüchtlingslager folgen. Die Meldung verbreitete zunächst Reuters; sie wurde von vielen internationalen Medien aufgenommen, darunter Al-Dschasira, Al-Arabija, Middle East Eye, aber auch NBC und die deutsche »Tagesschau« – bebildert mit Aufnahmen von AFP. Zu sehen war darauf weder, wer genau die Waffen niederlegte, noch, um welche Anzahl und Art von Waffen es sich handelte.

Bei einem Treffen zwischen dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und seinem libanesischen Gegenüber Joseph Aoun am 21. Mai hatte ersterer eine Entwaffnung der Lager im Libanon versprochen. Für den Menschenrechtsanwalt Soheil Al-Natour ist dies ein Versuch von Abbas, Kontrolle über die Palästinenser im Libanon zu bekommen. Denn der Einfluss seiner Fatah-Bewegung schwindet – besonders in dem Zedernstaat und in der Westbank ist sie in viele Fraktionen zersplittert, wie Natour gegenüber jW erklärt.

Ein Fatah-Vertreter erklärte gegenüber Reuters, die bisher übergebenen Waffen seien erst am Vortag illegal in das Lager gelangt. Fernsehaufnahmen zeigten dort Militärfahrzeuge. Der Fatah-Kommandeur Sobhi Abu Arab sagte dem libanesischen Sender Al-Dschadid am Donnerstag, dass es sich nicht um eigene, sondern um »illegale Waffen« handele, die seine Männer im Lager aufgespürt hätten. Andere Gruppen weisen die Behauptungen zurück: »Es handelt sich hier um einen kleinen Teil der Fatah-Bewegung«, der die Waffen abgegeben habe, sagt Fouad Baker, Sprecher der linken Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas (DFLP), auf jW-Anfrage. Es könne nicht von einer Entwaffnung der Palästinenser insgesamt gesprochen werden, betont er.

Donnerstag abend wurde jW eine Erklärung in arabischer Sprache zugesandt: »Wir, die palästinensischen Fraktionen im Libanon, möchten unmissverständlich erklären, dass die Meldung (von der Entwaffnung, jW) völlig falsch ist und mit der Realität nichts zu tun hat«, heißt es darin. »Die Geschehnisse im Lager Burdsch Al-Baradschna sind eine interne Angelegenheit der Fatah-Bewegung und haben keinerlei Bezug zur Frage der palästinensischen Waffen in den Lagern.« Die Unterzeichner »bekräftigen unser anhaltendes Engagement für die Sicherheit und Stabilität unserer Lager und ihrer Umgebung«. Die Waffen würden »nur eingesetzt, um dem zionistischen Feind entgegenzutreten, bis unser Volk sein Recht auf Rückkehr, Freiheit und die Gründung eines unabhängigen Staates auf seinem Land erlangt«, heißt es. Unterzeichner seien die Hamas, die DFLP, die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), der Palästinensische Islamische Dschihad und mehrere Fatah-Fraktionen, wurde auf jW-Nachfrage ergänzt.

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