Deutsche Misere
Von Klaus Fischer
Die Wirtschaftsleistung schrumpft. Minus 0,3 Prozent im zweiten Quartal, lautet die aktuelle Diagnose des Statistischen Bundesamts vom Freitag für das deutsche Bruttoinlandsprodukt. Das hat Ursachen, die inzwischen einem größeren Publikum bekannt sind. Noch zum Ende der Ära Merkel 2021 befand sich die deutsche Volkswirtschaft im Höhenflug. Der war nicht zuletzt den Maßnahmen der Schröder-Fischer-Regierung (1998–2005) zu verdanken, deren Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme (Hartz-Gesetze) die Arbeitskraft verbilligten und die Konzernprofite drastisch steigen ließen.
Die guten Zeiten sind passé. Aber die jetzige Dauerrezession liegt sicher nicht in den US-Zöllen begründet. Aktuell steht die These im Raum, dass die Krise auf zu teure Energie dank staatlicher Eingriffe in den Verwertungsprozess des Kapitals zurückzuführen ist. Die Fehlentscheidungen vor allem in der Energiepolitik erreichten 2022 ihren ultimativen Höhepunkt. Als die damalige Bundesregierung über Nacht mit Russland den Hauptlieferanten günstiger Energieträger zum Feind erklärte, »verzichtete« Berlin zugleich auf weitere wirtschaftliche Prosperität. Hierin liegt die eigentliche Ursache der Dauerrezession. Selbstgewählt und politisch gewollt. Der Strom soll nun hauptsächlich aus der Wind- und Sonnenenergie gewonnen werden.
Umweltschutz ist ein striktes Gebot im Umgang mit natürlichen Ressourcen. Das haben die Vertreter des Wirtschaftsmodells Kapitalismus verstanden, »grüne« Produktion wurde als Profitquelle entdeckt. Ob aber das Weltklima durch den Austausch fossiler durch erneuerbare Energieträger in einigen wenigen Staaten bei gleichzeitigem Atomausstieg (»deutscher Weg«) zu retten ist und dennoch die Profite gesichert sind, darf bezweifelt werden. Auch das Verwertungsmodell »Made in Germany«, das auf eine konkurrenzfähige Exportwirtschaft zugeschnitten ist, steht zur Disposition, wenn jährlich Hunderte Milliarden Euro wie Fehlallokationen wirken.
Jede Krise heißt auch Sozialabbau. Trotz Mindestlohn, Bürger- oder Wohngeld, hat sich dies seit den Tagen von Schröder und Fischer nicht geändert. Wenn etwa ein Mindestlohn verordnet wird, reagieren Kapitalisten wie sie auch auf gestiegene Energiepreise reagieren. Sie verkaufen ihre Waren teurer, wenn das den Absatz nicht zerschießt, und lassen die lohnabhängige Bevölkerung ihre Profite auf anderem Wege besorgen. Ihre riesigen Gewinne heizen die Inflation an, der Kaufkraftverlust der Beschäftigten lässt deren spärlichen Lebensstandard dabei weiter sinken. Kann das Geschäftsumfeld nicht nachhaltig verbessert werden, etwa weil die Energie teuer bleibt, verlagern sie die Produktion oder legen die Axt an die Belegschaft.
Das Bürgergeld, der Bevölkerung durch Merz und seine Regierung als politisches »Geschenk« verkauft, ist für Millionen Erwerbsfähige die einzige Einnahmequelle – und für Alte, deren Rente zum Überleben nicht reicht, ein notwendiger Zusatz. Diese Brosamen zahlt der Staat, aber finanziert werden diese »Leistungen« vom Steueraufkommen, also aus den Taschen der Menschen selbst. Sinkt die Wirtschaftsleistung und reagieren die Kapitalisten so wie sie nun mal reagieren, siehe oben, dann versiegt diese Quelle. Ein Minus von 0,3 Prozent in drei Monaten scheint zunächst keine große Sache. Daraus ergibt sich allerdings ein Fehlbetrag in Milliardenhöhe, den alle zu spüren bekommen.
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.