Knaller des Tages: Sergij K.
Von Arnold Schölzel
Auf den Hügeln um San Clemente bei Rimini in Italien soll die Sangiovese-Traube hervorragend gedeihen und beste Rotweine liefern. Dort machte Sergij K., 49 Jahre alt, aus der Ukraine seit einigen Tagen mit seiner Familie Urlaub in einem Bungalow. Die Ferien schienen wohlverdient, denn K. ist ein Held seines Landes. Nur die deutsche Bundesanwaltschaft verdächtigt ihn »der mutmaßlichen Sabotage an den Nord-Stream-Gaspipelines« und stellte am Montag einen Europäischen Haftbefehl aus, den Carabinieri in der Nacht zum Donnerstag vollstreckten – einschließlich Hubschraubereinsatz. Die Polizisten hatten Meldezettel geprüft. Übereifer? Polen war jedenfalls sabotagefreundlicher und ließ im vergangenen Jahr einen anderen mutmaßlichen Sprengstoffheroen der Ukraine rechtzeitig entwischen, als die Deutschen seine Auslieferung verlangten.
Das ist auch richtig. Die Sprengung der Gasröhren am 26. September 2022 war zwar der vermutlich größte Sabotageakt in der Geschichte Europas, aber besonders preiswert. Der Spiegel berichtete jedenfalls im November 2024 hochachtungsvoll: »Nord Stream wurde nicht von einer mit Hightech ausgerüsteten Eliteeinheit gesprengt, sondern von einer zusammengewürfelten Truppe mit einem Budget von weniger als 300.000 US-Dollar.«
Nun soll der arme Sergij K. büßen, nur weil Meldezettel in San Clemente gelesen werden – statt Rotwein zu trinken. Und überhaupt: Die Staatsanwaltschaft Genua sammelt laut Nachrichtenagentur ANSA Informationen über K.: Im Februar wurde der unter maltesischer Flagge fahrende, in Wirklichkeit aber zur russischen »Schattenflotte« gehörende Öltanker »Seajewel« vor dem italienischen Savona im Mittelmeer wahrscheinlich durch zwei Haftminen beschädigt. Sergij K. ist eben ein Knaller und der Urlaub in San Clemente verdient, nicht aber deutsche Haft.
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