Schach der Dame
Von Carmela Negrete
Die spanische Linksregierung befindet sich in Turbulenzen. Grund sind nicht allein fragwürdige juristische Entscheidungen, es liegt auch an eigenem Handeln. Am Montag hat ein Richter in Madrid die Ehefrau des spanischen Ministerpräsidenten, Begoña Gómez, für den 11. September vorgeladen, damit sie in einem Verfahren wegen angeblichen Missbrauchs öffentlicher Mittel aussagt. Der Vorwurf lautet, sie habe eine Beamtin Telefonate im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit an einer Universität erledigen lassen. Auch Sánchez’ Bruder muss sich Vorteilnahme vorhalten lassen.
Das ist aber nicht alles, was die Regierungspartei PSOE beschäftigt. Zum einen gibt es eine Untersuchung gegen den Generalstaatsanwalt Álvaro García Ortiz wegen angeblichen Geheimnisverrats zugunsten des PSOE. Zum anderen läuft ein Prozess im sogenannten Fall Koldo, in dem es offensichtlich tatsächlich um Korruption geht: Der mittlerweile geschasste PSOE-Funktionär Santos Cerdán wurde in einem Bericht der Zentralen Operativen Einheit (UCO) der spanischen Polizei als Schlüsselfigur in einem Fall von Bestechung in Höhe von 620.000 Euro genannt, die im Gegenzug zur Vergabe öffentlicher Aufträge gezahlt worden sein sollen. Als Beweis wurden von der Presse Audioaufnahmen und weitere Dokumente veröffentlicht, eine Kaution für Cerdán wurde abgelehnt.
Im Juli hatte Sánchez einen Plan zur Bekämpfung der Korruption angekündigt, den die Opposition jedoch als unzureichend bezeichnete. Für den Ministerpräsidenten ist die »Causa Koldo« ein reiner Einzelfall. Die Vizepräsidentin der kleineren Koalitionspartei Sumar, Yolanda Díaz, hatte ihm in einer Debatte versichert: »Ich weiß, dass Sie ehrlich sind, aber die progressive Bürgerschaft ist beunruhigt, weil sie nicht will, dass die Rechten in Spanien regieren.« Sánchez müsse sich bemühen, die Korruption in den eigenen Reihen zu bekämpfen, und so den Fortbestand der Regierung sichern.
In der bürgerlichen und rechten Presse wird seit Monaten kolportiert, Sánchez sei der Schwiegersohn eines Zuhälters, und seine Frau habe dessen Bücher geführt. Dabei soll es um Saunen für Homosexuelle gegangen sein, in denen Prostitution betrieben wurde, sowie um ein Bordell. Ein skurriler Vorwurf, zumal Sánchez die Prostitution endgültig verbieten wollte. Was an der Story dran ist, wird man erst in einigen Monaten oder Jahren erfahren.
Sánchez weiß sehr genau, dass gegen die seinerzeit von Pablo Iglesias geführte Partei alle möglichen juristischen Verfahren angestrengt worden waren, die schließlich im Sande verliefen – an der Diskreditierung der linken Formation änderte das nichts mehr. Deshalb hatte sich Sánchez im April 2024 eine Auszeit genommen, nachdem erste Vorwürfe gegen seine Frau erhoben worden waren, um zu überlegen, ob er zurücktreten sollte. Seine Schlussfolgerung in einem »offenen Brief« an alle Spanier lautete, dass er und seine Frau unschuldig seien und er sich solchen »putschistischen Methoden« nicht beugen werde.
Die Regierung sieht sich als Opfer einer Schmierenkampagne, bei der Justiz wie Medien eine zentrale Rolle spielen. Dennoch beugte Sánchez sich dem Druck der Rechten, indem er schließlich im vergangenen Jahr mit der Volkspartei (PP) die Neubesetzung des Obersten Justizrates (Consejo General de Justicia) aushandelte – ohne dabei die linken Koalitionspartner von Sumar oder die Oppositionspartei Podemos einzubeziehen. Denn das Erbe des spanischen Zweiparteiensystems wiegt schwerer als der Wunsch der PSOE-Basis, weiter nach links zu rücken.
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