Union verteidigt Reichtum
Von Kristian Stemmler
Mit seinen Vorschlägen, Gutverdiener und Vermögende höher zu besteuern, hat Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) den Koalitionspartner aufgeschreckt. Mehrere Politiker der Union wiesen den Vorstoß vehement zurück. So erklärte Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) gegenüber der Rheinischen Post (Dienstag), der Koalitionsvertrag sehe keine Steuererhöhungen vor, sondern das Ziel von Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen. Dies sei auch richtig so. Die Koalition werde wichtige Entscheidungen weiterhin gemeinsam treffen, und der Koalitionsvertrag sei dafür die Grundlage, betonte Frei.
Klingbeil hatte im ZDF-Sommerinterview am Sonntag Steuererhöhungen für Bürger, die »viel verdienen oder superhohe Vermögen haben«, ins Spiel gebracht, um die Haushaltslücke von 30 Milliarden Euro im Haushalt 2027 zu schließen. Er nehme da »keine Option vom Tisch«. Die SPD sei immer der Meinung gewesen, dass Menschen, die mehr haben, »ihren Teil dazu beitragen sollten, dass diese Gesellschaft gerechter wird«.
Für die Union sind solche Überlegungen ein Unding, da nicht im Interesse der Großspender. Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) sagte dem Magazin Focus, seine Fraktion gehe aktuell jeden Etat daraufhin durch, »wo noch gespart werden kann«. Aktuell sei nicht die Zeit, »um über Steuererhöhungen auch nur nachzudenken«. Naheliegender ist für den CDU-Politiker, sich das Geld von denen zu holen, die ohnehin wenig haben: Ganz zentral sei, führte Spahn aus, »dass wir konsolidieren und die Sozialabgaben senken«.
Auch andere Unionspolitiker wollen lieber von den Armen nehmen, darunter der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger. Im OECD-Vergleich habe Deutschland die zweithöchsten Steuer- und Sozialabgaben, erklärte er gegenüber Bild. Die Debatte um Steuererhöhungen sei fehl am Platz. Für Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, liegt der Schlüssel für die Schließung der Haushaltslücke »in einer konsequenten Sozialstaatsreform«, wie er Bild sagte.
Das Boulevardblatt brachte auch Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg gegen Klingbeil in Stellung. Mehr als die Hälfte des Haushalts seien Sozialausgaben, beklagte er. Beim Bürgergeld liege das größte Potential darin, mehr Menschen in Arbeit zu bringen, die dann keine Unterstützung mehr beanspruchten. Auch bei Geflüchteten, die Bürgergeld beziehen, könne noch gespart werden. Von den Asylsuchenden aus Syrien oder Afghanistan arbeiteten nur jeweils 37 Prozent sozialversicherungspflichtig, 53 respektive 47 Prozent bezögen Bürgergeld, so Middelberg. Da sei »noch viel Luft nach oben«.
Von der CSU kamen, wenig überraschend, dieselben Töne. »Wir brauchen keine andauernden Diskussionen über neue Steuern, sondern Entlastungen und Sparmaßnahmen«, dekretierte Generalsekretär Martin Huber, ebenfalls gegenüber Bild. Huber forderte Klingbeil auf, konkrete Einsparvorschläge zu machen. Im Haushalt gebe es viele Möglichkeiten, etwa bei »explodierenden Kosten für Bürgergeld« oder Milliardenförderungen, wie bei denen für Wärmepumpen.
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese versuchte am Mittwoch, die Wogen zu glätten. Die Debatte müsse »nicht heute entschieden werden«, erklärte er. In der aktuellen Steuer- und Haushaltsdiskussion halte er es für »überhaupt nicht verwerflich, dass die Koalitionspartner unterschiedliche Ansätze verfolgen und in die Diskussion mit einbringen«, sagte Wiese. Dabei sei klar, dass die Sozialdemokraten »weniger Bauchschmerzen« hätten als die Union, Wohlhabende stärker heranzuziehen, um mittlere und kleine Einkommen zu entlasten.
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