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Aus: Ausgabe vom 21.08.2025, Seite 4 / Inland
Nein zu Steuererhöhungen

Union verteidigt Reichtum

CDU/CSU lehnen Steuererhöhung für Vermögende vehement ab. SPD-Finanzminister verweist auf 30-Milliarden-Lücke im Haushalt
Von Kristian Stemmler
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Wo das Vermögen liegt: Showroom der Messe »Boot Düsseldorf« (20.1.2024)

Mit seinen Vorschlägen, Gutverdiener und Vermögende höher zu besteuern, hat Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) den Koalitionspartner aufgeschreckt. Mehrere Politiker der Union wiesen den Vorstoß vehement zurück. So erklärte Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) gegenüber der Rheinischen Post (Dienstag), der Koalitionsvertrag sehe keine Steuererhöhungen vor, sondern das Ziel von Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen. Dies sei auch richtig so. Die Koalition werde wichtige Entscheidungen weiterhin gemeinsam treffen, und der Koalitionsvertrag sei dafür die Grundlage, betonte Frei.

Klingbeil hatte im ZDF-Sommerinterview am Sonntag Steuererhöhungen für Bürger, die »viel verdienen oder superhohe Vermögen haben«, ins Spiel gebracht, um die Haushaltslücke von 30 Milliarden Euro im Haushalt 2027 zu schließen. Er nehme da »keine Option vom Tisch«. Die SPD sei immer der Meinung gewesen, dass Menschen, die mehr haben, »ihren Teil dazu beitragen sollten, dass diese Gesellschaft gerechter wird«.

Für die Union sind solche Überlegungen ein Unding, da nicht im Interesse der Großspender. Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) sagte dem Magazin Focus, seine Fraktion gehe aktuell jeden Etat daraufhin durch, »wo noch gespart werden kann«. Aktuell sei nicht die Zeit, »um über Steuererhöhungen auch nur nachzudenken«. Naheliegender ist für den CDU-Politiker, sich das Geld von denen zu holen, die ohnehin wenig haben: Ganz zentral sei, führte Spahn aus, »dass wir konsolidieren und die Sozialabgaben senken«.

Auch andere Unionspolitiker wollen lieber von den Armen nehmen, darunter der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger. Im OECD-Vergleich habe Deutschland die zweithöchsten Steuer- und Sozialabgaben, erklärte er gegenüber Bild. Die Debatte um Steuererhöhungen sei fehl am Platz. Für Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, liegt der Schlüssel für die Schließung der Haushaltslücke »in einer konsequenten Sozialstaatsreform«, wie er Bild sagte.

Das Boulevardblatt brachte auch Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg gegen Klingbeil in Stellung. Mehr als die Hälfte des Haushalts seien Sozialausgaben, beklagte er. Beim Bürgergeld liege das größte Potential darin, mehr Menschen in Arbeit zu bringen, die dann keine Unterstützung mehr beanspruchten. Auch bei Geflüchteten, die Bürgergeld beziehen, könne noch gespart werden. Von den Asylsuchenden aus Syrien oder Afghanistan arbeiteten nur jeweils 37 Prozent sozialversicherungspflichtig, 53 respektive 47 Prozent bezögen Bürgergeld, so Middelberg. Da sei »noch viel Luft nach oben«.

Von der CSU kamen, wenig überraschend, dieselben Töne. »Wir brauchen keine andauernden Diskussionen über neue Steuern, sondern Entlastungen und Sparmaßnahmen«, dekretierte Generalsekretär Martin Huber, ebenfalls gegenüber Bild. Huber forderte Klingbeil auf, konkrete Einsparvorschläge zu machen. Im Haushalt gebe es viele Möglichkeiten, etwa bei »explodierenden Kosten für Bürgergeld« oder Milliardenförderungen, wie bei denen für Wärmepumpen.

SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese versuchte am Mittwoch, die Wogen zu glätten. Die Debatte müsse »nicht heute entschieden werden«, erklärte er. In der aktuellen Steuer- und Haushaltsdiskussion halte er es für »überhaupt nicht verwerflich, dass die Koalitionspartner unterschiedliche Ansätze verfolgen und in die Diskussion mit einbringen«, sagte Wiese. Dabei sei klar, dass die Sozialdemokraten »weniger Bauchschmerzen« hätten als die Union, Wohlhabende stärker heranzuziehen, um mittlere und kleine Einkommen zu entlasten.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred Pohlmann aus Hamburg (21. August 2025 um 14:43 Uhr)
    Die Rettung naht. Die Internationale – nein, nicht die uns bekannte – der Superreichen, bekannt als »taxmenow«, ist dabei uns von allem Elend zu erlösen. Um sich nicht gleich in das entsprechende Zahlenwerk zu verheddern, das ja bekanntlich für sich spricht, sollten wir uns damit beschäftigen, was diese irgendwie auch ehrenhafte Community zusammenhält. Dazu konnte man in Hamburg in der Zeitung für Obdachlose, Hinz&Kunzt, Nr. 349, 2022, recht Interessantes lesen. Allein schon nach der Überschrift »Die Zeit ist überreif!« in der Unterzeile das Ur-Deutsche: »Steuern rauf für Reiche: Im Verein taxmenow haben sich Vermögende zusammengeschlossen, die genau das fordern. Ein Gespräch mit dem Vorstand P. Reese über Motive, Ziele u. das Hamburger Desinteresse…«. An dieser Stelle könnten eingeweihte Leser:innen das Interview beiseite legen mit der Bemerkung, na ja, das kennen wir ja. Die letzte Frage des Autors: »Ist bei taxmenow auch jemand aus Hamburg dabei?« Antwort: Nein, bisher noch nicht. Der Interviewer hakt nach: »Das erstaunt uns aber – schließlich ist Hamburg laut Erhebungen die Stadt «mit der größten Reichen-Dichte Deutschlands» und je nach Zählung mit zwischen 900 bis 1200 Einkommens-millionär:innen …« Die Antwort: »Mein Vater kommt ja aus Hamburg, und als halber Hanseat nutze ich jetzt hier diese wunderbare Gelegenheit und sage: Liebe Hamburger:innen, wo bleibt eure viel beschworene hanseatische Kaufmannsehre? Vom Geldsäckescheffeln steht in der Bibel nix!« Dazu zwei Bemerkungen. Es ist für uns als Streiter für eine bessere Welt schon bedrückend, dass es eine »Internationale der Reichen« gibt, bevor auch wir hier in Hamburg imstande sind, ein breites Bündnis für eine andere Welt zu etablieren. Dass es Menschen wie P. Reese gibt, zeigt uns aber auch, dass mehr Menschen als wir glauben für eine sozialistische Alternative zu gewinnen sind. Und es gibt ja im ganzen Land viele Superreiche. Deren Leitstern ist wohl eher das schlechte Gewissen, unserer bleibt die Revolution.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich Hopfmüller aus Stadum (21. August 2025 um 17:25 Uhr)
      Hat die Besteuerung von Reichen etwas mit Sozialismus zu tun?
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred Pohlmann aus Hamburg (22. August 2025 um 16:21 Uhr)
        Wo steht das im Text? Es geht doch darum, dass das gegenwärtige mörderische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem genannt Kapitalismus den gesamten Metabolismus dieses Planeten (noch) beherrscht. Über diesen Hebel lassen sich – und das ist die Hypothese – vielleicht doch mehr Menschen für alternative fortschrittliche Prozesse gewinnen, als wir zur Zeit glauben. So blöd sind auch die Stinkreichen nicht, dass es auch für die »um die Wurst geht«. P. Reese hat ja auch ein paar Mechanismen angesprochen, die auch ein Linker/eine Linke unterschreiben könnte, oder?

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