»Die GmbH will ihre Existenz begründen«
Interview: Gitta Düperthal
Ein Bündnis von Klimaschutz- und Umweltorganisationen plant für Sonntag eine Protestaktion gegen den geplanten Bau der A 39, die Lüneburg mit Wolfsburg verbinden soll. Dient der Neubau der Entlastung von anderen Verkehrsknotenpunkten, dem Warentransport oder als wichtige Pendlerstrecke?
All das spielt eine Rolle. Die lokale Anbindung von Regionen sei wirtschaftlich unerlässlich, um den Handel zu fördern. Die Industrie- und Handelskammer macht als Lobby dafür Druck. Menschen, die an der B 4 wohnen, die durch einige Orte führt, erhoffen sich Entlastung. Dort aber könnte man auch Umgehungsstraßen bauen.
Welche Geschichte hat die Planung?
Erste konkrete Pläne und Planfeststellungsverfahren gab es vor 20 Jahren. Ursprünglich stammt die Idee aus dem Faschismus der 1930er Jahre im Rahmen von »Kraft durch Freude«, KdF. Der »KdF-Wagen« sollte in Wolfsburg als Massenauto produziert werden. Ferdinand Porsche hatte eine enge Verbindung zu Adolf Hitler. Durch das damalige Volkswagenprojekt wollte man Wolfsburg als Vorzeigestadt der Industrie voranbringen. Die Autobahnverbindung sollte bis nach Hamburg reichen. Kriegsbedingt gab es schließlich andere, auch militärische Prioritäten.
Der sogenannte Lückenschluss bis zum Hamburger Hafen soll also jetzt erfolgen?
Dieser Begriff wird ideologisch verwendet. Nicht jeder wohnt an einer Autobahn, vor allem will das auch kaum jemand. Also gibt es Lücken. Verkehrspolitisch will die Bundesregierung das Netz immer dichter machen. Der Bau von etwa 800 Kilometern neuer Autobahnen ist im Bundesgebiet bis 2030 geplant, obgleich wir schon eines der engsten Netze der Welt haben.
Durch welche Landschaft soll die A 39 gezogen werden?
Die Autobahn von insgesamt etwa 100 Kilometern ist abschnittweise geplant, zunächst als Stadtautobahn in Lüneburg. Im weiteren Verlauf wären Fledermäuse gefährdet, die eine breite Autobahn nicht überfliegen können. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND, klagt vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den Planfeststellungsbeschluss. Es gibt keine aufschiebende Wirkung. Obwohl rechtlich nichts geklärt ist, kann der Bau beginnen. In weiteren Abschnitten, für die es noch keine solchen Beschlüsse gibt, würde es wegen dortiger Flora-Fauna-Habitate noch kritischer: auch wegen geschützter Tierarten wie etwa dem kleinen Zugvogel Ortolan. Die privatrechtlich organisierte Autobahn GmbH des Bundes ist für Planung, Bau, Verwaltung und Finanzierung von Autobahnen zuständig. Sie will ihre eigene Existenz begründen und ausweiten. Um Tatsachen zu schaffen, beginnt sie vorbereitend damit, Bäume zu fällen.
Wie wollen sie Anwohnerinnen und Anwohnern erklären, dass sie besser auch gegen den Neubau sein sollten?
Es gibt Befürworter und Gegner der A 39. Entlang aller Orte, an denen gebaut werden soll, haben sich Bürgerinitiativen gegründet und zum Dachverband »Keine A 39« zusammengeschlossen. Freilich aber sprechen sich auch Anwohner dafür aus, die sich eine Entlastung der B 4 versprechen – obgleich bekannt ist, dass durch Autobahnausbau mehr Verkehr entsteht.
Das Bundesumweltministerium stellte die Unwirtschaftlichkeit der A 39 fest. Dabei war auch von abnehmendem Kfz-Verkehr auf Autobahnen die Rede. Inwiefern findet das statt?
Dort konstatierte man ein negatives Nutzen-Kosten-Verhältnis. Die Zahl der Autos nimmt weiter zu, doch aktuelle Messungen zeigen, dass der Verkehr insgesamt leicht abnimmt, was etwa mit vermehrter Arbeit im Homeoffice zu tun haben könnte.
Die Autobahn GmbH bringt das nicht zum Umdenken, oder?
Getrieben von Wirtschaftslobbyisten wollen starke Kräfte in CDU und SPD Autobahnen bauen. Dabei wäre unbedingt die Sanierung der großen Anzahl maroder Brücken vorzuziehen. Darauf insistiert auch der Bundesrechnungshof. Selbst wenn man für den Autobahnausbau ist, kann man das nicht ignorieren. In Österreich gab es 2021 ein Klimamoratorium, hin zu mehr Umweltschutz. Geprüft wird, ob geplante Autobahnen noch gebaut werden müssen. Auch hier bedarf es einer anderen Verkehrspolitik.
Jonas Korn ist Vorstand des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) Elbe-Heide
Fahrraddemo: Sonntag, 24.8., 11 Uhr, Lüneburger Marktplatz
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