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Aus: Ausgabe vom 20.08.2025, Seite 15 / Antifaschismus
Medizinische Opferdatenbank

Organe für die Naziforschung

Leopoldina und Max-Planck-Gesellschaft stellen Datenbank mit 30.000 Einträgen zu Opfern vor
Von Marc Bebenroth
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Auch die Landesanstalt Großschweidnitz findet sich in der Opferdatenbank. Die Gedenkstätte erinnert an die »Euthanasie«-Morde der Nazis (13.5.2023)

Auf das Vermessen von Köpfen folgte das Sezieren von Hirnen. Während der Nazidiktatur wurden die Praktiken der Kaiser- und Weimarer Zeit ausgeweitet auf diejenigen, die der faschistischen Herrschaft zum Opfer fielen. Irgendwo müssen die Organe herkommen, die man für seine Forschungen nutzen will, mag damals die Devise gewesen sein. Am Montag haben die Max-Planck-Gesellschaft und die Leopoldina in Halle (Saale) die noch recht neue Datenbank für die »Opfer biomedizinischer Untersuchungen im Nationalsozialismus« vorgestellt.

Insgesamt seien die Profileinträge von rund 16.000 Menschen dort hinterlegt, die Betroffene der Zwangsforschung der Nazis waren, darunter auch Opfer von Experimenten in den Konzentrationslagern. Mehr als 13.000 weitere Profile sind Menschen zugeordnet, bei denen die Erforschung der Fälle noch nicht abgeschlossen ist. Grundlage für die Datenbank sind Forschungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Oxford Brookes University in Großbritannien. Außerdem stützt sie sich auf Ergebnisse eines Forschungsprojekts der Max-Planck-Gesellschaft – Nachfolgeinstitution der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft –, das sich mit Hirnforschung während der Naziherrschaft befasste. Zuvor seien die Euthanasieopfer, aber nicht Militärangehörige oder Opfer der Besatzungsherrschaft im Blick der Forscher gewesen, sagte Paul Weindling, Professor für Medizingeschichte an der Brookes-Universität sowie Mitglied der Leopoldina, laut MDR am Montag.

Der Grund: »Diese wurden erst nach ihrem Tod zu Forschungsopfern.« Zu den Opfergruppen zählen auch Kriegsgefangene aus der So­wjetunion, Polen, Frankreich, Belgien und dem Vereinigten Königreich, wie Weindling ausführte. So seien in Lagern verstorbenen Kriegsgefangenen oder Menschen in den besetzten Gebieten die Gehirne entnommen und zum Beispiel an das Kaiser-Wilhelm-Institut München oder die medizinische Militärakademie Berlin geschickt worden.

Öffentlich einsehbar sind die Vor- und Nachnamen der Opfer der Hirnforschungsprojekte sowie deren Geburtsdatum, -ort und -land. Alle weiteren Informationen zu den Einträgen stehen nur Nutzern mit einem Forschungszugang zur Verfügung. Über Institutionen, in denen die Opfer als Patienten oder Gefangene untergebracht waren, kann man sich frei informieren. Wie der MDR am Montag berichtete, standen mehr als 200 Einrichtungen in Deutschland und Europa mit medizinischen Verbrechen der Nazis in Verbindung, allein 35 davon befanden sich demnach in Mitteldeutschland.

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