Bande ohne Namen
Von Henning von Stoltzenberg
Die Parteioberen mussten handeln. Nachdem die Junge Alternative (JA) durch den Inlandsgeheimdienst als »gesichert rechtsextrem« eingestuft worden war, hatte sich die in der neurechten Szene verankerte JA im März offiziell aufgelöst. Seither arbeitete die AfD an einem neuen Jugendverband, der enger an die Parteistrukturen gebunden ist, als die relativ frei agierende JA es war. Diese Pläne konkretisieren sich mittlerweile. Am 29. und 30. November soll in Gießen die Gründung der neuen AfD-Nachwuchsorganisation offiziell erfolgen. Nach Angaben eines Parteisprechers soll dort der Vorstand der neuen Organisation gewählt sowie über den Namen und das Logo entschieden werden.
Der Veranstaltungsort ist nach Informationen des Hessischen Rundfunks die Messe Gießen, was diese bestätigte. Medienanfragen zum Umfang, den Teilnehmerzahlen und der konkreten Art der geplanten Veranstaltung beantworteten bislang weder die Messe noch die Bundesgeschäftsstelle der AfD. Die Partei teilte dem Sender lediglich mit, zeitnah über den genauen Ablauf informieren zu wollen. Die Messe Gießen gehört – wie auch die Messen in Dresden und Halle – zur privaten Zwerenz-Gruppe aus Dresden. In Halle wird Kritik laut wegen einer im November geplanten Buchmesse, die dem MDR zufolge als Treffpunkt der Neuen Rechten gilt.
Wie in solchen Fällen üblich, wird bereits über den möglichen Namen der neuen AfD-Jugendorganisation spekuliert. »Patriotische Jugend«, »Deutschland Jugend«, »Junge Patrioten« oder schlicht »AfD Parteijugend« wurden zuletzt öffentlich gehandelt. Entsprechende Logoentwürfe, die die AfD vor kurzem beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht haben soll, kursieren bereits im Internet. Alle vier haben eines gemeinsam: Über dem Schriftzug prangt ein stilisierter Adler, der auch als Anlehnung an die Ästhetik der Nazidiktatur gedeutet werden kann – wenngleich die Partei eine solche Interpretation strikt zurückweisen dürfte.
Die Junge Alternative (JA) stand jahrelang für möglichst provokative Politaktionen, wobei man sich erkennbar durch die »Identitäre Bewegung« inspirieren ließ, die wiederum ursprünglich optisch Anleihe bei linker Protestkultur genommen hatte. JA-Mitglieder tanzten auf AfD-Wahlpartys unter anderem zum »Abschiebesong«. Bei rechten Aufmärschen skandierten sie: »Die ganze Nation will Remigration!« In internen Chatgruppen schrieben sie sich Berichten zufolge Anreden wie »Heil Höcke, Kameraden«. JA-Mitglieder nahmen an »IB«-Veranstaltungen teil oder zeigten öffentlich die »White-Power-Geste«, bei der Daumen und Zeigefinger ein »O« bilden und die übrigen Finger abgespreizt werden. Auch in der von Ermittlungsbehörden ausgehobenen Gruppe »Sächsische Separatisten« sollen JA-Mitglieder aktiv gewesen sein. Die Gruppe soll sich mit paramilitärischen Übungen auf einen »Tag X« vorbereitet haben, an dem in der BRD ein Bürgerkrieg ausbrechen und faschistische Gruppen die Macht übernehmen sollen. Die Mutterpartei ermahnte die Jugend vereinzelt, stoppte den Geldfluss oder schloss in seltenen Fällen Mitglieder aus. Im Großen und Ganzen blieb Verhältnis bis zur (Selbst-)Auflösung mehr oder weniger harmonisch.
Darüber, welche Strömungen auf den neuen Jugendverband einwirken, ist bereits ein interner Machtkampf ausgebrochen, wie Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung ergaben. Netzwerke des rechten Flügels der AfD seien demnach weiterhin aktiv und könnten auch in der neuen Jugendorganisation schnell an Einfluss gewinnen. Ob sich die Kräfte, die bislang in der JA tonangebend waren und durch ihr Agieren die Partei auf den Plan riefen, trotz Neugründung behaupten können, bleibt abzuwarten.
Derweil formiert sich in Gießen und darüber hinaus bereits Widerstand gegen die geplante Veranstaltung. Zu einem ersten Vorbereitungstreffen für Demonstrationen kamen nach Teilnehmerberichten mehr als 100 Menschen. Zudem existiert bereits ein Onlineportal, über das offenbar Anreisemöglichkeiten zu den Protestaktionen aus zahlreichen deutschen Städten organisiert werden sollen. Die Veranstaltung biete »rechter Hetze eine Bühne«, heißt es unter anderem in verschiedenen Protestaufrufen. Man wolle den Zugang für Teilnehmer des Gründungstreffens »durch zivilen Ungehorsam blockieren«, kündigen die Zusammenschlüsse an.
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Antifaschismus
-
Organe für die Naziforschung
vom 20.08.2025