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Aus: Ausgabe vom 20.08.2025, Seite 8 / Abgeschrieben

Hamza Avsar aus dem Abschiebegefängnis entlassen

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Mit Datum vom 19. August 2025 hat der Bürgerrechtler und ehemalige Abgeordnete des sächsischen Landtags Frank Richter einen offenen Brief an den sächsischen Innenminister gerichtet, in dem er ihn dazu auffordert, den politischen Geflüchteten Hamza Avsar aus dem Abschiebegefängnis zu entlassen:

Sehr geehrter Herr Schuster,

ich schreibe Ihnen wegen Hamza Avsar. Er sitzt seit zwei Monaten im Abschiebegefängnis und ist seit 58 Tagen – mit einer kurzen Unterbrechung – im konsequenten Hungerstreik. Was er täglich zu sich nimmt, sind zwei Tassen gesüßten Kaffee, Wasser und Kräutertee. Warum tut er das?

Ich habe ihn zweimal im Abschiebegefängnis besucht. Wir sprachen jeweils über eine Stunde. Hamza berichtete, was er als Kurde in der Türkei erlebt und erlitten hat. Er ist Angehöriger eines Volkes, das seit Jahrzehnten um Freiheit, Selbstbestimmung und Anerkennung kämpft. Er ist Angehöriger eines Volkes, das in der Türkei diskriminiert, geknechtet, verfolgt und gefoltert wird, eines Volkes, das von der Gemeinschaft der anderen Völker vergessen, benutzt, bekämpft, verraten und mit falschen Versprechungen abgespeist wurde.

Hamza berichtete mir, dass er nacheinander in fünf politischen Parteien gearbeitet hat. Sie alle wurden vom Staat verboten, gaben sich einen anderen Namen und gründeten sich neu. Hamza war Mitglied in der BDP, der DEP, der HaDP, der DEHaP und der ÖDP. Alle diese Parteien waren demokratisch, wurden gewählt und gehörten dem türkischen Parlament an. In ihnen organisierten sich Kurden, Armenier, Jesiden und andere unterdrückte Minderheiten.

Hamza sagt: Ich war niemals Mitglied der PKK. Ich habe sie niemals unterstützt. Hätte ich das getan, wäre ich nicht nach Deutschland, sondern in die Berge geflohen. Wenn die deutschen Behörden behaupten, ich sei ein Unterstützer der PKK, übernehmen sie 1:1 die Lüge des türkischen Apparates, der mich zweimal willkürlich ins Gefängnis geworfen hat.

Hamza Asvar hat politisches Asyl beantragt. Das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) hat seinen Antrag abgelehnt. Das Gericht hat die Ablehnung bestätigt. Zur Begründung heißt es, er habe sein individuelles Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft darstellen können.

Ich bin zum gegenteiligen Schluss gekommen. Und: es ist nicht das erste Mal, dass ich nach intensiven Gesprächen, politischen Recherchen und juristischen Beratungen zum Urteil komme, dass die Entscheide des BAMF und die Urteile der Verwaltungsgerichte oberflächlich und stereotyp ausfallen, dass sie falsch sind. In mir verdichtet sich der Verdacht, dass die Befragungen nicht mit dem Ziel geführt werden, dem betroffenen Menschen gerecht zu werden, sondern politische Vorgaben zu erfüllen.

Der körperliche Zustand von Hamza Asvar ist besorgniserregend. Mental und psychisch allerdings befindet er sich in bester Verfassung. Als ich ihn fragte, ob und wie lange er den Hungerstreik fortführen will, antwortete er mir: »Bis zum Schluss. Ich protestiere gegen meine Abschiebung. Sie ist ungerecht.« (…)

Sehr geehrter Herr Schuster, ich bitte Sie, Hamza Asvar aus dem Abschiebegefängnis zu entlassen, die Abschiebung zu stoppen und seine Angelegenheit einer erneuten Prüfung zuzuleiten. Sie können das. Es wäre nicht das erste Mal, dass Sie von Ihrem Weisungsrecht Gebrauch machen, ohne rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft zu setzen. (…)

Mit freundlichen Grüßen,

Frank Richter, 19.8.2025

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