Gegen unendliche Befristung
Von Carmela Negrete
Nach Einführung der Marktdemokratie galt der Staatsdienst in Spanien lange als sichere Option. Doch gestaltet sich dieser insbesondere seit der Wirtschaftskrise 2008 zunehmend prekär und unsicher: Urlaubs- und Krankentage sowie Urlaubsgeld wurden zusammengestrichen, Stellen zunehmend befristet. Das ist vergleichbar mit wissenschaftlichen Mitarbeitern an Hochschulen in Deutschland, die mit jedem Jahresende um ihre Stelle bangen müssen. In Spanien betrifft dies aber noch weitaus mehr Berufe.
Eine befristete Beschäftigung ist in Spanien gesetzlich über einen Zeitraum von drei Jahren gestattet. Doch werden manche Ärzte, Krankenschwestern, Lehrer, Verwaltungsangestellte und andere Bereiche des öffentlichen Dienstes häufig deutlich länger, manchmal über Jahrzehnte hinweg, von einer Befristung in die nächste gezwungen. Im Auswahlverfahren »Oposiciones« des öffentlichen Dienstes werden Beschäftigte je nach Ergebnis einer Liste zugeordnet. Feste Stellen erhalten zunächst die vorderen Plätze. Schlägt ein Kandidat eine Stelle aus, bedeutet das Punktabzug. So können Beschäftigte des öffentlichen Dienstes etwa zum Umzug in eine andere Stadt gezwungen werden.
Der Verband der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CGT (Federación Estatal de Trabajadores de las Administraciones Publicas, FETAP-CGT) hat beim Europäischen Gerichtshof dagegen geklagt. Die Gewerkschaft vertritt 300 Verwaltungskräfte der Regionen Katalonien, Aragón, der autonomen Provinz Valencia, Kastilien und León und Madrid. Sie wollen, dass die EU-Kommission die sachgrundlose Befristung sanktioniert und ein Verfahren gegen den spanischen Staat eröffnet. Denn Hunderttausende Menschen sind regelmäßig davon betroffen. Das 2021 vom damaligen Minister für territoriale Politik und öffentlichen Dienst, Miquel Iceta, entworfene Gesetz sei trotz dieses Bruchs toleriert worden.
Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zu entfristen war in der Praxis allerdings häufig schwieriger als gedacht. Denn einige Beamte klagten gegen die Entscheidung, eine über mehr als drei Jahre befristet besetzte Stelle ohne weiteres Ausschreibungsverfahren zu entfristen. Sie sahen sich benachteiligt, da sie das Prüfungssystem mit Punkten für Lebenslauf, Arbeitserfahrung und akademische Titel durchlaufen mussten. Die Befristungsquote ist in Spanien doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt. Im öffentlichen Dienst ist jede dritte Stelle betroffen. Die EU-Kommission behielt deswegen noch Anfang des Monats Finanzierung in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zurück.
Doch die EU weiß über das Problem mit den befristeten Staatsbeschäftigten schon lange Bescheid. Auch das sogenannte Icetazo-Abkommen, das die Zahl befristeter Stellen im öffentlichen Sektor begrenzen sollte, führte zu einer verschärften Situation. So konnten langjährig befristete Beschäftigte im Auswahlverfahren ausgeschlossen werden, da ihre Arbeitserfahrung nicht berücksichtigt wurde. Das Verfahren gab den Beschäftigten keine Sicherheit, sondern erhöhte die Unsicherheit und führte zu massenhaften Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst, der zudem überwiegend Frauen älter als 50 Jahre betraf. Wurden öffentliche Stellen, die es zu entfristen galt, in Regionen wie dem Baskenland oder Katalonien ausgeschrieben, galt die Beherrschung der Regionalsprache als Voraussetzung. So verloren jahrelang befristet Beschäftigte ohne entsprechende Sprachkenntnisse ihren Arbeitsplatz.
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