Kollaps mit Ansage
Von Oliver Rast
Ein fataler Dreiklang: Milliardenlöcher, Beitragserhöhungen, Leistungskürzungen. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) steht vor dem Kollaps – ein Notfallpatient. Die »Finanzkrise der Krankenkassen« ist aber kein Naturereignis, sie ist ein Angriff auf ein solidarisches Gesundheitssystem. Ein ideologisch motivierter ohnehin.
Etwa seitens der Rechnungsprüfer. Deren Befund ist zunächst banal: Die Finanzsituation der GKV spitze sich zu, heißt es in einem Schreiben des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsausschuss des Bundestages, berichtete AFP am Montag. Darin fordert die Behörde »kurzfristige Einsparungen«. Sonst würden die Krankenkassenbeiträge eine Höhe erreichen, die das Wirtschaftswachstum dämpfen könnte, so die Hüter des hiesigen Rechnungswesens. Und: Im vergangenen Jahr sei der Ausgabenanstieg der höchste der zurückliegenden 30 Jahren gewesen. Allein 2024 ein Defizit von 6,2 Milliarden Euro. Ferner schwinden die Rücklagen mit 2,1 Milliarden Euro weit unter der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve von 0,2 Prozent der GKV-Monatsausgaben.
Konsequenz: Die Rechnungsprüfer fordern wüst »Einschnitte« im System. »Ausgabenseitig« seien Maßnahmen zu ergreifen, »die kurzfristig die finanzielle Situation der GKV stabilisieren und alle relevanten Leistungsbereiche umfassen«, heißt es in dem Papier.
Falsch. Denn der Blick muss weg von der Ausgabenseite – und hin zur Einnahmeseite. Zunächst: Die Beitragsbemessungsgrenze muss rauf. Reiche sollen mehr zahlen. Das wäre ein bisschen mehr faire Lastenverteilung, ein bisschen mehr von unten nach oben.
Zumal die GKV unterfinanziert ist. Seit Jahren schon. Der Hauptfaktor: versicherungsfremde Leistungen. Investitionen in Krankenhäuser werden oftmals über die GKV mitfinanziert. Eine Kernaufgabe der Bundesländer. Eigentlich. Oder: Die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldbeziehern wird großteils aus der GKV gezahlt, der Bundeszuschuss reicht bei weitem nicht. Beitragszahler finanzieren Aufgaben, die gesamtgesellschaftlich sind. Aufgaben, die aus dem Steueraufkommen gedeckt werden müssten, nicht durch Beitragssätze.
Was macht das Merzsche Kabinett? Placebos verteilen. Ein Darlehen von mehr als zwei Milliarden Euro für die GKV. Damit sollen weitere Beitragsatzerhöhungen »abgemildert« werden. Augenwischerei, denn Darlehen sind Schulden, die die GKV zurückzahlen muss. Ab 2029 schon. Besser wäre hingegen die Rückzahlung von 5,2 Milliarden Euro Coronahilfen, die der Bund aus dem Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zweckentfremdete. Rückzahlungsmoral? Gleich null.
Okay, nun zum ideologisch motivierten Gegenangriff: Eine solidarische Bürgerversicherung muss her. Eine, in die alle einzahlen – auch Beamte, Selbständige, Spitzenverdiener. Und nicht zuletzt Bundestagsabgeordnete, also die, die über eine »GKV-Reform« beraten und entscheiden. Motto: »Gesundheit ist Daseinsvorsorge – keine Ware.«
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