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Aus: Ausgabe vom 19.08.2025, Seite 8 / Inland
Mietpreise in Frankfurt am Main

»Viele haben Angst, sich das nicht leisten zu können«

Hessen: Bündnis organisiert Protest gegen Mieterhöhungen in Frankfurter Wohngebieten. Ein Gespräch mit Daniel Katzenmaier
Interview: Gitta Düperthal
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Demo auf dem Römerberg: Wer ist Frankfurts dreistester Vermieter? (27.3.2021)

Mieterinnen und Mieter der Otto-Brenner-Siedlung in Frankfurt-Sossenheim setzen sich bereits dafür ein, den Mietpreisstopp zu verteidigen und auszuweiten. Das Bündnis für einen Mietenpreisstopp bei der Nassauischen Heimstätte, NH, macht in den Stadtteilen Bonames und Nieder-Eschbach am Ben-Gurion-Ring weiter. Wie ist die Situation dort?

Alle Mieterinnen und Mieter der teils landeseigenen hessischen Wohnungsbaugesellschaft beklagen immense Mieterhöhungen. Denn der Aufsichtsrat der NH beschloss eine »neue Mietenstrategie«. In dem Gremium sitzen der hessische Minister für Wohnen, Kaweh Mansoori, und der Frankfurter Planungsdezernent Marcus Gwechenberger, beide SPD. Die NH will innerhalb von drei Jahren Mieten um zehn Prozent pro Jahr erhöhen, bisher war es nur ein Prozent.

Wie wird das begründet?

Sie müssen künftig bis zu 55 Euro mehr Miete im Monat berappen, um zusätzlich zu sonstigen Mieterhöhungen »die große gesellschaftliche Aufgabe« der energetischen Modernisierung zu gewährleisten sowie Neubau. Für einige bedeutet das insgesamt bis zu 300 Euro mehr Monatsmiete. Viele haben Angst, sich die Wohnung nicht mehr leisten zu können.

Halten Sie diese Angst für berechtigt?

Aufgrund von Inflation und eher geringen Tariferhöhungen können sich Menschen hohe Mieten nicht leisten. Bei unseren Haustürgesprächen gibt es Zustimmung. Die NH hat 2024 einen Rekordgewinn von fast 35 Millionen Euro eingefahren und ist vom Land subventioniert. Wieso sollen Mieterinnen und Mieter am Ben-Gurion-Ring Neubau finanzieren? Sie haben in vergangenen Jahren Mieterhöhungen gezahlt, obgleich die in den 1970er Jahren erbauten Gebäude, in denen sie wohnen, längst abbezahlt sind. In der Baubranche nennt man das Betongold. Große Kosten gibt es kaum mehr, die NH muss nur instandhalten und modernisieren. Der Rest der Mieteinnahme: Gewinne, die man steigern will! Am Ben-Gurion-Ring beschweren sich Mieterinnen und Mieter, dass die NH das Siedlungsgelände kaum pflegt. Facharbeiterinnen und -arbeiter ziehen aus, zumal gerade sie hohe Mieten zahlen. Der sozialen Zusammensetzung dort tut das nicht gut.

Der Ben-Gurion-Ring wird als sozialer Brennpunkt beschrieben. Jugendlichen auf Ausbildungsplatzsuche wird geraten, diese Adresse nicht anzugeben. Wie sind Menschen dort, die oft in Armut leben oder armutsgefährdet sind, zu organisieren?

Wir bringen sie zusammen, damit sie gemeinsam Entscheidungen treffen können. Wegen der Mieterhöhungen sind wir mit unseren Haustürgesprächen erfolgreich. Mehr als 50 Prozent haben bereits dagegen unterschrieben. Wir wollen sie aktivieren, Mietergemeinschaften oder -beiräte zu gründen. In der Otto-Brenner-Siedlung, wo solche Strukturen bestanden, aber eingeschlafen waren, wollen die Bewohner einen Beirat wählen. Ein Mieterraum, wo sie sich treffen können, existiert schon.

Wie geht das Bündnis vor?

Wir haben ungefähr 50 Aktive, die an die Haustüren gehen: darunter Verdi-, IG-Metall- oder Gewerkschaftsjugendvertreter, die Linkspartei Frankfurt und Offenbach, Mietergemeinschaften, Personal- und Betriebsräte, Studierende des AStA der Frankfurter Goethe-Uni. Frankfurts Exoberbürgermeister Peter Feldmann hilft uns. Viele Mieterinnen und Mieter kennen ihn noch, weil er in Nieder-Eschbach aufwuchs, dort als Sozialarbeiter tätig war. Wir sind bereits in mehreren Frankfurter Stadtteilen unterwegs, wollen das auf andere hessische Städte wie Offenbach, Wiesbaden und Darmstadt ausweiten.

Was konnten Sie politisch erreichen?

Die Stadt Frankfurt am Main hat signalisiert, dass die alte Regelung wieder gelten soll, allerdings nur bis zur Einkommensgrenze von monatlich netto etwa 1.616 Euro für einen Einpersonenhaushalt und von monatlich netto etwa 2.479 Euro für einen Zweipersonenhaushalt. Doch auch diese Mieterinnen und Mieter können sich keine solche Erhöhung leisten. Der Mietenstopp muss für alle in Hessen gelten.

Daniel Katzenmaier ist Sprecher des Bündnisses für einen Mietenpreisstopp bei der Nassauischen Heimstätte und erster Vorsitzender der Mietergewerkschaft Deutschland

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