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Aus: Ausgabe vom 19.08.2025, Seite 6 / Ausland
Bosnien und Herzegowina

Politisches Erdbeben in Srpska

Bosnien und Herzegowina: Gericht lehnt Berufung Dodiks ab. Auch Premier der serbischen Teilrepublik tritt zurück
Von Slavko Stilinović
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Dodik polarisiert: Anhänger des Politikers bei einer Demo in Banja Luka (26.2.2025)

Seit Montag ist es offiziell: Milorad Dodik ist auch mit seiner Berufung gescheitert und damit nicht mehr Präsident der serbischen Teilrepublik Republika Srpska (RS). Dies teilte die Berufungskammer des Gerichts in Sarajevo mit. Anfang des Monats war Dodik bereits zu einer Geldstrafe von umgerechnet circa 18.000 Euro verurteilt worden – anstelle einer einjährigen Freiheitsstrafe wegen Missachtung der Entscheidungen des vom Westen eingesetzten Hohen Repräsentanten, des Deutschen Christian Schmidt. Hintergrund ist, dass der bosnisch-serbische Politiker im Juli 2024 zwei Gesetze in Kraft gesetzt hatte, die die Umsetzung von Entscheidungen Schmidts in der RS untersagen.

Die Zentrale Wahlkommission Bosnien und Herzegowinas (BiH) ist nun angehalten, vorgezogene Neuwahlen in der Entität auszurufen – was die angespannte Lage in der Region noch verschärfen dürfte. Besonders, weil Dodik seine vorherigen Verlautbarungen wahr machte und noch am selben Tag zwei Referenden ankündigte, wie Klix Vijesti berichtete. Das erste werde Ende September stattfinden, die Bürger der RS sollen darin entscheiden können, ob sie die Entscheidungsgewalt des Hohen Repräsentanten und der Institutionen des Staates BiH – und damit das Urteil gegen Dodik – anerkennen oder nicht. Brisanter ist jedoch das zweite: 90 Tage später werde es eine Abstimmung über die Abspaltung vom Zentralstaat geben. Ein solches Referendum hatte Dodik in seiner Zeit als Amtsträger der RS mehrfach angekündigt. Das Verfassungsgericht in Sarajevo hatte das Vorhaben allerdings 2016 für nichtig erklärt.

Auch der Premier der Republika Srpska, Radovan Višković, kündigte am Montag an, sein Amt niederzulegen. »Wir haben entschieden, eine neue Regierung zu wählen«, sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Dodik in Banja Luka. Mit seinem Rücktritt wolle er einen Beitrag dazu leisten, »einen breiteren Konsens in der Republika Srpska« herzustellen. Bosnische Medien schrieben sofort von einem »politischen Erdbeben« in der Teilrepublik. Dodik sagte, dass es sich bei der Entscheidung lediglich um eine personelle Umstrukturierung an der Spitze der RS handele. Beide Politiker gehören der SNSD an, der Allianz der Unabhängigen Sozialdemokraten, die als Partei der Serben gilt. Der serbisch-bosnische Politiker Dodik steht nun unter erheblichem Druck, einerseits durch seine politischen Gegner in Sarajevo und im Westen, andererseits innerhalb seiner eigenen Partei. So entzündete sich bereits vor der Entscheidung vom Montag ein erbitterter Machtkampf um die Nachfolge. Und bosnische Politiker laufen Sturm gegen ihn. Der prowestliche Abgeordnete Nebojša Vukanović warf Dodik in einem Statement gegenüber dem CNN-Ableger N 1 vor, ein mafiöses System aufgebaut zu haben, in dem Angst herrsche. Der Vorwurf bezieht sich auf dokumentierte Fälle von Einschüchterung oppositioneller Medien und systematischer Begünstigung von Dodik nahestehenden Unternehmen. Besonders kritisch seien, so Vukanović, die Pläne, Dodiks Sohn Igor als Nachfolger aufzubauen. »Die SNSD darf nicht die Familienfirma von Milorad Dodik sein«, warnte Vukanović.

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić hatte sich in den vergangenen Wochen mit Dodik solidarisch gezeigt. So verurteilte er die juristischen Verfahren und Entscheidungen als beispielloses Verbrechen. Bekräftigt hatte er jedoch auch, dass sich Serbien nicht in die inneren Angelegenheiten der RS einmischen werde. Zumal seine Regierung derzeit selbst zu kämpfen hat, beispielsweise mit den eskalierenden Studentenprotesten im ganzen Land.

Bosnien und Herzegowina ist seit dem Friedensabkommen von Dayton aufgeteilt in die überwiegend von bosnischen Serben bewohnte Republik Srpska und die kroatisch-muslimische Föderation Bosnien und Herzegowina. Die beiden halbautonomen Landesteile haben eigene Regierungen und Parlamente.

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