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Aus: Ausgabe vom 19.08.2025, Seite 4 / Inland
Jan van Aken im »Sommerinterview«

Freund oder Feind

Linke-Parteichef van Aken: Kritik an Bezirksverband Neukölln. Gespräche angekündigt. Parteiausschluss ist »Riesenhammer ganz am Ende«
Von Max Grigutsch
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Ein ewig leidiges Thema: Wie positioniert sich die Linkspartei zur Palästina-Solidarität? (Berlin, 9.8.2025)

Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Der Kovorsitzende der Partei Die Linke, Jan van Aken, hat am Sonntag seine Kritik an einem Sommerfest des Linke-Kreisverbands in Berlin-Neukölln verschärft. »Das ist nicht unsere Veranstaltung, wir machen das nicht mit«, erklärte der Politiker im ARD-»Sommerinterview«. Zuvor waren Vorwürfe laut geworden, dass Teilnehmer des Fests der Hamas nahestünden. Dass »einzelne« in einem Bezirksverband »so was« machen, finde er »falsch« und kündigte Gespräche mit den Verantwortlichen an. Und: Ein Ausschlussverfahren sei der »Riesenhammer ganz am Ende« eines solchen Prozesses, sagte van Aken auf Nachfrage. »Ich sehe das im Moment nicht«, fügte der Politiker am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin hinzu.

Aufhänger der Debatte war ein von Die Linke Neukölln veranstaltetes »Soli-Kiez-Event« am 9. August. Eingeladen war unter anderem das Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee, dem der Verfassungsschutz eine Nähe zur Hamas und zur sozialistischen PFLP nachsagt. »Skandal in Berlin«, titelte das Boulevardblatt Bild: »Linke feiert Sommerfest mit Hamas-Anhängern.« Die Einschätzung des Verfassungsschutzes teile der Neuköllner Verband allerdings nicht, wie dieser am Donnerstag mitteilte. »In den vergangenen Tagen haben wir (einmal wieder) erlebt, wie bürgerliche Medien und politische Akteure sich rassistische Springerhetze zu eigen gemacht haben«, hieß es in der Stellungnahme.

Der Parteichef gab sich indessen überzeugt von der Einschätzung des Inlandsgeheimdienstes. Die Hamas sei eine »faschistische Organisation«, die könne »niemals Partner sein«. In Neukölln sei eine Grenze überschritten worden. »Als wir das mitbekommen haben, haben wir sofort gesagt: Das geht nicht«, sagte van Aken am Sonntag. Auf jW-Nachfrage am Montag betonte der Parteichef: »Natürlich gibt es Gespräche«, das sei »gar keine Frage«. Namen einzelner Personen wollte er nicht nennen, einen erwarteten Ausgang der Konversationen auch nicht.

Ausgang: Parteiausschlussverfahren? Van Aken wollte am Montag nicht missverstanden werden: Er habe keinen Parteiausschluss angesprochen, sondern er sei danach gefragt worden. Beantwortet hatte er die Frage dann mit den Worten: »Da kommen Sie jetzt mit dem großen Holzhammer, der kann ganz am Ende liegen.« Ausschließen könne er das nicht, so van Aken tags darauf, schließlich habe seine Partei 118.000 Mitglieder – »jedes einzelne Mitglied kann ein Parteiausschlussverfahren anstrengen«, am Ende entscheide ein Schiedsgericht.

Daran, dass auch diese Klinge scharf ist, erinnerte van Aken im »Sommerinterview«. »Es gab schon mal eines gegen ein Mitglied«, sagte der Politiker. Gemeint: der Ausschluss des Palästina-Aktivisten Ramsis Kilani im Dezember 2024. Dieser betonte am Montag auf Anfrage dieser Zeitung: »Der Parteiausschluss wegen meines Einsatzes gegen den Völkermord in Gaza musste immer als Angriff zur Disziplinierung des gesamten linken Parteiflügels begriffen werden.« Die Linke schade sich selbst, wenn sie sich »von rechten Medien treiben lässt«, sagte Kilani.

Als »abscheuliche Kriminalisierung der Palästina-Solidarität« bezeichnete der deutsch-palästinensische Filmemacher Rashad Alhindi die Aussagen van Akens auf der Onlineplattform X. Die marxistische Autorin Bafta Sarbo nannte es »absurd«, den einzigen Linke-Verband »zu diskreditieren, der tatsächlich einen Bezug zur lokalen Bevölkerung hat«. Sich auf Informationen des Verfassungsschutzes und der Springer-Presse zu stützen, sei »unfassbar unwürdig und rassistisch«, schrieb sie am Montag auf X.

Immerhin: Kilani hält es für unwahrscheinlich, dass »van Akens Androhung« bei der Linkspartei in Neukölln dazu führe, »ihre linken Grundprinzipien über Bord zu werfen«. Er forderte andere Linke-Verbände dazu auf, dem »Beispiel palästinasolidarischer Stadtteilfeste« zu folgen.

Ob dann mit Unterstützung aus der Parteispitze zu rechnen ist? »Über das Wort ›Genozid‹ können wir lange streiten«, deutete van Aken am Sonntag die unklaren Kräfteverhältnisse in seiner Partei an. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland finde, dass es einer ist. Trotzdem: »Wir sagen das nicht als Partei.«

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  • Leserbrief von Dr. Kai Merkel aus Möhnesee (19. August 2025 um 14:05 Uhr)
    Die Erneuerung der Linken zur SPD 2.0 ist fast abgeschlossen. Hin zu einer Partei, welche zwar große Reden schwingt, aber der tödlichen Aufrüstung im Bundesrat zustimmt, Black Rock Merz im Bundestag mitwählt, sich neuerdings ein Renteneintrittsalter von 70 (!) vorstellen kann und den eigenen Leuten auf Befehl der Springer-Presse mit Ausschluss droht. Beim Israel-Gaza-Konflikt bekommt man im Parteivorstand der Pseudo-Linken den Mund nicht auf, zu sehr hat man Angst vor der Antisemitismus-Keule, die man dort selbst gern schwingt. Man macht sogar mit bei der Diffamierung der Gaza-Aktivisten. Das Wort »Völkermord« will die Pseudo-Linke in dem Zusammenhang immer noch nicht aussprechen. Obwohl es diverse UN-Körperschaften und quasi alle NGOs, die verzweifelt dagegen ankämpfen, längst tun. Die deutschen Grün-Linken werden so lange mit dieser Bezeichnung warten, bis der letzte Palästineser in Gaza tot oder vertrieben ist und es ein Gericht 2049 bestätigt hat. Ach ja, Frieden in der Ukraine darf es nicht geben, falls Russland irgendwie daran profitiert. Und die NATO ist mittlerweile ein notwendiges Übel in der Linken-Parteiführung … schließlich muss man sich vor Russland oder zukünftig gar dem bösen China schützen. Ein absolutes Armutszeugnis, was aus dem Haufen geworden ist. Ich schäme mich, die jemals gewählt zu haben.
  • Leserbrief von Beate Meetz aus Lund/Skåne län; Schweden (19. August 2025 um 11:08 Uhr)
    Kaum dass die Partei Die Linke kurz vor der letzten Strangulierung noch einmal tief Luft holen konnte, da arbeitet der Parteivorsitzende van Aken schon wieder erfolgreich daran, unter dem Beifall der Medien von taz bis FAZ die Partei freiwillig zur Hinrichtung zu führen. Wie anders ist es sonst zu verstehen, wenn er den erfolgreichsten westlichen Bezirksverband Neukölln zu den Bundestagswahlen jetzt zum Harakiri zwingen will mit der Spaltung und Zerschlagung der palästinasolidarischen Bewegung? Gekämpft wird um die Definitionshoheit über bereits auf dem Parteitag beschlossene Positionen, und gleichzeitig werden angekündigte Friedensdemonstrationen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Der Parteivorsitzende wankt schon wieder irrlichternd zur Enthauptung seiner Partei in Richtung Fallbeil.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (19. August 2025 um 08:37 Uhr)
    So sieht er eben ganz praktisch aus, der Linksruck in der Linkspartei, von dem viele von denen träumten, die im Frühjahr in die Partei strömten oder ihr bei der Wahl ihre Stimme gaben. Da macht man eben nicht nur den Weg frei für jene wahnsinnigen Verschuldungsarien, mit denen letztendlich nur der Weg in den Krieg gepflastert wird. Wenns ganz praktisch wird mit dem Staatstragen, wird dann auch noch die Solidarität entsorgt und blind das Zeug von der Staatsräson nachgequasselt. Wer sich unter dem an den Haaren herbeigezogenen Vorwand der Solidarität verweigert, Einsatz für Palästinenser sei Einsatz für die Hamas, verdient selbst keine Solidarität mehr.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (18. August 2025 um 20:08 Uhr)
    Wie steht Herr van Aken zum IStGH und den einschlägigen Äußerungen von da?

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