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Aus: Ausgabe vom 19.08.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Ukraine-Krieg

Putins Pyrrhussieg

Ein »Deal« zwischen Russland und den USA wäre für Russland bei weitem nicht so vorteilhaft, wie es der europäische Mainstream darstellt
Von Reinhard Lauterbach
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Die bisherigen Erfolge an der militärischen wie an der diplomatischen Front könnten für Russland teuer erkauft sein (Putin vor Abflug aus Anchorage nach seinem Treffen mit Trump)

Zum Zeitpunkt, an dem diese Zeilen geschrieben werden, ist nicht klar, was aus dem Gipfel in Alaska zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Sachen Beendigung des Ukraine-Konflikts tatsächlich folgt. Aber selbst für den Fall, dass die USA die russischen Friedensbedingungen im Kern annehmen sollten und die »Europäer« verstehen, dass sie dem nichts Ernsthaftes entgegenzusetzen haben, wäre die Lage Russlands im Anschluss bei weitem nicht so triumphal, wie es westeuropäische Kommentatoren als Schreckensszenario an die Wand malen.

Denn was hätte Russland in diesem Fall gewonnen? Etwa 120.000 Qua-dratkilometer schwer zerstörtes Land mit einer Bevölkerung, deren Loyalität vor allem in den besetzten Teilen der Bezirke Cherson und Saporischschja mit einigen Fragezeichen zu versehen ist. Von der »Demilitarisierung« und »Denazifizierung« der Ukrai­ne hat Wladimir Putin zuletzt nicht mehr gesprochen – er scheint sich also damit abgefunden zu haben, dass Russland einen feindseligen und angesichts der hypothetischen Gebietsverluste zum Revanchismus angestifteten südwestlichen Nachbarn behält. Russland versucht allerdings, diese erwartbare Gegnerschaft der Ukraine auf einem für Moskau militärisch handhabbaren niedrigen Niveau zu halten. Ob das gelingt, ist mehr als fraglich; die ukrainische Armee ist heute kriegserfahren und nach ziemlich einhelligem Urteil militärischer Fachleute die kampfstärkste in Europa westlich von Russland. Darauf, dass die Ukraine ihre Armee freiwillig reduziert – auch schon aus finanziellen Gründen –, braucht Russland nicht zu hoffen, und dies schon deshalb, weil Horden enttäuschter demobilisierter Soldaten ein ähnlicher innenpolitischer Unruhefaktor wären wie die Freikorps in der frühen Weimarer Republik.

Auf irgendwelche Bündnispartner in der politischen Klasse der heutigen Ukraine kann Russland nicht setzen. Kräfte, die vor 2022 als »prorussisch« galten, sind aus dem politischen Feld eliminiert; ihre führenden Vertreter leben im Moskauer Exil oder haben ihre politische Aktivität eingestellt. Ihre Chancen auf eine Massenbasis dürften angesichts der Zerstörungen, die der Krieg gerade in den östlichen – und früher tendenziell russlandfreundlichen – Teilen der Ukraine angerichtet hat, aller Wahrscheinlichkeit nach als bestenfalls gering einzustufen sein.

Wie Russland seine sicherheitspolitischen Interessen – im Kern, sich die NATO vom Hals zu halten – vertraglich garantieren will, also ohne permanenten militärischen Druck ausüben zu müssen, ist nicht minder unklar. Die »Europäer« werden einige Kreativität entwickeln, alle Demilitarisierungs- und Neutralisierungspläne zu unterlaufen. Und auf die Treue der USA gegenüber einem eventuellen Friedensvertrag zu vertrauen wäre einigermaßen leichtfertig.

Nicht nur, weil alles, was der US-amerikanische dem russischen Präsidenten vielleicht zusagen mag, nur für ihn selbst und in geringerem Maße für seine Partei – die auch ihren »Falkenflügel« hat – gilt. Im Fall, dass die nächste US-Präsidentenwahl wieder die Demokraten gewinnen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch eine auf Ausgleich mit Russland zielende US-Politik wieder revidiert würde. Ganz abgesehen von Trumps notorisch sprunghafter Natur und der Tatsache, dass er Russland gerade erst im Südkaukasus einen heftigen Tritt vors Schienbein verpasst hat: durch den Anspruch, unter US-Regie eine direkte Straßenverbindung von Aserbaidschan durch armenisches Territorium in dessen Exklave Nachitschewan bis in die Türkei – und natürlich auch umgekehrt von der Türkei zum Kaspischen Meer – zu bauen und von US-amerikanischen Söldnerfirmen »sichern« zu lassen. Ein solcher Zugriff der USA auf die zentralasiatischen Rohstoffvorkommen – die bisher über das russische Leitungsnetz exportiert werden, womit Moskau die Hand am Regler behält – wäre ein empfindlicher Rückschlag für Russlands Bemühungen, einen Handels- und Nachschubkorridor über das Kaspische Meer in den Iran zu bauen. Zumal sich das russisch-aserbaidschanische Verhältnis gerade rapide verschlechtert und die Regierung in Baku sich im Ukraine-Krieg offen auf die ukrainische Seite gestellt hat und das Land mit Treibstoffen beliefert.

Zusammengefasst: Russland hat den Ukraine-Krieg begonnen wie nach dem Lehrbuch von Clausewitz: als »bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln«. Wie es von diesen »anderen Mitteln« jetzt wieder herunterkommen will, ohne an seinen politischen Zielen Abstriche zu machen, ist derzeit kaum absehbar.

Hintergrund: Gegenangriff teilweise erfolgreich

In der Ostukraine haben ukrainische Truppen nach eigenen Angaben den jüngsten russischen Vorstoß nördlich von Pokrowsk teilweise zurückgedrängt. Wie die Armeeführung in Kiew mitteilte, seien mehrere Dörfer zurückerobert worden. Auf russischer Seite wurden heftige Kämpfe in diesem Abschnitt eingeräumt, wobei die ukrainischen Soldaten »kolossale Verluste« erlitten hätten. Russische Einheiten waren in der vergangenen Woche in einer Tiefe von bis zu 15 Kilometern durch die ukrainische Front gebrochen.

Russland setzte unterdessen seinen Drohnen- und Raketenbeschuss ukrainischer Ziele im Hinterland fort. In Odessa wurde ein Treibstofflager der aserbaidschanischen staatlichen Ölfirma SOCAR getroffen und brannte offenbar komplett aus. In Charkiw schlug eine russische Rakete in einen Wohnblock ein und tötete sieben Bewohner, darunter eine komplette Familie; weitere Opfer werden noch unter den Trümmern des einsturzgefährdeten Hochhauses vermutet. Raketeneinschläge gab es auch in Saporischschja. Nach ukrainischen Angaben starben drei Menschen, 18 weitere wurden verletzt. In Sumi wurde ein Gebäude der Universität bei einem russischen Angriff zerstört. In Ungarn beschwerte sich Außenminister Péter Szijjártó über einen ukrainischen Beschuss einer Ölpipeline, die das Nachbarland versorgt.

Unterdessen hat der russische Geheimdienst FSB nach eigenen Angaben einen ukrainischen Selbstmordanschlag auf die Krimbrücke vereitelt. Wie die Behörde am Montag mitteilte, hatten die Organisatoren ein mit Sprengstoff beladenes Auto aus Georgien eingeführt und einen Mann angeheuert, der das Auto über die Brücke in Richtung Krim steuern sollte. Dass er bei der Explosion sterben würde, war dem Mann, wie er nach seiner Festnahme aussagte, nicht bewusst. (rl)

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Christoph H. (19. August 2025 um 13:50 Uhr)
    Und wieder eine sehr gute Analyse von Reinhard Lauterbach mit einer Auflistung von Aspekten, die eigentlich auf der Hand liegen, aber in den Leitmedien nicht vorkommen. Stattdessen wird dort der »3:0-Sieg« von Putin ebenso bejammert, wie er einigen Leserbriefschreibern hier Freude zu bereiten scheint. Nur: Es gibt keinen Sieg. Es gibt Positionsgeschiebe, und selbst wenn Putin sein Ziel erreicht, die NATO aus der Ukraine herauszuhalten (wo sie in der Tat absolut nichts zu suchen hat) – an der Ostsee hat sich durch die NATO-Beitritte Finnlands und Schwedens die strategische Situation Russlands nachhaltig verschlechtert. Und Lauterbach hat hier eine Langfristüberlegung angestellt, was einige Leser anscheinend nicht so ganz erkannt haben. Erwähnenswert wäre noch gewesen, dass nicht nur Aserbaidschan, sondern auch weitere und nicht ganz unbedeutende GUS-Staaten (zu nennen wäre vor allem Kasachstan) Russland auf viele Jahre hinaus mit erheblichem Misstrauen begegnen werden. Dies alles spricht übrigens sehr dafür, ohne jede Verzögerung in intensive diplomatische Bemühungen zur Beendigung der Kampfhandlungen und in Friedensverhandlungen einzusteigen. Unter prominenter Beteiligung von China. Brasilien und Südafrika kommen auch in Frage. Und wenn es denn hilft, nehme ich auch Golfstaaten und Türkei. Denn wo keine Seite mehr von einem klaren Sieg träumen kann, verlieren die Kriegskosten ihren Gegenwert. Dann stoppt endlich die Blutmühle, die elenden Rheinmetall-Aktien rauschen in den Leichenkeller, und das aufgehetzte westliche Publikum könnte wieder zu Verstand kommen und erkennen, wie blödsinnig die Propaganda vom Russen ist, der umgehend »testen« wird, ob der dritte Weltkrieg ausbricht, wenn man NATO-Territorium angreift und, falls nicht, bis Gibraltar durchmarschiert, weil - »das Böse« halt.
  • Leserbrief von Hagen Radtke aus Rostock (19. August 2025 um 13:09 Uhr)
    Dass der Krieg für Russland selbst bei einem Sieg mehr Schaden als Nutzen bringt, war doch schon länger klar, nämlich sobald die schnelle Eroberung Kiews scheiterte. Der Krieg nützte ja auch weniger Russland als vielmehr Wladimir Putin, der innenpolitisch fester im Sattel sitzt. Unliebsame Rentenreformen, Korruption und mangelnde Wirtschaftskraft abseits des Ölsektors traten in den Hintergrund. Ein nicht nachhaltiger Boom durch Kriegswirtschaft, finanziert vom Abschmelzen des Staatsfonds, sorgte kurzfristig für Wachstum und steigende Löhne. Das ist bei Kriegsende vorbei, dann kommt die Rechnung. Daher ist die Frage westlicher Politiker irreführend, ob Russland wirklich Frieden will – Russland schon, aber Putin überlegt es sich aus innenpolitischer Not heraus vielleicht bald wieder anders. Wenn dann doch weitere Teile der Ukraine ins Visier genommen werden, aber zuvor europäische Sicherheitsgarantien vereinbart wurden, stehen wir im direkten Krieg mit Russland. Dann sind es die Leben deutscher Soldaten, mit denen bezahlt wird, und nicht mehr nur deutsches Geld. Daher sehe ich die diskutierte Friedensvereinbarung mit sehr gemischten Gefühlen. Für die monentan kämpfenden Soldaten auf beiden Seiten und die dem Luftkrieg ausgesetzten Zivilisten wäre es großartig, aber es besteht die Gefahr, dass der Frieden mit einem hohen zukünftigen Eskalationsrisiko erkauft wird, je nachdem, was der Vertrag dann genau vorsieht.
    • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (19. August 2025 um 15:30 Uhr)
      Sehr geehrter Herr Radtke, Sie schreiben: »Dass der Krieg für Russland selbst bei einem Sieg mehr Schaden als Nutzen bringt, war doch schon länger klar, nämlich sobald die schnelle Eroberung Kiews scheiterte.« Klar ist nur, dass Russland seit über drei Jahren auf die Einnahme ukrainischer Großstädte verzichtet, obwohl sich die Truppen in der Nähe befinden. Diese Millionen Einwohner müssten dann nämlich von Russland versorgt werden wie Berlin 1945, statt von der Ukraine. Der Rückzug aus der Gegend von Kiew war Teil der Vereinbarungen von Istanbul, welche die Ukraine auf Empfehlung Londons brach. Umgekehrt würde es für Russland und ganz Europa sogar einen Nutzen bringen, selbst wenn Russland den Krieg verlieren würde. Ein in Deutschland lebender Russe sagte mir im Frühjahr 2022: »Vielleicht wird Russland jetzt endlich vom Westen ernst genommen. Diese Tatsache allein könnte einen späteren, noch viel verlustreicheren Atomkrieg vermeiden, wenn jetzt klar ist, dass wirklich das geschieht, was in Moskau vorher angekündigt wird (Dezember 2021).« Putin war auch vor dem Krieg noch nie in »innenpolitischer Not«, wie Sie schreiben. Seine Zustimmungswerte liegen seit 25 Jahren konstant über der 50-Prozent-Marke, meist weit darüber. In Russland werden auch außerhalb des Ölsektors und ungeachtet des Krieges riesige Infrastrukturprojekte verwirklicht, Tausende Kilometer Bahn- und Metrostrecken, zahlreiche Renovierungen und Neubauten von Flughäfen, massig Straßenneubau nicht nur in Moskau, sondern Autobahnen quer durchs Land. Nicht ein einziges vergleichbares Vorhaben solcher Dimension kann Deutschland aufweisen. Fällt Ihnen nicht auf, dass in Deutschland kaum jemals in den Nachrichten erscheint (in Russland öfter), dass ein hoher Funktionsträger wegen Korruption hinter Schloss und Riegel verschwindet? Nenne Korruption einfach nur »Lobbyismus« oder »Sitz im Aufsichtsrat«. Alle Abgeordneten müssen solche Kontakte angeben. Und schon wäscht keine Hand die andere mehr.
  • Leserbrief von Volker Wirth aus Berlin (19. August 2025 um 12:17 Uhr)
    »Noch ein solcher Sieg, und wir sind verloren«, soll der König Pyrrhus von Epirus nach der unter schweren Verlusten gegen die römischen Truppen gewonnenen Schlacht von Asculum gerufen haben. Trifft das aber auf das Trump-Putin-Treffen in Alaska wirklich zu? Ich sehe das nicht, sehe also keine existenzgefährdenden Einbußen auf russischer Seite durch dieses Treffen.
    Das Folgende nur zur Klarstellung: Zwischen einer neuen Grenze entlang der aktuellen Frontlinie, entlang der aktuellen Frontlinie bei Räumung der letzten ukrainischen Positionen in den Oblasti Donezk und Lugansk (wie Pokrowsk/Krasnoarmejsk, Slowjansk/Slawjansk, Kramatorsk und Druschkiwka/Druschkowka) bzw. gemäß der Verwaltungsgrenzen auch der Oblasti Cherson und Saporischschja/Saporoschje besteht kein so fundamentaler Unterschied. Darum geht es also nicht. Letztlich werden – so oder so – auch weitere vorwiegend russischsprachige Gebiete (Odessa, Nikolajew, Dnjepropetrowsk und Charkow) berücksichtigt werden müssen. Eine »belgische Lösung« mit zwei gleichrangigen Communauté’s – einer ukrainischsprachigen und einer russischsprachigen – wäre denkbar, aber auch eine »ostrumelische« (die übrigens hier in Berlin 1878 für Südbulgarien ausgedacht wurde!).
    Die Kernfrage für Russland ist ja richtig formuliert: »sich die NATO vom Hals zu halten«, die zunehmend militarisierte EU noch dazu, ist und bleibt das Hauptanliegen Moskaus. Mit fast allen Mitteln – einen dritten Weltkrieg ausgenommen! Mit dem droht nun die »NATO minus« unter deutscher, britischer und französischer Führung!
    Interessant, dass von Moskau nicht auf die doppelte Zusage der USA von 1962 zurückgegriffen wird: a) Kuba nicht militärisch anzugreifen, wenn Moskau seine Kernwaffen von der Insel abzieht, b) US-Raketen, die Kernbereiche der UdSSR erreichen können, zurückzuziehen! (Das betraf damals Raketen in der Türkei und in Italien.) Mit der Stationierung von angeblichen »Raketenabwehr-Raketensystemen« in Polen und Rumänien haben die USA unter Obama diese Vereinbarung gebrochen. Über eine Zusage Trumps, sie abzuziehen und auch keine Hyperschall-Erstschlagsraketen in Deutschland zu stationieren, wie von Biden und Scholz für 2026 vereinbart, ist zwar nichts bekannt geworden, aber was besagt das schon? Ein Pyrrhussieg sähe unbedingt anders aus. Wie wär’s übrigens, um mich zu wiederholen, mit dem häufigeren Gebrauch von Fragezeichen?
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (19. August 2025 um 09:59 Uhr)
    Die Bezeichnung Putins Pyrrhussieg ist angesichts der derzeit bekannten Fakten eher ein rhetorischer Scherz als eine sachliche Analyse. Erstens: Russland ist zurück auf der weltpolitischen Bühne – und die EU spielt dabei kaum eine Rolle. Zweitens: Mit der Kontrolle über den Donbass und das Atomkraftwerk Saporischschja, aus dem rund 60 Prozent des ukrainischen BIP stammen, schwächt Russland die Ukraine auf lange Sicht erheblich. Drittens: Die NATO-Osterweiterung ist vorerst gestoppt; die Ukraine wird kein NATO-Mitglied. Mehr wollte Russland im Kern nicht erreichen. Darüber hinaus muss man nüchtern feststellen, dass die Ukraine durch den Krieg demographisch so stark ausgeblutet ist, dass sie auf absehbare Zeit keine ernsthafte Bedrohung für Russland darstellen kann.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (19. August 2025 um 12:28 Uhr)
      Wann war Russland von der Bühne der Weltpolitik verschwunden, dass es dort jetzt zurück sein kann? Nicht alles, was der Mainstream in Westeuropa da gerade so herunterraspelt, ist des Wiederholens würdig, wenn man die Sicht auch jener Länder im Auge behält, die der Westen als nicht beachtenswert einstuft. Auch wenn sie so groß sind wie Indien, China, Indonesien oder Brasilien. Es ist eben so, dass die Welt auch hinter dem verengten Horizont des Westens noch weitergeht. Auch wenn man das hier nicht wahrhaben will.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (19. August 2025 um 08:58 Uhr)
    Reinhard Lauterbach titelt »Putins Pyrrhussieg«. Ein Sieg also, der einer Niederlage gleichkommt. Woher dieser plötzliche Pessimismus kommt – wir wissen es nicht. Dass die Lage auch nach einem möglichen Kriegsende kompliziert bleiben würde, dürfte vorhersehbar sein. Dafür spricht schon die Qualität der Kamarilla, die Kiew in den Krieg gegen Russland getrieben hat und es noch möglichst lange dort nicht wieder herauslassen möchte. Dass Trump eingesehen hat, dass es so bald nichts werden würde mit der Niederlage Russlands: Ist das wirklich eine Niederlage für die russische Position? Und dass es den europäischen Hardlinern nicht gelungen ist, Trump davon abzubringen, dass dieser Krieg einigermaßen ehrenvoll beendet werden sollte – ist das nicht eine gute Botschaft? Natürlich wird der Weg zum Frieden noch lang und schmerzlich sein. Bis auch die letzten Falken verstanden haben, dass auch die Gegenseite berechtigte Sicherheitsinteressen hat: Das wird dauern. Dass inzwischen weniger geschossen und mehr miteinander geredet werden könnte – was sollte daran ein Pyrrhussieg sein?
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (19. August 2025 um 04:55 Uhr)
    Wahrscheinlich wird R. Lauterbach in einigen Jahren diesen Artikel mit seinen Vorhersagen nicht sehr gern wiederlesen wollen. Putins Pyrrhussieg? Eine von der NATO hochgerüstete Ukraine wurde bereits in den 1990er Jahren von Präsident Jelzin als »rote Linie« bezeichnet. Es ist daher nicht Putins Krieg bzw. Sieg, sondern der Krieg Russlands gegen die NATO, welche als Stellvertreter die Ukraine vorschickt. »Etwa 120.000 Quadratkilometer schwer zerstörtes Land mit einer Bevölkerung, deren Loyalität vor allem in den besetzten Teilen der Bezirke Cherson und Saporischschja mit einigen Fragezeichen zu versehen ist.« Wer jetzt noch da blieb, ist mehrheitlich sicher loyal oder neutral. Das gleiche gilt für etwaige Rückkehrer nach dem Krieg, die sich in Russland ein besseres Leben erhoffen, als in der hoffnungslos ruinierten und verschuldeten Ukraine. » «Er scheint sich also damit abgefunden zu haben, dass Russland einen feindseligen und angesichts der hypothetischen Gebietsverluste zum Revanchismus angestifteten südwestlichen Nachbarn behält.» Nur der Staat, welcher die wirtschaftliche (!) Kraft hat, eigenständig zu existieren, kann revanchistisch auftreten. Die Ukraine wird zur Hälfte mit Krediten und Finanzspritzen aus dem Ausland aufrechterhalten. Die Industrie ist zerstört, die Schwarzerdeböden und verbleibenden Bodenschätze in US-Hand, der Absatzmarkt in Russland entfällt, in der EU ist er nicht erwünscht.« Die Ukraine ist historisch erst seit kurzer Zeit ein unabhängiger Staat. Sie stellt eine Abspaltung vom Territorium der Donaumonarchie, des russischen Reiches bzw. dann der UdSSR dar. Keiner von uns weiß, was die Zukunft bringt. Aber vielleicht nimmt sich die russische Führung Deutschland zum Vorbild und ist der Meinung, dass die Ukraine auch nicht länger als eigenständiger Staat existieren wird, als die DDR existierte?
    Da wird ja immer das Argument angeführt, die DDR sei zu hoch verschuldet gewesen und sei wirtschaftlich unabhängig nicht lebensfähig gewesen, was eine Angliederung der »neuen Bundesländer« unumgänglich gemacht habe. Aha, aber 1949 war es »unumgänglich«, dass unter Adenauer Deutschland in zwei Teile und Einflusssphären gespalten wurde. Aber schon klar, bei der Ukraine ist das ja alles vollkommen undenkbar, was unter westlicher Führung in Deutschland, Vietnam oder Korea jahrzehntelang die Norm war. Und wenn es den dritten Weltkrieg kostet. Verglichen mit der Ukraine war die DDR 1989 ein Musterbild wirtschaftlicher Kraft und geringer Verschuldung. Und wo ist sie nun geblieben? »Die ukrainische Armee ist heute kriegserfahren und nach ziemlich einhelligem Urteil militärischer Fachleute die kampfstärkste in Europa westlich von Russland«. Der ukrainische Geheimdienstchef Budanov meinte jedenfalls, ohne westliche Unterstützung stände sie in wenigen Monaten vor dem Zusammenbruch. Gut, der ist halt nicht informiert.» Kräfte, die vor 2022 als «prorussisch» galten, sind aus dem politischen Feld eliminiert; ihre führenden Vertreter leben im Moskauer Exil oder haben ihre politische Aktivität eingestellt. Ihre Chancen auf eine Massenbasis dürften angesichts der Zerstörungen, die der Krieg gerade in den östlichen – und früher tendenziell russlandfreundlichen – Teilen der Ukraine angerichtet hat, aller Wahrscheinlichkeit nach als bestenfalls gering einzustufen sein. «Die Sympathien für Russland waren 1945 in Deutschland ja noch viel geringer. Vier Jahre später war die DDR der engste Verbündete der UdSSR und Massen jubelten auf Demos unter Stalin-Bildern. So doppelt wendehalsig, wie wir Deutschen 1949 und 1989 waren, sind Ukrainer auch. »Russland hat den Ukraine-Krieg begonnen wie nach dem Lehrbuch von Clausewitz«. Der Ukraine-Krieg begann, vom US-Außenminister anerkannt, 2014 als Bürgerkrieg im Donbass, als Kiew eigene Landsleute bombardierte.
    Für die Entscheidung der Bevölkerung entweder für Russland oder einen Reststaat Ukraine sind nicht nur Gründe ökonomischer Natur ausschlaggebend (Löhne, Renten, Gesundheitssystem) oder die Zukunftsaussichten für die Nachkommen. Es bestehen vielleicht historische Bindungen an einen Wohnort, den man selbst als Heimat betrachtet, unabhängig davon, zu welchem Staat er gehört. Außerdem spielt die Unterdrückung der russischen Sprache und kultureller russischer Traditionen eine Rolle. Die Ukrainer können außerdem die Art der Kriegsführung beider Seiten vergleichen. Sie wissen auch, welchen Anteil die Ukraine selbst am Entstehen dieses Krieges hat. Kriegsverbrechen werden nach dem Krieg offener bekannt werden. Sie werden Vergleiche ziehen, wie sie in der UdSSR lebten – gemeinsam mit Russland – wie anschließend vor 2022 – wie voraussichtlich ohne Russland oder als Dauergegner Russlands in Zukunft.
  • Leserbrief von Ronald Prang aus Berlin (18. August 2025 um 22:28 Uhr)
    Die beste, sogar mit weitem Abstand, Analyse zum Trump-Putin-Treffem in Alaska. Mich hat das alles ein wenig an das Müncher Abkommen erinnert, nachdem der »Peacekeeper« wieder in London mit einem unterzeichneten Blatt Papier »wedelte«. Es dauerte dann nicht mehr lange, bis der Zweite Weltkrieg begann. Ich kenne die Ziele von Putin nicht, ich weiß, dass er keinen NATO-Staat an seiner Grenze will. So wie Putin »Trump am Nasenring durch die Arena führte«, glaube ich noch lange nicht an einen tatsächlichen Frieden in der Ukraine. Es gab eine friedliche Zeit in Europa, wir nannten es den »Kalten Krieg«, der endete 1989. Was ist daraus geworden, der Kapitalismus und die NATO expandierten europaweit. Und machen wir uns doch nichts vor, in Ungarn regiert ein Autokrat, in Italien eine Neo-Faschistin. Niederlande, Frankreich, Deutschland – wie lange hält die Demokratie noch? Dass die USA noch demokratisch regiert werden, wer glaubt dieses Märchen noch? Obdachlosigkeit in ständig steigender Anzahl von Menschen gibt es inzwischen in ganz Europa. Welcher kolonialisierter DDR-Bürger konnte sich vorstellen, wie seine Zukunft aussehen würde? Kapitalismus funktioniert genauso, wie es in den DDR-Schulen gelehrt wurde. Aber warum kommen Menschen im kolonialisierten Teil Deutschlands auf die Idee, Nationalismus, Rassismus oder Faschismus könnten daran etwas ändern?
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Christoph H. (19. August 2025 um 14:11 Uhr)
      »Der kolonialisierte Teil Deutschlands« – der Arbeiter in Magdeburg leidet also unter dem kolonialen Joch, der in Mainz dagegen nicht? Weil beider Bosse aus dem Westen kommen? Und wenn die Magdeburger Fabrik endlich einem eingeborenen Kapitalisten gehört, ist die Fremdbestimmung abgeschüttelt? Ich fürchte nicht. Das ist die falsche Stoßrichtung.

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