Gegründet 1947 Mittwoch, 20. August 2025, Nr. 192
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 19.08.2025, Seite 1 / Inland
NATO-Stellvertreterkrieg

Wadephul lässt Stationierung offen

Debatte um Bundeswehr-Einsatz in der Ukraine. Linke-Chef für Blauhelmtruppen. BSW warnt
Von Marc Bebenroth
imago820822750.jpg
Militärische Ehren für den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij (Berlin, 28.5.2025)

Nach Haubitzen, Panzern und Granaten nun auch Truppen aus BRD-Beständen in die Ukraine entsenden? Die Bundesregierung vermeidet in der aktuellen Debatte im hiesigen NATO-Lager eine voreilige Festlegung. Ein solcher Einsatz würde Deutschland »voraussichtlich« überfordern, sagte Außenminister Johann Wadephul am Montag gegenüber Table-Media, bevor er in Japan eintraf. Wadephul verwies auf die in Litauen permanent stationierte Kampfbrigade. Die »notwendige Führungsrolle« der BRD sei ohnehin eher politischer Natur.

Nach seiner Landung in Tokio ergänzte er, dass es derzeit offen sei, ob man deutsche Truppen in die Ukraine entsenden werde. Zugleich betonte Wadephul nach einem Treffen mit seinem Amtskollegen Iwaya Takeshi, dass »der Druck auf Russland«, das weiter Geländegewinne macht, »erhöht werden« müsse – »auch mit verstärkten Ukraine-Hilfen«. Kiew müsse »auch nach einem Waffenstillstand und Friedensschluss in der Lage sein, sich wirkungsvoll zu verteidigen«.

Unter Sozialdemokraten findet die Idee, Bundeswehr-Soldaten in der ­Ukraine zu stationieren, Befürworter. So zeigte sich der SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetović gegenüber Spiegel offen für eine Beteiligung an einer möglichen »Friedensmission«. Der Alternativvorschlag von Jan van Aken, Linke-Bundesvorsitzender, sieht eine Beobachtermission der Vereinten Nationen im Umfang von 30.000 bis 40.000 »Blauhelmsoldaten« vor. Wichtig wäre dabei, dass sich China beteilige, denn russische Soldaten würden nicht auf chinesische schießen, erläuterte er am Montag in Berlin. Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht wandte gleichentags ein, dass Russland vermutlich gar keine NATO-Truppen in der Ukraine akzeptieren würde.

Derweil putzt die Truppe an der Heimatfront Klinken. Wie das Medienhaus Correctiv am Montag berichtete, bekommen Rathäuser und Landratsämter seit Wochen Besuch von der Bundeswehr. In Vorträgen werde erläutert, dass Städte und Gemeinden Vorkehrungen zur Versorgung von Soldaten sowie zu deren reibungslosem Vorankommen gen Osten treffen müssen.

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (19. August 2025 um 01:42 Uhr)
    »Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht wandte gleichentags ein, dass Russland vermutlich gar keine NATO-Truppen in der Ukraine akzeptieren würde.« Russland wiederholt über Jahrzehnte hindurch, bereits seit Präsident Jelzins (!) Amtszeit, dass es NATO-Truppen in der Ukraine als schwere Bedrohung seiner Sicherheit ansieht, und führt dort mit den gleichen Argumenten Krieg, wie ihn die USA – ebenfalls ohne »vermutlich« – führen würden, wenn Russland oder China innerhalb eines Militärbündnisses mit Kanada oder Mexiko es wagen würden, ihre Truppen und Raketen dort zu stationieren. Ein paar Raketen auf Kuba waren für den US-Präsidenten bereits Anlass, mit dem dritten Weltkrieg zu drohen. Sie wurden abgezogen und Kuba wurde nicht Mitglied des Warschauer Paktes, was übrigens nie vorgesehen war. Es scheint bei westeuropäischen Regierungen noch nicht durchgedrungen zu sein, dass so etwas für alle gilt. Ich kann mir nach der »Zuverlässigkeit« von Unterschriften unter Verträgen mit westlichen Ländern (Nichtangriffspakt mit Deutschland 1939, Charta von Paris, Minsk II, NATO-Russland-Akte, 2+4-Vertrag, Kündigung nahezu aller Abkommen über Rüstungsbegrenzung), also nach all dem nicht vorstellen, dass sich Russland jemals wieder auf Abkommen mit westlichen Ländern verlassen wird. Selbst eine schriftliche Zusicherung betreffs Nichtmitgliedschaft der Ukraine in der NATO hätte denselben »Wert« früherer Verträge. Die NATO war bereits in den 1990er Jahren reif für die Auflösung und wird nicht für die Ewigkeit bestehen. Was, wenn dieser Pakt aufgelöst wird und von nahezu den gleichen Staaten ein neues Militärbündnis gegründet wird, nur unter anderem Namen, aber mit den gleichen Zielen? Bündnis für Sicherheit auf der Welt (BSW). Da könnte die Ukraine dann trotz Unterschrift Mitglied werden und BSW-Truppen an der ukrainisch-russischen Grenze wie immer nur dem Frieden dienen. Und vor allem: Das BSW würde urplötzlich Mainstream sein, in Talkshows nur Vertreter des BSW sitzen. Es ist leider so, dass bisher in Deutschland noch jede Partei, die in den Bundestag wollte oder dort zu bleiben wünschte, für US-Interessen umgepolt wurde, beim BSW noch nicht, aber warten wir es ab. Bei den Grünen war es so, ist bei der PdL bereits weit fortgeschritten und bei der AfD in Arbeit. Es ist immer der alte Inhalt unter neuem Namen oder ein untergeschobener neuer Inhalt unter altem, vertrauten Namen. Die Grünen sind nicht mehr grün, die Christdemokraten waren nie christlich (Wiederbewaffnung Deutschlands bald nach dem Zweiten Weltkrieg), die Sozialdemokraten inzwischen auch nicht mehr sozial.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Mehr aus: Inland

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro