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Aus: Ausgabe vom 19.08.2025, Seite 1 / Titel
Wahlen in Bolivien

Das Ende einer Ära

Rechtsruck in Bolivien. Der Konservative Paz Pereira siegt im ersten Wahlgang. Stichwahl gegen radikal neoliberalen Kandidaten. Linke abgeschlagen
Von Von José Pfluger
Nach links abbiegen verboten. So hätten es die Anhänger der rechten Kandidaten gern (Santa Cruz, 17.8.2025)
Die Hochrechnung des ersten Wahlgangs zeigt, wie schwach die Linke abgeschnitten hat. Die Kandidaten der Linken landeten bei 8,2 bzw. 3,2 Prozent

In Bolivien hat der konservative Senator Rodrigo Paz Pereira überraschend die erste Runde der Präsidentschaftswahlen gewonnen. Der Kandidat der Christdemokratischen Partei PDC erhielt nach vorläufiger Schnellauszählung des obersten Wahlgerichtes TSE von rund 90 Prozent der gültigen Stimmen gut 32 Prozent und setzte sich damit gegen Expräsident Jorge »Tuto« Quiroga durch, der mit knapp 27 Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz landete, gefolgt von dem neoliberalen Unternehmer Samuel Doria Medina mit 19,5 Prozent der Stimmen. Für die Stichwahl im Oktober gilt Paz Pereira als Favorit, da Doria Medina, der die Umfragen angeführt hatte, ihm unmittelbar nach Bekanntgabe der Ergebnisse seine Unterstützung zusagte.

Die Wahl markiert einen historischen Einschnitt: Nach fast 20 Jahren verliert die Linke um den Movimiento al Socialismo (MAS) nun die politische Macht. Dem Expräsidenten Evo Morales war die erneute Kandidatur verweigert worden, woraufhin er linken Kandidaten die Unterstützung versagte und für Wahlenthaltung warb, was 19 Prozent der Wahlberechtigten denn auch taten. Der MAS-Kandidat Eduardo del Castillo erhielt nur drei, Morales’ politischer Ziehsohn Andrónico Rodriguéz bloß acht Prozent der Stimmen. Morales bleibt nun die wichtigste linke Stimme außerhalb der staatlichen Institutionen, im Widerstand gegen neoliberale Reformen, sowie erkämpfter Rechte für die indigene Bevölkerung.

Das Wahlverhalten wurde maßgeblich von einer tiefen Wirtschaftskrise beeinflusst. Eine steigende Inflation sowie ein Treibstoff- und Devisenmangel haben die Lebensbedingungen für viele Menschen dramatisch verschlechtert. Viele ehemalige MAS-Wähler, die sich bei der letzten Wahl vom amtierenden Präsidenten Luis Arce eine Verbesserung ihrer sozialen Lage erhofft hatten, stimmten dieses Mal für einen der rechten Kandidaten, die mit einer Stärkung des bolivianischen Standorts für ausländische Investitionen warben.

Durch die Kandidaten der Stichwahl ist die Richtungsentscheidung bereits gefallen: Bolivien wird nach rechts rücken. Paz Pereira betont traditionelle Werte wie Familie, Heimat und Integrität, die tief in den christlich geprägten Gesellschaftsschichten verankert sind. Er will die Regierung dezentralisieren, Korruption bekämpfen und das Land für ausländische Investitionen öffnen. Obwohl er Sohn des ehemaligen Präsidenten Jaime Paz Zamora ist, verkörpert er das Versprechen einer Erneuerung nach 20 Jahren MAS-Herrschaft.

»Tuto« Quiroga war von 2001 bis 2002 Präsident des Landes und verfolgte eine harte Anti-Drogen-Politik mit Unterstützung der US-amerikanischen DEA (Drug Enforcement Agency). Er führte im Chapare, einer Hochburg des MAS, gegen die Coca-Bauern um Evo Morales einen tödlichen »Krieg gegen die Drogen«. Quiroga gilt als ausgesprochen proamerikanisch und stramm antikommunistisch. Die außenpolitischen Allianzen mit Venezuela, Kuba und Nicaragua will er im Falle eines Wahlsiegs aufkündigen. Mit dem Wirtschaftsmodell der MAS soll Schluss sein, die Treibstoffsubventionen sollen abgebaut, Staatsfirmen privatisiert werden.

Ob sich Paz Pereira mit seinem Versprechen von Stabilität und moderatem Wandel durchsetzt oder Quiroga mit seinem radikalen Reformkurs, wird entscheiden, welchen Weg Bolivien nach dem Ende der linken Ära einschlägt. So oder so: Bolivien wird in Zukunft von Rechten regiert werden. Die zersplitterte Linke um die MAS wird im Widerstand gegen neoliberale Reformen ihre Reihen wieder schließen müssen.

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