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14.08.2025, 20:30:56 / Sport
Beim Fananwalt

Der arrogante Zeuge

Von René Lau
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Es gibt viele Prozessbeteiligte in einem gerichtlichen Verfahren. Während es im Zivilverfahren lediglich Kläger, Beklagter und der Richter sind, kommt es im Strafverfahren zum »Showdown« zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger, dem Staatsanwalt und dem Richter. In allen Verfahren gibt Zeugen, die zur Aufklärung eines Sachverhaltes beitragen sollen. Sie sind im Strafverfahren besonders wichtig. Schließlich kann die Aussage eines Zeugen dazu führen, dass dem Angeklagten für mehrere Jahre die Freiheit entzogen wird. Während in Zivilverfahren auch meist zivile Zeugen auftreten, sagen in Strafverfahren, insbesondere wenn es um angeklagte Fußballfans geht, oft Polizeibeamte als Berufszeugen aus. Sie haben die von ihnen geschriebenen Anzeige »zu verteidigen«. Denn schließlich macht ein Beamter keine Fehler. Mit dieser Haltung treten sie in der Regel auch im Gerichtssaal auf.

Vor kurzem habe ich einen Mandanten im schönen Ostwestfalen verteidigt, der bei einem Auswärtsspiel einen Böller geworfen haben sollte. Er versicherte mir von Anfang an, mit der Sache nichts zu tun zu haben. Durch den Knall war ein Ordner erheblich verletzt worden. Tatzeugen gab es keine, aber Aufnahmen der Videoanlage. Wie gesetzlich vorgeschrieben, wurden diese durch einen Polizeibeamten ausgewertet. Auf dem Videomaterial ist die Tat nicht konkret zu erkennen – was jedermann auffällt, der es sieht. Der Beamte ermittelte und meinte, »im Ausschlussprinzip« meinen Mandanten als Täter identifiziert zu haben. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage beim Amtsgericht. Schon der dort zuständige Richter wollte die Anklage nicht so recht zulassen.

Also ging die Akte über die Staatsanwaltschaft an den Beamten zurück. Dieser sollte sein Ergebnis noch einmal erläutern. Zurück kam aber nur ein kurzer Vermerk, dass er bei seinen Ausführungen bleibe und alles richtig gemacht habe. Die Anklage wurde zugelassen, jetzt war mit Spannung die Hauptverhandlung abzuwarten. Da der Geschädigte in der Zwischenzeit einen Schmerzensgeldanspruch von 15.000 Euro gegenüber meinem Mandanten geltend machte, ging es für ihn um sehr viel.

Den nötigen Ernst legte der geladene Beamte allerdings nicht an den Tag. Befragt, eierte herum und meinte schließlich lapidar, entweder reiche, was er ermittelt habe, für eine Verurteilung aus, oder eben nicht. Ich musste ihn dann nicht nur an seine Wahrheitspflicht erinnern, sondern auch daran, dass es für meinen jungen Mandanten hier nicht nur darum ging, möglicherweise eine Freiheitsstrafe zu erhalten, sondern er sich auch mit einer großen Zahlungsforderung konfrontiert sah. Das Auftreten des Beamten war für mich fast unerträglich, so dass es einige Male recht laut im Gerichtssaal wurde.

Mit diesen Aussagen und den vorhandenen Videos konnte meinem Mandanten wohl kaum ein Tatvorwurf gemacht werden. Das sahen Staatsanwaltschaft und Gericht offenkundig wie ich, mein Mandant wurde freigesprochen. Ärgerlich war allerdings, dass es überhaupt zur Hauptverhandlung gekommen war. Wenn schon die Arbeit der Polizei so ungenügend ist, hätte spätestens die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen müssen. Die angefallenen Gerichtsgebühren, Zeugengelder, meine Kosten und die des Mandanten trägt wieder einmal der Steuerzahler. Und das alles nur, weil sich ein Polizeibeamter für unfehlbar hält.

»Sport frei!« vom Fananwalt.

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