Das Versteck
Von Simon Loidl
Irgendwann war Markus Blindner verschwunden. Wann genau, wusste niemand. Das lag auch daran, dass seine Bekannten während der Monate oder sogar Jahre zuvor immer seltener Kontakt zu ihm gehabt hatten. Daniel etwa hatte schon seit Monaten nicht mehr an Markus gedacht, als ihn an jenem Vormittag Anfang Dezember letzten Jahres dessen Schwester anrief und fragte, ob er wisse, wo Markus sei. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Daniel verstanden hatte, wer am anderen Ende der Leitung war und nach wem sich die Frau erkundigte. Er erklärte der Schwester, dass er Markus seit längerem nicht mehr gesehen habe; sie seien einander während der vergangenen Jahre noch ein paarmal begegnet, hätten sich aber zunehmend aus den Augen verloren. Sie schien nicht besonders interessiert an Daniels Ausführungen zu sein, und nachdem sie ihm erzählt hatte, dass seit einigen Wochen jede Spur von Markus fehle, konnte er das auch verstehen. Daniel hörte ihr zu, wurde aber nicht recht schlau aus dem, was sie sagte. Viel konnte sie ihm auch gar nicht sagen. Sie wusste nur, dass Markus verschwunden war. Er war nicht zu Hause, reagierte nicht auf Anrufe, antwortete nicht auf E-Mails und andere Nachrichten. Sie sei vor zwei Wochen bereits zu seiner Wohnung gefahren und habe angeläutet und angeklopft. Danach habe sie an der Wohnungstür eine Nachricht für Markus hinterlassen. Da Daniel ihr nicht weiterhelfen konnte, war das Gespräch bald zu Ende. Daniel versprach Markus’ Schwester, bei gemeinsamen Bekannten von ihm und Markus nachzufragen und sich gegebenenfalls bei ihr zu melden. Sie wiederum sagte Daniel zu, ihn zu informieren, falls es neue Entwicklungen gäbe.
Nachdem Daniel aufgelegt hatte, stand er von seinem Schreibtischsessel auf und ging in das Hinterzimmer des kleinen Buchladens. Er holte den Wasserkocher von einem Regalbrett oberhalb des Waschbeckens, in dem sich das schmutzige Geschirr des Kollegen stapelte, und füllte diesen mit Wasser. Bisher war der Nachmittag ruhig gewesen, und Daniel hoffte, dass es so bleiben würde. Während er auf den Wasserkocher starrte, als ob dieser schneller arbeiten würde, wenn er beachtet wird, hörte er aus dem Verkaufsraum ein Geräusch. Er blickte hinaus und sah einen älteren Mann, der soeben seinen Kopf aus der halb geöffneten Tür zurückzog und diese schloss. Als er Daniel sah, öffnete er die Tür wieder ein Stück und klopfte gleichzeitig vorsichtig ans Glas, obwohl die beiden bereits Blickkontakt hatten. Daniel grüßte laut und freundlich. Der Mann öffnete die Tür weiter und kam herein.
»Entschuldigung«, stammelte er, »ich habe jetzt nicht gewusst, ob Sie offen haben.«
»Jaja«, sagte Daniel freundlich, »nur herein.«
»Man will ja nicht eindringen, wo niemand ist«, erklärte der Mann, »das führt ja gleich zu Missverständnissen.«
Er sprach mit einem Akzent, den Daniel nicht einordnen konnte. Seine Kleidung war abgewetzt, alt, sogar etwas schmutzig. Seine schwarz-grauen lockigen, aber bereits etwas schütteren Haare standen wirr von seinem Kopf ab. In der Hand trug er eine fleckige Stofftasche, in der sich, wie Daniel vermutete, Bücher befanden. Daniel nahm an, dass er versuchen würde, ihm welche zu verkaufen. Dies passierte häufig und war Teil der Arbeit in dem Antiquariat. Allerdings wurden meist nur uninteressante Bände von Leuten feilgeboten, die der festen Überzeugung waren, wertvolle Schätze zu besitzen. Diese dann abzuweisen oder ihnen nur geringe Beträge anbieten zu können, war die unangenehmste Seite an Daniels Job.
»Kein Problem, nur hereinspaziert«, sagte Daniel und setzte sich hinter seinen Schreibtisch, »suchen Sie was Bestimmtes?«
»Nein, nein, guter Mann«, sagte der Herr, »ich möchte mich nur ein bisschen umsehen, wenn ich darf.«
Daniel machte eine einladende Geste in Richtung der bis an die Decke reichenden, mit Büchern vollgeräumten Regale, vor denen ebenfalls mit Büchern gefüllte Kartonschachteln standen. Als sich sein Kunde einem der Regale zuwandte, blickte Daniel auf den Bildschirm des Computers und setzte die Arbeit fort, die durch den Anruf von Markus’ Schwester unterbrochen worden war. Nach ein paar Minuten stand er auf und ging ins Hinterzimmer, wo er heißes Wasser in eine Tasse mit einem Teebeutel goss. Dann kehrte er an den Schreibtisch zurück. Der Mann blätterte in einem Buch. Nachdem Daniel sich wieder gesetzt hatte, drehte sich der Kunde um.
»Entschuldigen Sie, guter Mann«, sagte er, »darf ich Sie etwas fragen?«
Daniel blickte ihn an, lächelte und nickte.
»Haben Sie was von Marcuse? Herbert Marcuse?«
Daniel nickte langsam und drehte den Kopf nach rechts.
»Hier drüben müsste was stehen«, sagte er und deutete auf ein Regal, »aber ich schau auch gleich noch nach.«
Er wandte sich dem Computer zu, tippte den Namen in die Datenbank und fand ein paar Einträge.
»Ich wollte nur sehen, ob Sie was dahaben«, sagte der Mann.
Daniel stand auf, ging zu dem Regal und zog zwei Bände mit Aufsätzen von Herbert Marcuse heraus, die er dem Mann überreichte.
»Danke«, sagte dieser und lächelte.
Dann wies er auf einen Sessel, der neben dem Regal stand und offensichtlich dafür da war, dass Kunden sich hineinsetzen und schmökern konnten.
»Darf ich mich etwas setzen?«, fragte er höflich.
Daniel lächelte wieder und nickte.
»Selbstverständlich, bitte sehr!«
Der Mann legte einen der beiden Bände in seinen Schoß und blätterte eine Weile in dem anderen. Dann fragte er:
»Haben Sie Marcuse gelesen?«
Daniel blickte vom Bildschirm auf, dem er sich unterdessen wieder zugewandt hatte, und sah den Mann an. Nach einigen Augenblicken antwortete er.
»Ja, na ja, lange her …«
Der Mann lächelte.
»Ich habe früher viel Marcuse gelesen«, sagte er, »lange bevor ich Marx gelesen habe. Haben Sie Marx gelesen, guter Mann?«
Daniel musste grinsen, weil für ihn alles, was der Mann sagte, aufgrund des Akzents so klang, als würde er es nicht ganz ernst meinen. Er schämte sich ein bisschen für diesen Gedanken.
»Ja, sicher«, sagte Daniel.
»›Sicher‹, sagen Sie, guter Mann«, antwortete der Mann nachdenklich, »dabei ist es gar nicht sicher. Wer liest denn heute noch Marx?«
Daniel hob die Schultern. Der Mann gab die Antwort selbst.
»Niemand liest noch Marx. Dabei wäre das die einzige Möglichkeit, irgendwas zu begreifen. Verstehen Sie, guter Mann? Begreifen!«
Daniel lächelte ihn an und nickte. Dann lehnte er sich in seinem Sessel zurück und hörte weiter zu. Ihm war klar, dass der Herr kein Buch suchte, sondern einen willigen Zuhörer – und den hatte er gefunden. Belesenen, aber offenbar einsamen Menschen zuzuhören, zählte zu den schönsten Seiten von Daniels Job.
»In der Zeitung erklären sie mir jeden Tag die Welt, dabei haben sie selbst nicht begriffen, wie diese funktioniert«, sagte der Mann.
Dann blickte er aus dem Fenster. Auf der Straße gingen soeben zwei lachende Kinder vorbei. Gedankenverloren starrte der Mann hinaus. Nach einigen Sekunden schüttelte er leicht den Kopf und setzte sich gerade hin, während seine Aufmerksamkeit zu seinem Gesprächspartner zurückkehrte.
»Ich lasse mich immer so leicht ablenken«, sagte er und wandte den Blick kurz zu Daniel.
Dann starrte er auf den Boden und schien nachzudenken.
»Eine Wirtschaftskrise!«, rief er plötzlich, als wäre ihm nun wieder eingefallen, was er sagen wollte, bevor er den Faden verloren hatte, »welche Wirtschaftsredaktion kann die erklären? Die haben doch nicht einmal das Wort ›Überakkumulation‹ jemals gehört!«
Er schüttelte resigniert den Kopf.
»Oder sehen Sie das anders?«, fragte er.
Daniel schüttelte ebenfalls den Kopf.
»Ich denke, Sie haben recht«, sagte er ausweichend, und um dem Mann sein Interesse an dem Gespräch zu signalisieren, ergänzte er: »Die aktuellen Entwicklungen geben insgesamt keinen Anlass zur Hoffnung.«
Der Mann blickte Daniel direkt in die Augen und nickte.
»Weniger als je zuvor«, ergänzte dieser.
Der Mann nickte immer noch.
»Ich teile Ihre Einschätzung, guter Mann«, sagte er.
Er blickte mit melancholischer Miene auf den Boden, dann auf das Buch in seiner Hand. Es war eine billige antiquarische Taschenbuchausgabe.
»Ich bin grad etwas knapp«, sagte er dann, nahm den zweiten Band in die Hand und legte beide an den Rand des Schreibtisches, »ein andermal.«
Er stand auf.
»Es war sehr schön, mit Ihnen zu plaudern, guter Mann«, sagte er dann.
Sein Blick hatte sich etwas aufgehellt. Daniel nickte, und der Mann wandte sich zur Tür.
»Jederzeit gerne, Herr …«, sagte Daniel.
»Kromer«, antwortete der Mann, »Ferdinand Kromer.«
»Schönen Tag noch, Herr Kromer«, sagte Daniel.
Während Kromer die Tür öffnete, drehte er sich noch einmal zu Daniel um und nickte. Dann ging er nach draußen und zog die Tür vorsichtig hinter sich zu. Nachdem der Mann am Fenster neben der Tür vorbeigegangen war, stand Daniel auf, nahm die Marcuse-Bände und stellte sie ins Regal zurück.
Als er sich wieder in seinen Schreibtischsessel gesetzt hatte, lehnte Daniel sich zurück. Er blickte aus dem seinem Schreibtisch gegenüberliegenden Fenster auf die Straße, wo kaum Verkehr oder Fußgänger zu sehen waren. Den Kunden hatte er bereits vergessen und dachte nun wieder an das Telefonat. Markus war lange Zeit sein bester Freund gewesen. Sie waren vier Jahre lang in dieselbe Schulklasse gegangen, aber das lag so weit in der Vergangenheit, dass es ihm unwirklich erschien. Später hatten die beiden einander einige Jahre lang noch oft getroffen und waren nächtelang über Biergläsern gesessen. Irgendwann hatte Daniel dann bemerkt, dass die Treffen seltener wurden. Markus zog sich oft monatelang zurück, verdiente ein bisschen Geld mit irgendwelchen Jobs, die er meistens bereits wieder aufgegeben hatte, wenn sie einander das nächste Mal trafen. Die Verbindung zwischen den beiden wurde brüchig. Daniel fand die Dinge, über die sich Markus unterhalten wollte, immer öfter uninteressant – dieser wiederum fragte nie, was bei Daniel so los war. Daniel fühlte sich nicht ernst genommen und meldete sich nicht mehr bei Markus. Da dieser ihm auch nicht schrieb oder anrief, versandete die Freundschaft. Abgesehen von ein paar zufälligen Begegnungen auf der Straße oder in Lokalen, die beide besuchten, pflegten sie keinen Kontakt mehr. Zuletzt hatten sie einander wohl vor etwa einem Jahr gesehen. Deshalb war Daniel auch nicht aufgefallen, dass Markus nicht mehr da war, und hätte dies wohl auch noch länger nicht bemerkt. Bevor Markus’ Schwester angerufen hatte, hatte sie zusammen mit ihrer Familie und anderen Freunden von Markus bereits seit mehreren Wochen herumgefragt und mit zunehmender Ratlosigkeit versucht, ihren Bruder zu erreichen. Auch die Polizei war bereits informiert, doch die konnte ebenfalls nicht weiterhelfen. Das einzige Ergebnis war, dass nun über das Verschwinden von Markus ein Akt existierte. Wie lange Markus bereits weg war, bevor es seiner Schwester aufgefallen war, wusste Daniel nicht. Er nahm an, dass die Geschwister nur unregelmäßig Kontakt miteinander hatten. Markus könnte also, überlegte Daniel, schon seit Monaten verschwunden sein.
Daniel sperrte die Tür zu Markus’ Wohnung auf. Daniel und Markus hatten vor vielen Jahren ihre Schlüssel für Notfälle ausgetauscht, doch ein solcher war nie eingetreten. Einmal hatte Daniel Markus darum gebeten, in seiner Wohnung die Pflanzen zu gießen, da er selbst für ein paar Wochen verreist war. Als er damals nach Hause zurückgekommen war, fand er alles verwelkt und abgestorben vor. Danach hatte er nie wieder lebende Pflanzen in seiner Wohnung gehabt. Die Zweitschlüssel zu seiner Wohnung blieben für die folgenden Jahre am Schlüsselbrett in Markus’ Wohnung hängen. Dort, so vermutete Daniel, würde er sie finden.
Er musste den Schlüssel zweimal vollständig herumdrehen. Er erinnerte sich daran, dass Markus früher seine Tür nie versperrte. Auch wenn er für mehrere Tage weggefahren war, hatte er sie immer nur zugezogen. Einmal hatte Daniel ihn abgeholt, als sie zusammen mit ein paar weiteren Bekannten übers Wochenende aus der Stadt hinausgefahren waren. Da Markus noch nicht abfahrbereit gewesen war, hatte er Daniel heraufgebeten und ihm Kaffee angeboten, während er seine Sachen zusammenpackte. Als sie dann die Wohnung verlassen hatten, Markus die Tür zugezogen hatte und sie auf den Lift warteten, hatte Daniel gefragt, ob er die Tür nicht versperre. Markus hatte gesagt, dass er das nie mache. Er meinte, dass alle, die tatsächlich in seine Wohnung gelangen wollten, dies auch bei versperrter Tür schaffen würden. Beispielsweise könnten sie relativ leicht auf seinen Balkon klettern und eine Fensterscheibe einschlagen. Würde er die Tür versperren, müsste er konsequenterweise auch seine Fenster verbarrikadieren. Da er dies nicht mache, könne er sich auch das Drehen des Schlüssels ersparen, so Markus damals. Wenn die betreffende Person hingegen gar nicht wirklich in seine Wohnung eindringen wolle, dann reiche die zugezogene Tür als Barriere aus.
»Oder kannst du da jetzt so einfach ohne Schlüssel rein?«, hatte er Daniel damals gefragt. Dieser hatte nur die Schultern gehoben und darüber nachgedacht, ob er in seiner eigenen Wohnung alle Lichter abgedreht hatte, bevor er sie eine halbe Stunde zuvor verlassen hatte.
Während Daniel die Tür zuzog, erinnerte er sich an den Zettel, den Markus’ Schwester hinterlassen hatte. Dieser war nirgends zu sehen. Er blickte durch den Türspion in den Gang hinaus und fragte sich, ob ihn aus einer der beiden benachbarten Wohnungen jemand beobachtet hatte. In seiner eigenen Wohnung schlich Daniel häufig zur Tür, wenn er hörte, dass jemand im Stiegenhaus war. Dabei fühlte er sich meistens ein bisschen schlecht, gleichzeitig aber dachte er, dass der Hausgang ja kein Privatraum und der Türspion kein Geheimnis war. Durch diesen Menschen zu beobachten, war also nichts anderes, als durchs Fenster Menschen auf der Straße zuzusehen. Da er beides oft machte, ging Daniel davon aus, selbst ebenfalls beobachtet zu werden, sobald er seine Wohnung verließ.
Nachdem er sich vom Türspion abgewandt hatte, blieb Daniel ein paar Augenblicke stehen und lauschte in die dunkle Wohnung seines Freundes hinein. Er wusste nicht, was er zu hören hoffte, und tatsächlich war es auch ganz still. Nicht einmal das Brummen eines Kühlschranks nahm er wahr. Er ging den kurzen Gang entlang, der direkt in das kleine Wohnzimmer mit Kücheneck überging. Von diesem führte eine Tür ins Schlafzimmer. Im Gang war eine weitere Tür zum Badezimmer. Daniel fiel sofort auf, wie ordentlich alles war. Markus hatte, ähnlich wie Daniel, meistens inmitten eines kreativen Chaos gewohnt, in dem er gesuchte Unterlagen binnen Sekunden zielsicher aus riesigen Papierbergen hervorholen konnte. Der Schreibtisch, bestehend aus einem einfachen Plattentisch und einem als Erweiterung dazugestellten Küchentisch, war fast leer, nur ein paar Kugelschreiber und Kabel lagen dort. Daniel spürte wieder, wie sich eine Gänsehaut auf seinen Unterarmen bildete. Er hatte Markus’ Wohnung auch deshalb immer gemocht, weil man als Besucher sofort gesehen hatte, dass hier jemand lebte und sich mit vielen Dingen beschäftigte. Jetzt war sie verlassen und wirkte tot und viel zu aufgeräumt.
Daniel setzte sich auf das Sofa in der Mitte des Wohnzimmers. Wieder lauschte er in die Stille und wartete. Langsam ließ er seinen Blick von links nach rechts schweifen und verglich den Zustand des Raums mit seinen Erinnerungen an diesen. Er wollte herausfinden, ob – abgesehen von der ungewöhnlichen Ordentlichkeit – irgend etwas anders war als früher, konnte aber nichts finden. Er blieb trotzdem noch einige Augenblicke sitzen und starrte vor sich hin. Wann war Markus zuletzt hier gewesen? Daniel stand auf und ging zum Schreibtisch. Dieser hatte auch an der Rückseite eine Platte, was ungewöhnlich war, aber nicht weiter auffiel. Daniel griff an die Schreibtischplatte und zog den Tisch in seine Richtung. Dann trat er einen Schritt zurück und zog noch einmal. Nun stand der Schreibtisch etwa dreißig Zentimeter von der Wand entfernt. Daniel beugte sich nach vorne und konnte nun eine kleine Metalltür sehen. Das Versteck. Das Türchen war nicht versperrt, allein der davorstehende Schreibtisch machte aus der in die Wand eingelassenen Ablage ein einigermaßen sicheres Versteck. Markus hatte es Daniel vor ein paar Jahren voller Stolz gezeigt. Damals hatte Markus nichts in dem Wandverschlag versteckt gehabt, doch allein die Möglichkeit, etwas verstecken zu können, hatte ihm gefallen.
Daniel sah das Metalltürchen ein paar Sekunden lang an. Dann beugte er sich nach vorne und öffnete es. In den etwa zwanzig Zentimeter hohen, etwas breiteren und ebenso tiefen Hohlraum war ein gut gefülltes DIN-A4-Kuvert hineingequetscht. Daniel nahm es vorsichtig heraus und betrachtete beide Seiten, fand aber keinen Hinweis darauf, was sich in dem Umschlag befinden könnte. Vorsichtig, als ob es sich um etwas Zerbrechliches handelte, legte er das Kuvert auf den Schreibtisch, holte den Sessel heran, den er zuvor weggeschoben hatte, und setzte sich.
Simon Loidl, geb. 1977 in Salzburg, lebt, arbeitet und schreibt in Wien. Der Vorabdruck aus dem dieser Tage bei Sisyphus erscheinenden Roman »Der Weg zum Zirkus« erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Simon Loidl: Der Weg zum Zirkus, Sisyphus-Verlag, Klagenfurt und Wien 2025, 164 Seiten, 12,80 Euro
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