EU-Kriegstreiber
Von Arnold Schölzel
Petra Erler war 1990 Staatssekretärin in der letzten DDR-Regierung und dort für EU-Fragen zuständig. Mit denen befasste sie sich auch nach 1990 und war in den 2000er Jahren Kabinettschefin des damaligen EU-Erweiterungskommissars Günter Verheugen. Mit ihm zusammen hat sie 2024 das Buch »Der lange Weg zum Krieg: Russland, die Ukraine und der Westen – Eskalation statt Entspannung« veröffentlicht.
Am Mittwoch nahm sie in ihrem Blog »Nachrichten einer Leuchtturmwärterin« zur EU-Politik vor dem Trump-Putin-Gipfel Stellung. Überschrift: »Nur fürs Protokoll – Büchners einfache Frage: Warum gegeneinander kämpfen?« Unterzeile: »Ukraine, Russland, Kriegstreiberei und ein Gipfel«. Büchner hatte die Frage seinem Danton in den Mund gelegt: »… wozu sollen wir Menschen miteinander kämpfen? Wir sollten uns nebeneinander setzen und Ruhe haben.« Erler kommentiert das: »Mir gefiel das Bild vom ruhigen Nebeneinander. Es entspricht der Vorstellung von ›friedlicher Koexistenz‹. Sie löst nicht alle Konflikte, aber der politische Wille zur friedlichen Streitbeilegung überwiegt. Friedliche Streitbeilegung gehört zu den Prinzipien der UN-Charta. Es wird seit längerem nicht mehr erwähnt. Denn dieses Prinzip verträgt sich nicht mit dem andauernden US-amerikanischen Anspruch auf Weltherrschaft …«
Es sei zwar offen, »wie der aktuelle Niedergang der USA bzw. der von ihr geführten ›westlichen Welt‹ ablaufen, wie lange er dauern« werde, aber die Gefährlichkeit des Prozesses sei kaum zu bestreiten: »Wir leben im Atomzeitalter, mit verfeindeten Mächten, die auf einem großen Arsenal von Atomwaffen sitzen, die die ganze Welt verletzbar machen. In Sicherheit ist keiner. Unter solchen Bedingungen ist ›Kriegstreiberei‹ eine hochgefährliche, völlig irregeleitete Politik.«
Nun hatte aber, das ist der Aufhänger des Textes, Oliver Michalsky, Chefredakteur von Welt Digital, einem Leser, der Boris Pistorius der Kriegstreiberei bezichtigte, bescheid gegeben: »Nur fürs Protokoll: Der Kriegstreiber heißt Putin.« Erler hält das für repräsentativ: Diesem Glauben oder dieser Überzeugung folgten »große Teile der politischen und medialen Eliten unseres Landes, in der EU, auch in den USA«. Als Beleg führt sie die Erklärung an, die fünf Staats- und Regierungschefs aus EU-Ländern, Britannien sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag zum Treffen zwischen Trump und Putin abgegeben hatten. Erler: »Man kann sie auch als politische Bankrotterklärung erster Güte begreifen.« Diese »Willigen« ignorierten die politischen Ursachen des Krieges und seinen Charakter als Stellvertreterkrieg, den Anspruch auf eine kontinentweite Friedensordnung hätten sie aufgegeben. Sie wollten Feindschaft zu Russland und das »Trugbild von einer ›freien‹ Ukraine, die alles selbst entscheidet«, aufrechterhalten. »Mit Realität oder Sicherheit für alle« habe das nichts zu tun. Die »Willigen« seien blind dafür, weswegen der »Dringlichkeitsgipfel« in Alaska stattfinde: »Wir versuchen zu retten, was noch zu retten ist. So wie es ist, darf es nicht weitergehen.«
Vor allem habe das nichts mit den Auffassungen der Bevölkerung zu tun. Erler führt eine Umfrage in EU-Ländern an, wonach die Neigung gering ist, der Ukraine bewaffnete Hilfe zu leisten, und schlussfolgert »fürs Protokoll«, in der EU lebe noch »der öffentliche Wunsch, dass sich dieses Gemeinschaftswerk vieler europäischer Völker einsetzen sollte für Frieden in Europa, und zwar durch Diplomatie und Verhandlungen, aller politischen Eiferei zum Trotz«. Erler schreibt es so nicht, aber ihr Text besagt: Die EU-Verantwortlichen zeigten in dieser Woche, wofür die Union heute existiert – Kriegstreiberei.
Erler schreibt es so nicht, aber ihr Text besagt: Die EU-Verantwortlichen zeigten in dieser Woche, wofür die Union heute existiert – Kriegstreiberei.
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