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Aus: Ausgabe vom 16.08.2025, Seite 8 / Abgeschrieben

Waffenlieferungen an Israel: Bundesregierung täuscht Öffentlichkeit

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Die »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!« reagierte am Freitag auf einen Bericht der Wochenzeitung Die Zeit, wonach die vorherige Bundesregierung Waffen an Israel geliefert hat, ohne die Öffentlichkeit zu informieren:

»Es wäre ein unglaublicher Skandal, wenn die vorherige Bundesregierung unter Kanzler Scholz Ende Oktober 2024 Kriegswaffenexporte nach Israel genehmigt hat, wie Die Zeit berichtet. Denn genau das hatte die Ampelkoalition gegenüber dem Deutschen Bundestag verneint. Die Bundesregierung hätte damit vorsätzlich den Bundestag und die Öffentlichkeit getäuscht«, empört sich Jürgen Grässlin, Sprecher der »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!« und Bundessprecher der DFG-VK. »Denn auf eine parlamentarische Anfrage behauptete die damalige Bundesregierung, dass zwischen Mai und Dezember 2024 keine Einzelausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffenexporte nach Israel erteilt wurden. Die gleiche Antwort gab die neue Bundesregierung unter Kanzler Merz für den Zeitraum Dezember 2024 bis Juni 2025.« (…)

Unter der Annahme, dass die aktuellen Recherchen der Zeit zutreffen, wären diese Antworten entweder schlicht gelogen, oder die Bundesregierung hat andere Ausfuhrgenehmigungen, beispielsweise Sammelausfuhrgenehmigungen, erteilt, nach denen jedoch nicht gefragt wurde. Dieses Antwortverhalten würden von einer eklatanten Missachtung der Informationsrechte und Kontrollpflichten des Bundestages zeugen. Jürgen Grässlin ergänzt: »Wir appellieren eindringlich an die Mitglieder des Bundestages, diesen Fall aufzuklären und bei Bestätigung ein Organstreitverfahren anzustreben, damit sich das Bundesverfassungsgericht erneut mit der Informationspraxis der Bundesregierung befasst. Wir brauchen dringend mehr Transparenz und Kontrolle bei Waffenlieferungen, damit die Regierung auch zur Verantwortung gezogen werden kann.«

Die IG BAU kritisierte am Freitag Pläne des Bundesarbeitsministeriums, wonach Saisonarbeitskräfte länger sozialversicherungsfrei beschäftigt werden können sollen:

Nach einem jetzt vorliegenden Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales soll die sogenannte kurzfristige Beschäftigung für Saisonarbeitskräfte von jetzt 70 auf 90 Tage erhöht werden. Die Crux ist: In dieser Zeit werden keine Abgaben an die Sozialversicherungen bezahlt. »Das geht in die vollkommen falsche Richtung. Die sozialversicherungsfreie Zeit gehört eher gekürzt, am besten ganz abgeschafft. Für die bäuerlichen Betriebe bedeutet dies eine finanzielle Entlastung, die Erntehelfer haben dagegen keine oder nur eine sehr schlechte soziale Absicherung. Das sind alles andere als faire Arbeitsbedingungen«, sagt Christian Beck, im Bundesvorstand der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt unter anderem zuständig für die Landwirtschaftsbranche.

Die kurzfristige Beschäftigung war einst vor allem für Studierende, Rentner sowie Hausfrauen und -männer gedacht, die anderweitig sozialversichert sind. Für die Saisonkräfte, die meistens aus dem osteuropäischen Ausland zu uns kommen und selbst keinen Versicherungsschutz haben, fehlt so der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung. Durch die oftmals vom Arbeitgeber abgeschlossene private Gruppenkrankenversicherung ist der Versicherungsschutz jedoch stark eingeschränkt. Beispielsweise werden die Behandlungen von chronischen Krankheiten, beispielsweise Diabetes, von der Gruppenkasse nicht abgedeckt. »Am schlimmsten ist die Tatsache, dass die Beschäftigten – wie das bei einer Privatversicherung üblich ist – die Behandlungskosten vorstrecken müssen. Das sind oftmals keine kleinen Summen, die die Mindestlohnempfänger leisten müssen. In Streitfällen bleiben sie sogar auf den Kosten sitzen. Da wird dann am Ende vom Lohn nicht mehr viel übrigbleiben«, sagt Gewerkschafter Beck.

Sozialversicherungsfrei bedeutet auch, dass nichts in die Rentenkasse eingezahlt wird. »Gerade wenn für den Saisonbeschäftigten diese Arbeit auf unseren Feldern ein Teil des jährlichen Haupteinkommens abdeckt, ist es um so wichtiger, hier Rentenanwartschaften anzusammeln. Da ist doch die Altersarmut schon programmiert. So sollten wir mit den Menschen, die dafür sorgen, dass wir täglich frisches Obst und Gemüse auf den Teller bekommen, nicht umgehen«, sagt Beck.

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