»Das erinnert eher an ein Gefängnis als an ein Gericht«
Interview: Ariane Müller, Verden
Gemeinsam mit der Solidaritätsbewegung aus Frankfurt am Main sind Sie zum Prozess gegen Daniela Klette gefahren. Wie kamen Sie auf die Idee und was war Ihre Motivation?
Cora: Die Motivation entstand im Zusammenhang mit einer Solidaritätsveranstaltung zu Daniela, die wir in Frankfurt organisiert haben. Als Antwort auf die Frage, wie wir uns auch praktisch solidarisch zeigen können, kam die Idee, gemeinsam zum Prozess zu fahren.
Es gibt generell eine extreme Kriminalisierung von Solidarität mit Gefangenen aus revolutionären Bewegungen. Leute werden mit Vorladungen überzogen, Familienangehörige unter Druck gesetzt. Denn dieser Staat vergisst nichts. Um so wichtiger ist es, die Gefangenen dieser Bewegungen nicht zu vergessen. Die Erklärungen von Daniela, aber auch von Burkhard Garweg (Klettes mutmaßlicher Komplize, nach dem weiter gefahndet wird, jW) zeigen, dass sie sich ins Verhältnis zu den aktuellen widerständigen Kämpfen setzen. Es ist umgekehrt wichtig, dass wir sie nicht im Stich lassen. Solidarität ist unsere Waffe, auch gegen die Denunziation von Daniela, die zur brutalen Kriminellen deklariert wird. Sämtliche politische Kategorien ihres Denkens und Handelns werden einfach negiert.
Deshalb wollten wir den Prozesstag nutzen, Daniela zu sehen und diesen kalten Ort mit der Wärme unserer Solidarität zu fluten. Mit dabei war etwa Günter Sonnenberg (der wegen Aktivitäten im Rahmen einer ehemaligen RAF-Mitgliedschaft bis 1992 in Haft war, jW), dem die Knastbesuche bei Daniela verwehrt werden. Statt dessen hat er schon die zweite staatsanwaltliche Vorladung erhalten. Das ist eine Drohung. Den Besuch im Gericht konnten sie Günter allerdings nicht verwehren, und so konnten er und Daniela sich nach 49 Jahren wiedersehen.
Wie haben Sie den 23. Verhandlungstag am Mittwoch erlebt?

Christoph: Wir haben Daniela mit Blicken und Gesten begrüßt. Gerichtlich gab es eine lange Vernehmung einer Polizeibeamtin. Eine weitere ist aus gesundheitlichen Gründen ausgefallen. Direkt im Anschluss daran hat Daniela eine Erklärung abgegeben, in der sie beschrieb, wie mit der Inszenierung ihres Prozesses die Dämonisierung militanter Linker betrieben wird. Nach der Pause wurde ein Exbeamter vernommen, der aber keinerlei eigenständige Erinnerungen hatte. Daraufhin haben wir Solidaritäts-T-Shirts gezeigt und mit lautstarken Parolen den Gerichtssaal verlassen. Daniela schien das zu freuen.
Was ist Ihr Eindruck von dieser gigantischen Reithalle, die für 3,6 Millionen Euro für den Prozess ausgebaut wurde?
Co.: Es ist schon reichlich absurd, dass das Gerichtsareal von »NATO-Draht« umzäunt ist. Sogar ein Spielplatz auf dem Gelände ist davon betroffen. Der ganze Bereich wird von vermummten Polizisten mit Maschinenpistolen bewacht. Das erinnert eher an ein Hochsicherheitsgefängnis als an einen Gerichtssaal. Der Ort ist extrem abschreckend. Außerdem erschwert die Verlagerung von politischen Prozessen in die Provinz die Unterstützung, denn vor Ort gibt es keine solidarischen Strukturen. Die Anreise dorthin ist extrem zeitaufwendig. Kundgebungen können nicht mal in Sichtweite zum Prozessgebäude stattfinden. Ohne Publikumsverkehr sind Demonstrationen der Öffentlichkeit beraubt. Und im Gericht, also nach allen Zugangsschikanen, Leibesvisitationen und Personalienabgaben, ist man durch eine Trennscheibe von Daniela getrennt.
Gab es außerhalb des Gerichtsgebäudes weitere solidarische Bekundungen?
Ch.: Es gab eine Dauerkundgebung von morgens bis zum Prozessende. In der Mittagspause wurden zwei Redebeiträge vom »Solikreis § 129« und »Freundeskreis Daniela Klette« aus Frankfurt verlesen. Am Schluss haben wir gemeinsam ein Solifoto gemacht.
Cora und Christoph sind Teil der Solidaritätsbewegung zu Daniela Klette in Frankfurt am Main
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Regio:
Mehr aus: Inland
-
»Das wurde schon mit jetzigen Mitteln gemacht«
vom 16.08.2025 -
Bundesregierung spielt auf Zeit
vom 16.08.2025 -
Parlament macht Welle
vom 16.08.2025 -
Lutz auf dem Abstellgleis
vom 16.08.2025 -
CFM-Beschäftigte kämpfen weiter
vom 16.08.2025