Botschaft an die Zukunft
Von David Maiwald
Das Plastikmüllabkommen ist nicht nur »gekapert« worden. Die Petrostaaten »haben auch versucht es zu ertränken und anschließend zu begraben«. Derart zog ein Mitglied der Umweltschutzorganisation Enviromental Research Agency (etwa: Umweltuntersuchungsagentur) im Guardian sein Fazit zu den am Freitag gescheiterten UN-Verhandlungen über Plastikmüll. Die Vertreter von 184 Staaten konnten sich in Genf trotz Verlängerung nicht auf ein Abkommen zur Eindämmung der weltweiten Abfallflut einigen. Und das, obwohl jährlich Hunderte Millionen Tonnen Plastikmüll in den Meeren landen und seine Kleinstbestandteile in Mensch und Tier nachweisbar sind.
Das Ergebnis war erwartbar: Während einige Länder die Produktion des Kunststoffs insgesamt beschränken und zusätzlich besonders giftige Inhaltsstoffe verbieten wollen, hatten andere eine Vereinbarung zu wirksamerer Wiederverwertung und Recycling von Abfällen vor Augen. Die anwesenden Delegierten stimmten am Donnerstag keinem der beiden Entwürfe des Verhandlungsvorsitzenden Luis Vayas Valdivieso zu. Der Text sei an beiden Grundannahmen vorbeigegangen, habe weder die Produktion einschränken noch die Verwendung bestimmter Chemikalien berücksichtigen wollen, berichtete Associated Press.
Eine von den USA und der chemischen Industrie unterstützte Gruppe »Gleichgesinnter« (»Like-minded«), umfasste etwa Saudi-Arabien, Russland, Malaysia, Iran, Marokko, Indien, Kuba und Kasachstan. Sie sahen ihre Interessen bei einer Deckelung der Produktion verletzt, wollten der weltweiten Plastikmüllflut durch bessere Abfall- und Kreislaufwirtschaft sowie veränderte Produktgestaltung beikommen. Es gehe den Staaten dabei nicht darum, Ambitionen zu senken, zitierte Al-Dschasira am Freitag einen kuwaitischen Vertreter. Vielmehr solle ein Abkommen »Ambitionen für alle ermöglichen«. Die Entwürfe seien aber ein »hinreichender Ausgangspunkt« für ein Abkommen.
Ähnlich äußerte sich das Bundesumweltministerium auf jW-Anfrage am Freitag. Man habe sich über die mittlerweile zehn Verhandlungstage »angenähert« und den Willen »ausgedrückt, ein Abkommen zu treffen«, erklärte ein Sprecher. Die Bundesrepublik gehört mit der EU einer »hochambitionierten« Koalition (»High-Ambition-Coalition«) an, die bestimmte Produkte wie etwa Einweggeschirr oder -besteck verbieten und die weltweite Produktion gedeckelt wissen möchte. Nach den eigenen Anstrengungen gefragt, verwies das Ministerium auf die EU-Verpackungs- oder -Ökodesignverordnung sowie die EU-Bestimmung zur Kreislaufwirtschaft. Beide zielten auf die Wiederverwendung oder -verwertung zu weiterer Nutzung, um die Neuproduktion von Plastik indirekt einzudämmen.
Verlangte die BRD, größter Plastikproduzent der EU, in den Genfer Verhandlungen mehr, als sie sich selbst bislang auferlegt? »Wieso sollte man erst selbst das Ziel erreichen müssen, bevor man sich international dafür einsetzt?«, sagt der Ministeriumssprecher. Ein Abkommen sei schließlich »auch für Deutschland und die EU bindend«. Das mag sein. Aber der Ist-Zustand im eigenen Land wäre für erfolgreiche Verhandlungen womöglich die bessere Ausgangslage gewesen. Für besonders von der Plastikschwemme betroffene Staaten ist die erzielte Annäherung jedenfalls kein Gewinn. Ein Vertreter des pazifischen Inselstaats Palau zeigte sich am Freitag »enttäuscht«. Sie würden »die Hauptlast einer weiteren globalen Umweltkrise tragen, zu der wir nur minimal beitragen«.
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