Derselbe Schmu
Von Maximilian Schäffer
Bereits im Jahr 2001 waren Karl-May-Romane und deren Verfilmungen längst passé. Es handelte sich um das aus Cowboy-und-Indianer-Romantik gezimmerte Phantasieuniversum der Boomergeneration. Die hatte vergeblich versucht, die Obsession an ihre Kinder weiterzugeben. So stand sie dann unterm Weihnachtsbaum, die Playmobil-Westernstadt, und ward vor allem von funkelnden Elternaugen bespielt. Währenddessen wurden auf dem Gameboy bereits eifrig Pokémon gejagt. Es geht auf die Kappe von Michael Herbig alias »Bully«, dass Harald Reinls Reanimationen des deutschen Monumentalfilms – »Winnetou« (1963) und alle seine Fortsetzungen/Ableger – sowie Pierre Brice als »Häuptling der Apatschen« nicht vergessen, sondern endgültig zu »Camp« wurden.
»Camp« mit der Brechstange allerdings. Nicht fürs queere Mitternachtsvarieté, sondern fürs heterosexuelle Privatradio und später das Privatfernsehen gemacht. So minimal subversiv und dafür maximal pennälerhaft wie nur irgend möglich: Die »Bullyparade« wechselte Kostüme, Dialekte und Schwulenwitze beinahe so ulkig wie zwanzig Jahre zuvor »Klimbim«. Lukrativ war es auch: »Der Schuh des Manitu« ist in Deutschland bis heute der erfolgreichste deutsche Film aller Zeiten. Platz zwei: »Traumschiff Surprise« – derselbe Schmu in Star Trek. Quatschig und eindeutig genug für Kinder- und Jugendliche, mit den richtigen Anspielungen aufs Jugendzimmer der Elterngeneration. Chapeau!
Am Donnerstag startete »Das Kanu des Manitu« im Kino – mit großen Hoffnungen. 65 Millionen Euro spielte »Der Schuh des Manitu« einst über die Kinokassen ein. Gemolken wurde die Geldkuh ein Jahr später noch mal mit einer um sechs Minuten verlängerten Version. Dazu die DVDs und die restlichen Merchandiseartikel. Ganz besonders hofft die Highlight Communications AG. Dem Schweizer Medienkonzern gehören neben dem Fernsehsender Sport 1 (mehrheitlich) auch der Broker von Sportfernsehrechten Team Marketing (ganz) sowie die Constantin Film (ganz). Tief in den roten Zahlen steckt die Firma von Bernhard Burgener, dem ehemaligen Präsidenten des FC Basel, nicht zuletzt wegen Vollkatastrophen wie unlängst das Teutonenfantasyepos »Hagen – Im Tal der Nibelungen«. Bully hat ungefähr denselben Film also noch mal gedreht – wieso ändern, was funktioniert? Die Fans wollen es so, der Auftraggeber will es so, und anschmiegsame Ware lieferte der Mann aus München schon immer. Von »Erkan und Stefan« (2000) bis »Wickie und die starken Männer« (2009) bis hin zu »Buddy« (2013) und dem »Bullyparade«-Film (2017).
Und das geht so: 24 Jahre später geraten die gealterten Blutsbrüder Abahachi (Michael Herbig) und Ranger (Christian Tramitz) in einen Hinterhalt. Irgendwelche Bösewichte haben es auf die beiden abgesehen, und einen versteckten Schatz müssen sie auch finden: das Kanu des Manitu. Total egal ist die rudimentäre Handlung, sie dient nur dem Zweck, die bewährten Sprüche, Musikeinlagen und Figuren wiederauftauchen zu lassen. So zum Beispiel den griechischen Wirt Dimitri (Rick Kavanian) und den Superschurken Santa Maria (Sky du Mont). Jasmin Schwiers darf die treue weibliche Dekoration spielen und Jessica Schwarz eine emanzipierte Bandenanführerin. Überhaupt ist man sehr darauf bedacht, die Geschlechterrollen und Identitätsfragen fürs Jahr 2025 so diplomatisch wie möglich zu sanieren. Immer gekonnt auf dem Schwebebalken zwischen »Wokeismus« und Herrenwitz balancierend. Selbstverständlich ist hier genauso viel Statement zu erwarten, wie es der heiteren Nichtigkeit der Handelsware entspricht. Entsprechend »lustig« ist auch das Geblödel, das ab und zu sogar über Sprachsalat und Timing schmunzeln lässt. An Einfällen mangelt es der Nummernrevue nicht, und ihre Umsetzung sucht beständig den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen KiKA und »Heute-Show«.
»Das Kanu des Manitu«, Regie: Michael Herbig, Deutschland 2025, 88 Min., bereits angelaufen
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