Häfen wollen mehr Geld
Von Burkhard Ilschner
Wer wie Friedrich Merz die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zur Priorität erklärt, darf die Seehäfen nicht übersehen.« Florian Keisinger, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), gab sich in seinem Statement vom Montag entschlossen fordernd. Anlass war das tags darauf bevorstehende 100-Tage-Jubiläum der Berliner Koalitionsregierung aus Union und SPD. Viele Stellungnahmen unterschiedlichster Herkunft hat es dazu gegeben, der maritime Blick auf das Merzsche Wahlversprechen nach »mehr Wettbewerbsfähigkeit« indes blieb dem ZDS vorbehalten. Man erwarte dazu noch im Herbst eine klare Offensive, so Keisinger, und »das geht nur mit starken Häfen«.
Das ist sicher nicht falsch, aber es ist zu befürchten, dass der ZDS und andere sich da noch etwas gedulden müssen. Stichwort Stromsteuer: Von der angekündigten Senkung profitierten bisher nur produzierendes Gewerbe sowie Land- und Forstwirtschaft, moniert Keisinger – »Seehafenbetriebe bleiben außen vor«. Das gilt zwar im selben Maße auch für die breite Bevölkerungsmehrheit, aber was soll’s. Stichwort Einfuhrumsatzsteuer: Im Koalitionsvertrag ist eine Reform zugesagt worden, das ist sicher – für Keisinger »eine Maßnahme, die schnell, wirksam und mit geringem politischem Aufwand die versprochene Wettbewerbsfähigkeit stärken würde«. Dumm gelaufen: »Trotz anderslautender Ankündigung ist bisher nichts passiert.«
Das führt zum dritten und zentralen Punkt der 100-Tage-Kritik des ZDS: dem nicht endenden Streit um die jährliche Seehäfenfinanzierung. Wie wiederholt berichtet, geht es vor allem um die Differenz zwischen 38 Millionen und 500 Millionen Euro: Das eine ist der seit Jahrzehnten unveränderte »Hafenlastenausgleich« des Bundes für die Seehäfen, das andere der Betrag, den diese künftig für erforderlich halten. Und weil beide Summen schon so lange so krass auseinanderklaffen, addieren die Häfen einen einmaligen Nachholbedarf von 15 Milliarden Euro zur Beseitigung von Sanierungsstaus dazu. Das seien »lediglich drei Prozent des Sondervermögens Infrastruktur«, das zu eben diesem Zweck beschlossen worden sei – Keisinger fordert einen »zukunftsfesten« Ausbau der Seehäfen.
Wie gesagt: Dieses Forderungspaket ist weder neu noch wird sein finanzielles Volumen von irgendwem ernsthaft in Frage gestellt. Trotzdem geht es nicht voran. Bei der jüngsten Nationalen Maritimen Konferenz (NMK) im Spätsommer 2023 war es ebenso Thema wie im Frühjahr 2024, als die »Nationale Hafenstrategie« debattiert wurde. Aber gerade weil darin die bundespolitische Verantwortung für die Seehäfen anerkannt wurde, adressiert die maritime Wirtschaft ihre Forderung an die jeweilige Bundesregierung, während diese von einer Aufteilung der Summen zwischen Bund und Ländern redet. Man werde »die nationale Hafenstrategie (…) als gesamtstaatliche Aufgabe umsetzen«, heißt es im aktuellen Koalitionsvertrag, und sich »über die Finanzierung der Maßnahmen mit den Ländern in der ersten Hälfte der Legislaturperiode verständigen«.
Die Folge zeigte sich unter anderem am Dienstag in Bremen: Der neue Maritime Koordinator des Bundes, der CDU-Politiker Christoph Ploß, absolvierte seinen Antrittsbesuch bei Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) – und gab sich zwar zugewandt, aber wieder unverbindlich. Wie schon seine Vorgänger der beiden vorangegangenen Regierungen beharrte er auf dem Standpunkt, dass für eine Änderung des Hafenlastenausgleichs eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit im Bundestag erforderlich sei – eine nicht unumstrittene Position. Der Ausweg, nämlich eine Teilung mit den Ländern, wird nach Darstellung Vogts indes von süddeutscher Seite blockiert: Vor zwei Monaten erst seien die Küstenländer bei der routinemäßigen Wirtschaftsministerkonferenz mit einem Appell zur beschleunigten Reform der Seehafenfinanzierung gescheitert. In den Häfen finde nur der Umschlag statt, so Vogt, Wertschöpfung und daraus resultierende höhere Steuereinnahmen verbuchten indes die Südländer dank starker Industrien und deren Im- und Export über Seehäfen für sich.
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