Brandgefährlich
Von Arnold Schölzel
Am Mittwoch machte Friedrich Merz den POTUS – President of the United States (of Europe). Brav folgten seiner Einladung zur virtuellen Konferenz die Freunde in Paris, London, Rom und anderswo, Wolodimir Selenskij kam leibhaftig nach Berlin. Einzige Botschaft: Putin blufft nur. Das ist auch täglich in deutschen Qualitätsmedien zu lesen, zum Beispiel am Donnerstag in der Süddeutschen Zeitung unter der Schlagzeile: »Treffen sich zwei Horrorclowns«. Endloser Krieg gegen Russland erfordert eben vollen journalistischen Einsatz und viel Geld, damit die Endlosigkeit gewahrt bleibt. Also freute sich Selenskij ebenfalls am Donnerstag, die europäischen NATO-Verbündeten hätten 1,5 Milliarden US-Dollar für den Kauf von US-Waffen zugesichert: die Niederlande 500 Millionen US-Dollar, Dänemark, Norwegen und Schweden zusammen weitere 500 Millionen und am Mittwoch auch die Bundesrepublik mit 500 Millionen. Für den »wichtigen Schritt« danke er Deutschland. Die Reise nach Berlin galt wie stets beim erfolgreichsten Geldeintreiber der jüngeren Geschichte der Erpressung und wieder hat es damit großartig geklappt. Merz darf registrieren: Ein Leben mit Selenskij ist teuer, aber sinnlos.
Da es aber dem Führungskanzler auf ein paar Billionen Euro für Kriegsvorbereitung und Kriegsverlängerung gegen Russland nicht ankommt, ist das Geldversenken im Kiewer Korruptionsfass fast schon Portokasse. Die Bundesdeutschen schlottern Dank aller Propagandamedien tagtäglich wegen Putin und zahlen willig. Den »Bimbes«, mit dem schon Helmut Kohl internationale Probleme »löste«, verschmerzt ein Merz, aber dass beim Mittwochtreffen Donald Trump schließlich Regie führte, ist ein arger Zusammenprall mit der Realität. Am Donnerstag berichtete jedenfalls die polnische Gazeta Wyborcza, dass Polens Regierungschef Donald Tusk der Merz-Einladung für Mittwoch hatte folgen wollen. Am Dienstag aber habe der Präsidentenpalast in Warschau gebeten, den polnischen Vertreter auszutauschen und statt Tusk den neuen Präsidenten Karol Nawrocki einzuladen. Das Begehren ging nicht etwa nach Berlin, sondern nach Washington und wurde von dort durchgestellt: Am virtuellen Treffen mit Trump nahm Nawrocki teil. Dessen Leute feixen über die Hampelmänner Merz und Tusk.
Die Kopfnuss hat jedoch beim Möchtegern-EU-Chef nichts bewirkt. Weder er noch sonst ein »Europäer« sprachen am Mittwoch das Thema an, das nach Meinung der russischen Führung, aber auch einer Organisation wie der »Ärzte gegen Atomkrieg« (IPPNW) das entscheidende nicht nur in Alaska sein wird: Eine Vereinbarung zwischen USA und Russland zur Kontrolle strategischer Offensivwaffen. Wer einseitig auf Aufrüstung und Stationierung setze, so IPPNW, riskiere Eskalation bis zum Atomkrieg.
Das stimmt. Merz und seine »Europäer« ignorieren diese Realität. Sie sind brandgefährlich.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (14. August 2025 um 22:24 Uhr)Brandgefährlich? Nein – einfach nur grotesk dumm. Diese virtuelle Konferenz war reines Polit-Theater für die Kameras der Leitmedien, ein Stück, bei dem die Handlung längst egal ist, solange das Publikum den Applaus liefert. Unsere Politiker haben sich in der Demokratie daran gewöhnt, nicht mehr Realitäten zu erkennen, sondern sie zu inszenieren – und halten diese Inszenierung dann für Wahrheit. Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein folgenschwerer Irrglaube. Während die Welt brennt, spielen sie Schattenkabinett auf der politischen Bühne und halten das für Führung. Ich hoffe, dass die Welt bald wieder aufrecht steht – auch wenn ich alt und schwach bin –, und dass dann nicht mehr Ideologie, Pose und PR zählen, sondern endlich Taten, die Substanz haben.
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