Todeszone Gaza
Von Jakob Reimann
Die israelische Armee hat den Gazastreifen in eine Todeszone verwandelt. Allein von Mittwoch auf Donnerstag seien binnen 24 Stunden mindestens 54 Menschen getötet und mehr als 800 verletzt worden, wie die Agentur WAFA mitteilte. Bei einem Luftangriff auf ein Geflüchtetenzelt in Gaza-Stadt kamen demnach fünf Kinder ums Leben. Erneut wurden auch verzweifelte Menschen unter Beschuss genommen, die an Ausgabestellen für Hilfsgüter versuchten, etwas Essbares zu ergattern. Seit der Einrichtung dieser von US-Söldnern betriebenen Verteilstellen im Mai gab es mehr als 1.850 Todesopfer.
Am Mittwoch genehmigte die israelische Militärführung einen vom »Sicherheitskabinett« Ende vergangener Woche beschlossenen Plan zur Besetzung Gaza-Stadts. Doch schon in den Tagen zuvor hatte die Armee ihre Operationen laut lokalen Berichterstattern ausgeweitet. Zur Rechtfertigung des Besetzungsbeschlusses hatte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu angegeben, dass die Hamas nur noch die zentrale Stadt des Küstenstreifens sowie das Vertriebenenlager Al-Mawasi kontrolliere. Das war im Grunde eine Ankündigung der nächsten Massaker an den Einwohnern Gazas, die zuvor nahezu ausschließlich in diese zwei Gebiete getrieben worden waren.
Allein in Gaza-Stadt befindet sich rund eine Million Palästinenser, etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung des Küstenstreifens, dichtgedrängt in Zeltstädten inmitten von Trümmern. Für die geplante Ausweitung des Krieges muss Israel bis zu 100.000 Reservisten mobilisieren, so dpa am Donnerstag. Es werde damit gerechnet, dass die Kämpfe gegen Hamas noch bis weit ins Jahr 2026 andauern könnten. Nachdem Armeechef Ejal Samir unter Verweise auf Personalmangel, Erschöpfungserscheinungen der eingesetzten Soldaten und Gefahr für die noch lebenden Geiseln zunächst vor einer vollständigen Eroberung Gazas gewarnt hatte, billigte dann auch der ranghöchste Soldat des Landes die Ausweitung der Offensive.
Unterdessen ist Israel weiter auf der Suche nach Kollaborateuren bei der »ethnischen Säuberung« Gazas. So führt Israel laut AP vertrauliche Gespräche mit der Regierung Südsudans über die mögliche Umsiedlung palästinensischer Geflüchteter in das kriegszerrüttete Land, das zu den ärmsten der Welt gehört. Es ist unklar, wie weit die Gespräche über diese Zwangsumsiedlungen tatsächlich gediehen sind. Für die südsudanesische Regierung unter Präsident Salva Kiir könnte ein entsprechendes Abkommen mit Israel »einen potentiellen Weg« aufzeigen, sich US-Präsident Donald Trump gewogen zu machen, der Anfang des Jahres die Idee Säuberung des Gazastreifens prominent gemacht hatte. Für Juba gehe es in erster Linie darum, von Trump verfügte Einreiseverbote sowie Sanktionen gegen die Eliten des Landes loszuwerden, heißt es bei AP.
Das Außenministerium Südsudans weist aber alle Berichte, es könne auf die israelischen Avancen eingehen, laut Al-Dschasira als »unbegründet« zurück und negiert, dass Verhandlungen über eine Aufnahme von Palästinensern stattfänden.
Times of Israel teilt jedoch mit, dass die Netanjahu-Regierung auch Gespräche mit Indonesien, Libyen, Uganda und der abtrünnigen somalischen Republik Somaliland führt, um deren Bereitschaft zur Aufnahme von Menschen aus Gaza zu prüfen, wobei bisher noch keine konkreten Abkommen erzielt worden seien. »Wir vertreiben sie nicht, sondern wir erlauben ihnen, das Gebiet zu verlassen«, zitiert Die Zeit die sonderbare Darstellung der Absichten Netanjahus, die er demnach so am Dienstag in einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender I 24 News äußerte. Zunächst wolle man es den Palästinensern ermöglichen, innerhalb des Gazastreifens die Kampfgebiete zu verlassen, um ihnen dann die Ausreise nahezulegen, so der finstere Plan in weichgespülten Worten. Aber das war noch nicht alles. In dem Interview sagte Netanjahu auch, dass er sich auf einer »historischen Mission« für »Großisrael« sehe. Das löste in der arabischen Welt und auch der Arabischen Liga einen Sturm der Entrüstung aus, der am Donnerstag fortdauerte.
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