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Aus: Ausgabe vom 15.08.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Spaniens Linke

Frente Popular gegen Faschismus

Einzeln oder gemeinsam? Die spanische Linke streitet darüber, wie sie zu den kommenden Wahlen antreten soll. In Andalusien appelliert ein Manifest an die Einheit
Von Carmela Negrete
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So könnte sie aussehen, die linke Einheitsfront gegen rechts. Sozialproteste im andalusischen Sevilla im Februar 2024

Schon immer galten die Wahlen in der spanischen Region Andalusien als eine Art Stimmungsbarometer für den Zustand der spanischen Linken. Auch wenn diese Sichtweise die völlig unterschiedlichen Umstände in den einzelnen Regionen, insbesondere in Katalonien und im Baskenland ignoriert, kann der Wahlkampf zur andalusischen Parlamentswahl im nächsten Jahr diesmal sehr wohl richtungsweisend und entscheidend werden. Derzeit bemühen sich linke Organisationen, die ins Regionalparlament einziehen könnten, um eine Klärung darüber, ob sie bei den Regionalwahlen im Juni 2026 gemeinsam oder doch getrennt antreten wollen. Schließlich dürfte der Wahlkampf bald beginnen. 2022 waren die linken Wahlbündnisse Por Andalucía, hauptsächlich aus der Izquierda Unida (Vereinigte Linke, IU) und Podemos zusammengesetzt, und Adelante Andalucia, eine Podemos-Abspaltung, ins Parlament eingezogen.

Podemos war im Jahr 2023 auf nationaler Ebene aus der linken Plattform Sumar ausgetreten, um sich der sogenannten gemischten parlamentarischen Gruppe (grupo mixto) anzuschließen und tritt seitdem wieder eigenständig in der Öffentlichkeit auf. Doch die bisherigen Verhandlungen zeigen: Auch in Andalusien hat sich inzwischen eine eigene politische Dynamik entwickelt, und es ist nicht mehr so einfach, aus den dortigen Ergebnissen auf den allgemeinen Zustand der Linken in ganz Spanien zu schließen. Dies gilt um so mehr, als es mit Podemos neben der Izquierda Unida eine weitere große Formation gibt, die auf nationaler Ebene deutlich stärker ist als in Andalusien, wo sie sogar befürchten muss, im kommenden Regionalparlament nicht mehr vertreten zu sein.

Natürlich gibt es auch in Spanien ein politisches Leben links von Podemos oder der Vereinigten Linken, doch diese Kräfte haben derzeit, ähnlich wie in Deutschland die DKP oder die MLPD, praktisch keine Chancen, in Parlamente einzuziehen. Besonders das aktuelle Auswertungssystem, das sogenannte D’Hondt-Verfahren, verzerrt die Ergebnisse zugunsten der beiden großen Parteien PP und PSOE. Das geltende Wahlrecht steht deshalb bei der spanischen Linken seit langem in der Kritik.

Die jüngsten Umfragen in Andalusien sagen dem rechtskonservativen Partido Popular mit rund 42 Prozent der Stimmen erneut einen Sieg voraus, gefolgt vom PSOE mit 20 Prozent und den extremen Rechten von Vox mit 15 Prozent, von Adelante Andalucía (AA) mit zehn Prozent und Por Andalucia mit sechs Prozent. Das bedeutet fast sechs Prozentpunkte für AA mehr, Por Andalucia verlöre einen Prozentpunkt. Zusammen könnten beide mehr Sitze erobern als 2022, aber eine Regierung ohne den PSOE ist vollständig ausgeschlossen.

Auf nationaler Ebene sind die nächsten regulären Parlamentswahlen eigentlich erst für 2027 vorgesehen. Aber angesichts der jüngsten Korruptionsfälle innerhalb des sozialdemokratischen PSOE erscheint ein vorgezogener Wahltermin durchaus realistisch – zumal vorgezogene Neuwahlen in Spanien seit der Immobilienkrise von 2008 eher die Regel als die Ausnahme sind.

In dieser Situation machen einige Linke aus Andalusien, darunter der frühere Generalsekretär der Andalusischen Arbeitergewerkschaft Diego Cañamero, mit einem Manifest auf sich aufmerksam, in dem sie die Linken zur Einheit aufrufen. Das lässt aufhorchen, weil man bei Podemos, womöglich auch bei dessen Wählern von einer solchen Einheit – zumindest auf nationaler Ebene – nichts hören möchte. Zu ernüchternd beziehungsweise erniedrigend waren die Erfahrungen, die Podemos mit der Wahlkoalition Sumar machen musste. Bereits damals wurde die Notwendigkeit eines Zusammengehens mit dem Kampf gegen den Faschismus begründet und vor einer möglichen Regierung aus PP und Vox gewarnt. Innerhalb von Sumar gab es allerdings keinerlei demokratisches Prozedere, und wichtiges politisches Personal von Podemos, wie dessen heutige Generalsekretärin und ehemalige Gleichheitsministerin Ione Belarra, die heutige Europaabgeordnete Irene Montero und auch der Abgeordnete Pablo Echenique, wurden an den Rand gedrängt, die Sumar-Chefin Yolanda Díaz führt ihren Laden autokratisch. Mehr und mehr zeigten sich auch inhaltliche Differenzen mit der IU, dem anderen wesentlichen Teil von Sumar, etwa in der Frage von Aufrüstung und Krieg.

Im Manifest »Andalucía se levanta« (»Andalusien steht auf«) sprechen die Verfasser davon, dass »die Einheit kein Slogan, sondern eine Notwendigkeit für das Volk« sei. Arbeitslosigkeit, teures Wohnen und schlechte Gesundheitsvorsorge plagen die Region, eine der ärmsten Spaniens. Im Aufruf wird klar identifiziert, wo die Probleme herkommen. An erste Stelle müsse »der Kampf gegen die Aufrüstung und gegen das Kriegsregime« stehen. Gefordert wird das Ende der US-Militärbasis in der Region. Den Sozialstaat gelte es zu verteidigen, die Gleichheit der Frau, die Umwelt – diesen Punkten können die meisten linken Parteien ohne große Probleme zustimmen. Unterschrieben haben das Manifest Politiker von IU, Sumar und Podemos, aber auch andere linke Persönlichkeiten.

Eine nationale Einheit der Linken scheint derzeit gleichwohl ungewiss. Podemos wirft Sumar, im Grunde aber auch der IU vor, sie seien wegen ihrer Beteiligung an der Regierung mit den Sozialdemokraten eine Art PSOE 2.0. Denn in der laufenden Amtszeit seien keinerlei radikale Maßnahmen, das Leben der Menschen zu verbessern, auch nur vorgeschlagen worden. Kaum entkräften kann diesen Vorwurf, wenn dann auch noch die Vereinigte Linke in Asturien vorschlägt, eine Wahlkoalition mit dem PSOE zu bilden.

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