Revolte von oben
Von Felix Bartels
Die Rebellion rollt weiter. So weit, wie ein exekutiver Machtgriff im Rahmen demokratischer Verfasstheit gehen darf. Und hier und dort darüber hinaus. Trump will mehr als bloß durch-regieren – mit Exekutivverordnungen, einem willfährigen Supreme Court und Umbesetzungen in Behörden. Er will Herr sein nicht allein über die Politik, er will Definitionsmacht. Sein Autoritarismus ist lange bekannt, aber es besteht doch ein Unterschied zwischen einem Polterhans im Oval Office, der seine verrückten Maßnahmen vermittels einer Rhetorik verkauft, die vor allem sein angespanntes Verhältnis zur Wirklichkeit verrät, und einem Präsidenten, der nicht lediglich Kontrolle über das Geschehen beansprucht, sondern auch das Denken der Gesellschaft formen will. Und wie ein Koch abhängig ist von seinen Zutaten, gilt in der Politik, dass man Denken nicht erst durch Interpretation von Fakten kontrolliert, sondern bereits, indem das Material der Wirklichkeit selbst einer Veränderung unterzogen wird.
Das bezieht sich auf Gegenwärtiges wie auf Vergangenes. Die wichtigste Legitimation der Trump-Regierung ist die Wirtschaftslage. Die aufwendige Produktion von Chaos um Zölle, Steuersenkungen, Subventions- und Staatsabbau soll gerechtfertigt sein durch einen gigantischen Wirtschaftsaufschwung. Bleibt der aus, werden nicht die Richtlinien verändert, sondern die Informationen. Entsprechend gerät das Statistikamt des Arbeitsministeriums zum Kampffeld. Dem hat Trump nun einen neuen Leiter verpasst. Das Amt hatte im monatlichen Arbeitsmarktbericht Daten zur unerwartet schwachen Entwicklung des Markts veröffentlicht. Demnach waren im Sommer 258.000 Stellen weniger geschaffen worden als zuvor gemeldet. Im Juli seien außerhalb der Landwirtschaft lediglich 73.000 neue Stellen entstanden. Trump zufolge seien die Daten gefälscht worden, um »MICH schlecht aussehen zu lassen«. Ersetzt wird die bisherige Chefin der Behörde Erika McEntarfer durch E. J. Antoni, der aus dem Kreis der Heritage-Stiftung kommt, die 2023 das »Projekt 2025« vorlegte, den Fahrplan für einen rechtskonservativen Staatsstreich, der zur Stunde denn auch bestaunt werden kann.
Ein anderes Feld, auf dem die Trump-Administration Informationskontrolle anstrebt, ist die Geschichtsschreibung. Auch hier gibt es seit längerem Aktivitäten. Am Dienstag kündigte das Weiße Haus an, »spalterische oder parteiische« Narrative zu prüfen, vor allem im Fall einiger Museen der Smithsonian Institution in Washington. Ziel sei, »das Vertrauen in unsere gemeinsamen kulturellen Institutionen wiederherzustellen«. Klarer: Verstörende Darstellungen zu Rassismus, Sklaverei und Vertreibung nordamerikanischer Ureinwohner könnten das Gemeinschaftsgefühl der US-Bürger beeinträchtigen. Bereits im Juli hatte das Smithsonian einen Hinweis auf die zwei Impeachment-Verfahren gegen Trump entfernt. Belohnt wurde dieses Appeasement nicht.
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Ansichten
-
Verhaltenswächter des Tages: Wasilij Bodnar
vom 14.08.2025