Gegründet 1947 Mittwoch, 20. August 2025, Nr. 192
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 14.08.2025, Seite 4 / Inland
Kriminalisierung von Protestcamp

Krieg dem Antikrieg

Kölner Polizei verbietet Protestcamp von »Rheinmetall entwaffnen«. Grund: »Unfriedlichkeit« und »Gewaltbereitschaft«. Eilklage eingereicht
Von Max Grigutsch
4.jpg
Im Kölner Grüngürtel, vor der Villa eines Panzerbosses, vor dem Bundestag: »Rheinmetall entwaffnen« (18.3.2025)

Auf tausend Kriege kommen keine zehn Revolutionen (Ernst Bloch). Das liegt auch daran, dass jeglicher Widerstand mit dem Hammer der Staatsgewalt bearbeitet wird. Das für Ende August in Köln geplante Protestcamp des Bündnisses »Rheinmetall entwaffnen« wurde am Dienstag von der Polizei untersagt. Die Kölner Beamten werfen den erwarteten Campteilnehmern nach Angaben der Veranstalter »Unfriedlichkeit« vor. »Absurdeste Konstruktionen und Anschuldigungen«, entgegneten die Kriegsgegner in einer Mitteilung von Dienstag abend. Die Polizei bestätigte das Verbot, teilte aber auf jW-Nachfrage am Mittwoch mit, aufgrund des noch laufenden Verfahrens keine weiteren Details nennen zu wollen. Ein Verbot der für den 30. August angekündigten »Kölner Parade gegen den Krieg« werde demnach noch geprüft.

Begründet werde der Vorstoß unter anderem mit der Parole »Krieg dem Krieg« – populär unter anderem wegen Kurt Tucholskys gleichnamigen Gedichts –, die die Polizei als Ankündigung verstehe, man wolle der Aufrüstung mit »kriegerischen Mitteln« begegnen. Welches Kriegsgerät den Demonstranten zur Verfügung stehen soll, wird nicht weiter erläutert. Des weiteren will die Staatsgewalt eine »gesteigerte Gewaltbereitschaft« aus der »zum Negativen veränderten« Weltlage hergeleitet haben. »Ausgerechnet aus dieser (sachlich richtigen) Feststellung abzuleiten, dass ein Verbot eines Camps, das diesen Umstand kritisiert, geboten sei, ist an Zynismus kaum zu überbieten«, kritisieren die Organisatoren. Sie befürchten einen »gefährlichen Präzedenzfall«.

Trotz der polizeilichen Verfügung gibt sich »Rheinmetall entwaffnen« entschlossen, das Camp, das vom 26. bis zum 31. August im Kölner Grüngürtel stattfinden sollte, juristisch durchzusetzen. Sprecher Jonah Fischer kündigte an, dass die Untersagung »keiner gerichtlichen Prüfung standhalten wird«. Auch laut Rechtsanwalt Nils Spörkel entbehrt das Verbot »einer ernsthaften, durch Tatsachen gedeckten Grundlage«. Er habe eine Eilklage eingereicht. Das Bündnis sammelt zudem Unterschriften auf der Internetplattform change.org.

Zuspruch erhielten die Aktivisten vom Linke-Landesverband Nordrhein-Westfalen. Landessprecherin Kathrin Vogler zeigte sich laut Mitteilung vom Dienstag »entsetzt«, dass der Protest gegen Aufrüstung als gefährlich dargestellt werde, »während der Profit mit Mordwerkzeugen normal sein soll«. So hatte der Rüstungskonzern Rheinmetall, Namensgeber des Antikriegsbündnisses, zuletzt eine 18prozentige Gewinnsteigerung und seinen weiteren Aufstieg zum »globalen Rüstungschampion« verkündet.

Die Linke appelliere an die Stadt Köln und den Polizeipräsidenten, das Camp zu ermöglichen, so die Mitteilung. Lea Reisner, Kölner Bundestagsabgeordnete der Partei, sprach von einem »massiven und inakzeptablen Eingriff«, der die Demokratie schwäche. Ähnlich äußerte sich Uzáy Harman vom Kölner Bündnis Sahra Wagenknecht am Mittwoch auf jW-Anfrage: »Wenn die öffentliche Sicherheit gewahrt werden kann, und nicht lediglich als Mittel zum Zweck missbraucht wird, gehört lautstarker Protest gegen die Rüstungsindustrie, in diesem Fall mit Lokalbezug, zu den Rechten einer demokratischen Gesellschaft.«

Auf eine Anfrage dieser Zeitung reagierte Rheinmetall bis Redaktionsschluss nicht. Dass sich der Panzerbauer aber der »freiheitlichen demokratischen Grundordnung« verpflichtet sieht, hatte ein Konzernsprecher schon vergangene Woche gegenüber jW erklärt. Die Produkte und Systeme des Waffenherstellers würden schließlich zur »Verteidigung« dieser Ordnung beitragen. Eine gegenteilige Einschätzung formulierte »Rheinmetall entwaffnen« in einem Aufruf vom Mittwoch. Darin heißt es, Rheinmetall statte »autokratisch regierte Länder wie Israel, Saudi-Arabien oder Bahrain mit Waffen aus, die gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden« – dafür trage der Konzernchef Armin Papperger »persönliche Verantwortung«. Entsprechend kündigte das Bündnis für den 28. August einen Protestmarsch zur Düsseldorfer Villa des Panzerbosses an, um ihm, so Bündnismitglied Dina Pütz, »von Angesicht zu Angesicht ein paar Fragen« zu stellen.

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • 20.05.2025

    »Meistens bekommen wir viel Zuspruch«

    In Köln soll im Spätsommer mit einem Protestcamp gegen die Aufrüstung mobilisiert werden. Ein Gespräch mit Dina Pütz
  • Tausende Menschen versammeln sich zur 1.-Mai-Kundgebung des DGB ...
    02.05.2025

    Weitgehend ruhig

    Starke klassenkämpferische Blöcke auf den DGB-Demonstrationen am 1. Mai. Gewerkschaftsbasis fordert Abrüstung und Frieden für Palästina

Regio:

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro