Bis zur nächsten Schlappe
Von André Dahlmeyer
Einen wunderschönen guten Morgen! Die Krise des Club Atlético Boca Juniors hat kein Ende. Auch am vierten Spieltag des Torneo Clausura der argentinischen Primera División gelang beim Klassiker gegen Racing Club vor eigenem Publikum kein Sieg. Der kurz zuvor eingewechselte Santiago Solari brachte die Académia in Minute 76 in Führung, dem Sturmtank Milton Giménez gelang zwei Minuten vor dem Ende noch der Ausgleich. Zuvor war es im Stadion unter den Fans mächtig unruhig geworden. Für Boca Juniors ist es das zwölfte sieglose Spiel hintereinander; mit dem neuen Trainer Miguel Ángel Russo konnten die Xeneizes bis dato noch gar nicht gewinnen. Immerhin ist Russo der Mann, mit dem der Verein 2007 letztmals die Copa Libertadores gewann. Es ist sein nunmehr dritter Zyklus bei den Blau-Gelben.
Die Zeit spielt nicht für den sechsmaligen Copa-Libertadores-Gewinner, der unter Dauerbeschuss des rechten Präsidenten und des neoliberalen Expräsidenten Mauricio Macri (2015–2019) liegt. Sie und ihre Gefolgsleute wollen aus dem Verein eine Aktiengesellschaft machen, als Initial für den gesamten argentinischen Profifußball, wobei die Intrigen immer surrealistischer werden. Präsident des Klubs ist nach wie vor dessen größtes Vereinsidol, Juan Román Riquelme. Noch hat er den nötigen Rückhalt, aber die Zahl der Keile, die die Rechten von allen Seiten in das Umfeld des Klubs treiben, nimmt immer noch zu.
Während man die Leistungen der Xeneizes bei der Klub-WM noch als überraschend akzeptabel bezeichnen kann, kickt das Team, seit der Rückkehr wieder so abenteuerlich unkoordiniert wie zuvor. Einige Feierbiester sind wohl auch darunter. Es handelt sich also um ein verschlepptes Problem. Klar, der aktuelle Gegner war natürlich ein Risikorivale. Während Boca Juniors erneut nicht auf internationaler Bühne mitspielt, steht Racing Club längst im Achtelfinale der Copa Libertadores, wo sich die Académia gestern im Estadio Campeón del Siglo in Montevideo im Hinkampf mit Peñarol maß (Rückspiel in Buenos Aires am nächsten Dienstag). Trainer Gustavo Costas schonte sogar einige Kicker!
Dennoch war es das Team aus Avellaneda, dem industriellen Speckgürtel südlich der Hauptstadt, das während der gesamten ersten Halbzeit den Ton angab. Einige Spieler von Boca Juniors wirkten regelrecht apathisch. Racing war das exakte Gegenteil. Hochmotiviert tauchten sie von allen Seiten auf und sorgten im Sanktionsraum für ein wüstes Tohuwabohu. Nach der Pause kamen Bocas Urugayos überraschend zu Tormöglichkeiten. Miguel Merentiel scheiterte am starken Tormann Facundo Cambeses, Cavani erwies sich einmal mehr als Chancentod. Klingeln tat es hinten, Solari erwischte die Fastverteidigung der Xeneizes eiskalt. Schließlich war es Weltmeister Leandro Paredes, der einen Freistoß von rechts millimetergenau auf den Kopf von Giménez zirkelte. Für einen Moment schien die Impotenz des eigenen Teams verflogen, es roch nach einem vorerst befristeten Waffenstillstand mit den Fanatikern des Traditionsvereins. Bis zur nächsten Schlappe.
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