Grundrechtekomitee: Nicht bei der Polizei abschreiben

Angesichts des Todes eines 52jährigen Mannes bei einem Polizeieinsatz in Köln fordert das Grundrechtekomitee am Dienstag unabhängige Aufklärung und Einhaltung journalistischer Standards:
Das in Köln ansässige Komitee für Grundrechte und Demokratie fordert angesichts des Todes eines 52jährigen im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz in Köln-Nippes, dass die Umstände des Todes unabhängig untersucht werden. Die von der Polizei Köln herausgegebenen Informationen zu den Geschehnissen in der Nacht vom 10. August 2025 können nicht als Quelle herangezogen werden, da die Polizei Köln zunächst verdächtig ist, den Tod des Mannes (mit-)verursacht zu haben.
Die Übernahme von Ermittlungen durch eine andere Polizeistelle, erst recht aus der nächstgelegenen Großstadt, deren Polizeibehörde erst kürzlich ein mittlerweile eingestelltes Verfahren gegen die Kölner Kollegen führte, kann nicht als unabhängig gelten und ist daher abzulehnen. (…)
Das Komitee für Grundrechte und Demokratie verurteilt zudem die bisherige Berichterstattung im Kölner Stadtanzeiger, Bonner Generalanzeiger und auf der Webseite der Stadt Köln, die sich in Gänze auf eine Pressemitteilung der Polizei Köln stützt und deren Aussagen unüberprüft übernimmt. Die polizeilichen Aussagen zum Geschehen wurden nicht mit weiteren Quellen abgeglichen. Es wurden offenbar keine eigenen Recherchen betrieben, um Augenzeugen ausfindig zu machen.
Michèle Winkler, politische Referentin des Menschenrechtsvereins, kritisiert: »Die Polizei Köln ist Beteiligte des Geschehens, an dessen Ende der Tod des Mannes stand. Die beteiligten Polizisten müssen als der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge verdächtig gelten. Insofern verletzt die Übernahme der polizeilichen Aussagen nicht nur die journalistische Sorgfaltspflicht, sondern macht die Redaktionen zum polizeilichen Sprachrohr und Gehilfen. Die Pressemitteilung möglicher Tatverdächtiger abzuschreiben, ist kein Journalismus.«
Das Grundrechtekomitee beobachtet seit Jahren das Agieren der Polizei nach tödlichen Polizeieinsätzen und stellt fest, dass sich in vielen Fällen die Polizeiangaben von den tatsächlichen Abläufen unterscheiden und von den betroffenen Polizeistellen oft Falschinformationen verbreitet werden. Dass dies auch im vorliegenden Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit so ist, lässt sich schon an den Floskeln erkennen, mit denen der vermeintliche Ablauf beschrieben wird.
Michèle Winkler kommentiert: »Die Polizeiangaben nach tödlichen Polizeieinsätzen folgen immer einem Schema, auch in diesem Fall: Die Person habe die Polizei angegriffen, es seien Alkohol oder Drogen im Spiel gewesen, die Person sei ohne polizeiliches Zutun kollabiert, sofort reanimiert worden und dann aus unerklärlichen Gründen verstorben. All diese Angaben dienen allein der juristischen Absicherung der beteiligten Beamt*innen und der Beruhigung der Öffentlichkeit. Ziel ist, die getötete Person als gefährlich hinzustellen, ein Notwehrszenario für die Polizei zu entwerfen und den Tod als von den polizeilichen Handlungen unabhängig erscheinen zu lassen.«
Das Grundrechtekomitee fordert die berichtenden Redaktionen zur Richtigstellung der bisherigen Berichte und zur Einhaltung journalistischer Standards auf, um die Todesumstände des Betroffenen aufzuklären. Sämtliche der von der Polizei gelieferten Angaben müssen hinterfragt werden. (…)
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