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Aus: Ausgabe vom 13.08.2025, Seite 5 / Inland
Klüngel um Spahn

Vitamin-B-Missbrauch

In seiner Amtszeit als Gesundheitsminister erhielten gute Bekannte lukrative Jobs im Hause Spahn. Wohnungsdeal mit einem Pharmalobbyisten
Von Ralf Wurzbacher
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Nicht nur wegen Maskendeals in der Kritik: Als Gesundheitsminister soll Spahn Freunde auf Posten gehievt haben (Hannover, 28.4.2020)

Jens Spahn (CDU) hat es schwer dieser Tage. Milliardenschäden durch faule Maskendeals, die verhinderte Kandidatur von Frauke Brosius-Gersdorf bei der Besetzung des Bundesverfassungsgerichts, dazu der Ärger wegen der Israel-Politik der Koalition. Die Aktien des Unionsfraktionschefs standen fürwahr schon besser. Und jetzt das: »Posten für Freunde«, titelte am Montag das Medienunternehmen Correctiv und berichtete ausführlich über Vergangenes in der Vita des 45jährigen, das ihm nun, Jahre später, auf die Füße zu fallen droht. Konkret geht es um zwei enge Weggefährten des früheren Bundesgesundheitsministers, die seinerzeit auf ganz kurzem Dienstweg in Positionen gelangten, obgleich ihnen dafür die nötige Qualifikation abging.

Da ist einmal Markus Leyck Dieken, der vor rund sechs Jahren die Geschäftsführung bei der Gematik übernahm. Das mehrheitlich in Bundesbesitz befindliche Unternehmen erledigt die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen und wurde just zur fraglichen Zeit mit den Arbeiten zur Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) betraut. Nach außen hin hielt sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) an die Regeln. Man schaltete im April 2019 eine Personalberatungsfirma ein und führte ein »Managementaudit« durch. Dennoch fiel die Wahl ziemlich rasch und unverhofft auf Dieken. Laut Aussage eines BMG-Mitarbeiters gegenüber Correctiv steckte ihm Spahn schon vor der ganzen Prozedur, jemanden für den Job zu haben.

Dieser Jemand hatte dem CDU-Mann nur Monate davor, als Spahn noch kein Minister war, eine Fünf-Zimmer-Altbauwohnung in Berlin-Schöneberg für 980.000 Euro verkauft. Die Berufung Diekens ließ sich das BMG später einiges kosten. Verglichen mit seinem Vorgänger wurde dessen Gehalt auf knapp 390.000 Euro praktisch verdoppelt. Und dies, obwohl er mit IT-Management und Behördenkram bis dahin beruflich nichts am Hut hatte. Vielmehr war er vor seiner Anstellung für etliche Pharmaunternehmen aktiv, womit ausgerechnet einem Profilobbyisten die Aufgabe zuteil wurde, eine ePA mit hochsensiblen Patientendaten zu entwickeln. Inzwischen gibt es die bekanntlich »für alle« und als riesiges Einfallstor für die Pharmabranche. Die in ihr abgelegten Informationen können der Forschung grundsätzlich zur Verfügung gestellt werden, egal ob in öffentlicher oder privater Hand.

Ergo haben Spahn und Amtsnachfolger Karl Lauterbach (SPD) ganze Arbeit geleistet. Und Dieken wirkt längst wieder im vertrauten Milieu. Nach seiner Entlassung Mitte 2023 – das Projekt gläserner Patient flutschte nicht wie gewünscht – heuerte er als »Executive Partner« bei »Die Brückenköpfe« an, einer »Schaltstelle für politischen Einfluss auf die Gesundheitspolitik«, die schon früher regen Austausch mit Spahn pflegte, so Correctiv. Die selbsternannte »Denkboutique« agiert als Netzwerker für Krankenversicherungen, Kliniken und die Arzneimittelindustrie, ihr Leitspruch lautet: »MehrWerte für Gesundheit schaffen«. Über seine Verwicklungen mit Dieken schweigen sich Spahn und sein Sprecher weitgehend aus.

Dasselbe gilt für Fragen zu seiner Nähe zu Paul Zubeil. Der war bis zu seiner Anstellung als BMG-Unterabteilungsleiter für europäische und internationale Angelegenheiten in der Entwicklungshilfe bei den Vereinten Nationen tätig. Die gemäß Ausschreibung verlangten Fachkenntnisse in europäischer und deutscher Gesundheitspolitik brachte er eher nicht mit. Den Job erhielt er trotzdem, entgegen der in Ministerien gängigen Praxis, hochrangige Posten an interne Kandidaten zu vergeben. Überliefert sind derweil diverse Feiern, bei denen es sich Zubeil, dessen Lebenspartner Hendrik Streeck sowie Spahn und dessen Ehemann Daniel Funke gutgehen ließen. Die vier kennen sich seit langer Zeit und bilden laut Spiegel eine »Clique«. Bei einer ihrer Sausen soll Spahn seinen Freunden CDU-Mitgliedsanträge auf den Tisch gelegt haben, woraufhin Streeck prompt unterschrieb. Der Virologe hatte in der Coronakrise als Regierungs- und Maßnahmenkritiker bundesweite Prominenz erlangt. Seit diesem Mai ist er Beauftragter der Bundesregierung für Drogenpolitik. Dem Kampf gegen Vitamin-B-Missbrauch hat er sich nicht verschrieben.

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