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Aus: Ausgabe vom 11.08.2025, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Keks is people!

Zu jW vom 4.8.: »Sozial finanzieren geht nicht«

Die Pflege ist und wird nicht finanzierbar sein. Das hat José Saramago illusionslos in seinem Roman »Eine Zeit ohne Tod« sehr eindrücklich und augenzwinkernd geschildert. Die Pflege ist auch so eine Zeit ohne Tod. Es muss etwas anders werden. Auch sollte der Mensch selbst entscheiden, ob er da mitmachen oder vorher in Würde gehen will und kann. Das könnte aussehen wie im Film »Soylent Green«, ich gehe hin und bin dann weg. Nur zum Keks möchte ich nicht verarbeitet, aber vielleicht zu geringeren Kosten – als für eine zehnjährige Unterkunft im Pflegeheim – beigesetzt werden.

Bernd Hejkal, Halle (Saale)

Rente: »Schlag ins Gesicht«

Deutschland, das Land der glücklichen Rentner? Wohl kaum. Denn dafür, dass das Geld immer weniger wird, sorgen schon die ständigen Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge, die den gemeinen Deutsche-Rentenversicherungs-Rentner immer härter treffen. Dabei gab es mit Blick auf den 1. Juli 2025 zunächst einen Streifen Hoffnung am Horizont, sollten doch die Renten um 3,75 Prozent steigen, was sie auch taten. Allerdings, und das ist das Problem, wird die vermeintlich akzeptable Rentenerhöhung sogleich schon alleine durch die Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge um satte 46,5 Prozent wieder zunichte gemacht. Es verbleibt am Ende eine Erhöhung von knapp 2,1 Prozent, die Rente ist aber ja auch zu versteuern, und so wird es unter dem Strich bestenfalls und abhängig vom persönlichen Steuersatz ein Erhöhungsalmosen von etwas über einem Prozent geben. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Normalbürger, die ihr Leben lang gearbeitet haben. Dazu kommt erschwerend, dass im Pflegefall die Leistungen der Pflegeversicherung bei weitem nicht ausreichen. Hört man sich bei betroffenen Familien um, die einen Angehörigen ins Heim abgeben mussten, dann erfährt man, dass mit etwa 5.500 Euro an monatlichen Kosten für das Essen, die Unterbringung und die Pflege, auch Heimkosten genannt, zu rechnen ist. Sind dann die Ersparnisse, sofern überhaupt vorhanden, aufgebraucht, geht es ans Eingemachte, so sind dann beispielsweise auch die Immobilien zu verkaufen. Omas und Opas Häuschen, für das sie ihr Leben lang gearbeitet haben, ist dann auch weg. Das ist, zurückhaltend formuliert, ein Skandal. Fazit: Dieser Staat hat zuwenig Geld für die eigenen Bürger, finanziert aber Kriege und stellt auf der anderen Seite ständig die Finanzierung des »Deutschland­tickets«, das für Millionen Menschen den ÖPNV erst attraktiv macht, in Frage. Und daran wird sich, realistisch betrachtet, auch nichts ändern. Kaltlassen kann das Ganze nur die Beamten, die Berufsgruppe mit der kostenlosen Lebensvollkaskoversicherung auf Kosten der Steuerzahler, die ja bekannterweise bestens versorgt ist. Das hört diese Kaste aber nicht gerne.

Claus Reis, Schwabach

Vom Umgang mit Menschen

Zu jW vom 5.8.: »Unverdient«

Wer die sogenannte Arbeitsmarkt- – real Menschenmarktpolitik seit Jahrzehnten verfolgt, kann nur zur Überzeugung gelangen, es geht nie um den Menschen, nie um die angeblichen »universellen, angeborenen, jedem einzelnen zustehenden« Menschenrechte. Es geht immer ausschließlich um den Menschen als Ausbeutungsobjekt, als Objekt seiner profitablen Verwertung, auch dann, wenn seine Erwerbsfähigkeit mehr oder weniger eingeschränkt ist. Wer das Thema Arbeitslosigkeit, Sozialhilfe, Schröders Agenda bis Hartzens Demütigung, Zwang und Deklassierung von Menschen in Ziel und Sinn verstanden hat, wer die Namensfindungen für die Entwertung des Menschseins in ihren Absichten begreift, wer erkennt, wie eingeschränkt erwerbsfähige Menschen diffamiert, auch politisch benutzt werden, auf das beliebte Feld des Gegeneinander von Bevölkerungsgruppen getrieben werden, als politische Manövriermasse dienen, dem kann nur Ekel, Hass, einfach das Kotzen gegenüber dieser politischen Elite ankommen. Schamlos, bewusst, mit politischer Absicht werden verallgemeinernd Millionen Menschen als faul, schmarotzend, arbeitsunwillig dargestellt. Wie es politisch in die Hass-Hetz-Konzepte passt, wird mal verallgemeinert, an anderer Stelle die angebliche Einzelheit, Ausnahme beschworen. Beliebig im politischen Interesse die Bevölkerung in Stimmung gegen seinesgleichen bringen, ist uraltes Herrschaftsprinzip.

Zum Hohn und Spott auf Millionen Menschen reden reihenweise Jungpolitiker über und vom Arbeiten für den Lebensunterhalt, die in ihrer Biographie gerade einmal gelernt haben, Arbeit richtig zu schreiben. Sie reden von stundenweiser Arbeit bei eingeschränkter Erwerbsfähigkeit und tun so, als wüssten sie nicht, welche Perspektiven diese kapitalistische Wirtschaft für solche Menschen hat und bietet, was sie ihnen ggf. verpflichtend anbietet. Wo sind die wirklichen Schuldigen für das zu suchen, was täglich rund um die Uhr angeklagt wird? Wer und welche gesellschaftlichen Verhältnisse sind anzuklagen?

Mancher wird vielleicht in Erinnerung haben, wie ein anderer deutscher Staat, in dem das Recht und die Pflicht auf Arbeit Gesetz waren, stets der Zwangsarbeit angeklagt wurde. Aus eigener Erfahrung in einem DDR-Arbeitsamt sind mir nicht annähernd Zustände und Diffamierungen von Menschen bekannt, wie PolitikerInnen sie gerade täglich von sich geben.

Es gab immer Menschen mit eingeschränkter Erwerbsfähigkeit. Millionen heute würden sich glücklich schätzen, einen Umgang wie in der DDR erfahren zu können. Im übrigen war die Zahl der wirklich Arbeitsunwilligen auch dort zu vernachlässigen, kein gesellschaftliches Problem, das es heute scheinbar ist.

Roland Winkler, Aue

Deutschland, das Land der glücklichen Rentner? Wohl kaum. Denn dafür, dass das Geld immer weniger wird, sorgen schon die ständigen Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge

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