Islamfeindlichkeit legalisiert
Von Carmela Negrete
Die rechtskonservative Volkspartei (PP) hat Ende Juli in dem Städtchen Jumilla bei Murcia einen Gemeindebeschluss durchgebracht, der religiöse Feiern an öffentlichen Orten einschränkt. Zuvor hatte die ultrarechte Partei Vox einen Antrag eingebracht, der ein grundsätzliches Verbot muslimischer Feste in dem 27.000-Einwohner-Ort zum Ziel hatte. Seit Jahren feiern die Muslime der Stadt ihre Feste, das Opferfest und das Zuckerfest, in der Turnhalle der Kommune. Bislang hat es dabei nie Probleme gegeben.
Der Beschluss trägt noch den Titel, den ihm die Vox gegeben hatte und der behauptet, angebliche »spanische Traditionen« zu schützen. Den Inhalt hat die Volkspartei geändert: Jetzt sind in der Sporthalle alle Feierlichkeiten und Veranstaltungen verboten, die nach Ansicht des Rathauses Spanien »fremd« sind. Damit bewegt sich die Partei am Rande der Verfassungsmäßigkeit, denn Artikel 16 der spanischen Verfassung stellt fest, dass im spanischen Königreich »ideologische, religiöse und kulturelle Freiheit« herrscht.
PP-Bürgermeisterin Seve González López, die im Gemeinderat über keine eigene Mehrheit verfügt und vielfach mit Vox kooperiert, erklärte bei der Vorstellung des Beschlusses, dass Vox auch in anderen spanischen Kommunen, in denen die PP regiert, ähnliche Anträge einbringen wolle. Damit würde Islamfeindlichkeit faktisch legalisiert. Gegen den Antrag stimmten der sozialdemokratische PSOE und das lokale linksgrüne Bündnis aus Podemos, Izquierda Unida und Alianza Verde. Vox enthielt sich, weil der Antrag der Partei nicht weit genug ging. Weil sich die Partei aber dazu ermutigt fühlt, kündigte Vox-Chef Santiago Abascal auf der Plattform X an, dass seine Partei nun im spanischen Parlament ein Verbot des »muslimischen Kopftuchs« zur Abstimmung bringen will, damit »Spanien Spanien bleibt«.
Bislang war das Rathaus von Jumilla an der Organisation von fünf Festen im Jahr beteiligt. Die Karwoche, das Fest für den heiligen Antonius sowie Mariä Himmelfahrt werden weiter in der Öffentlichkeit stattfinden, aber wohl keine muslimischen Feierlichkeiten mehr. Aus der Madrider Zentrale kam einerseits Zustimmung für die Entscheidung der Bürgermeisterin von Jumilla. Zugleich erklärte Jaime de los Santos, stellvertretender Sekretär für Bildung und Gleichheit der PP auf nationaler Ebene, gegenüber der Tageszeitung El Español, dass seine Partei nicht xenophob sei. Die PP sei eine »verfassungskonforme Partei«. Seine Partei werde »niemals jemanden wegen seines Glaubens oder Gebets anprangern«.
So sehen das jedoch nicht die Opposition, viele gesellschaftliche und religiöse Organisationen sowie der spanische Ombudsmann Ángel Gabilondo, der als »Verteidiger der Bürger« über die Einhaltung von Menschen- und Bürgerrechten wacht. Er hat angekündigt, sich ausführlich über den Fall zu informieren. Die muslimische Gemeinschaft »Junta Islámica« hat rechtliche Schritte angekündigt. Auch die spanische Bischofskonferenz und der spanische Zentralrat der Juden haben sich gegen den Beschluss positioniert.
Das ist bereits das dritte Mal innerhalb weniger Wochen, dass das Thema »Rassismus in Spanien« die internationale Presse erreicht hat. Nach tagelangem Terror gegen mutmaßliche Migranten in der Kleinstadt Torre-Pacheco war es am 5. August in dem Badeort Castell de Ferro bei Granada zu regelrechten Jagdszenen am Strand gekommen. Badegäste hielten mehrere junge Marokkaner fest, die gerade mit einem Schlauchboot an Land gegangen waren. In dem autoritär regierten Land gibt es eine hohe Arbeitslosigkeit und kaum Perspektiven. Dass Badegäste erschöpfte Migranten auf den Boden zwingen und die Polizei rufen, als wären sie Verbrecher, ist ein Novum. Zahlreiche Videos in den sozialen Netzwerken zeigen die Szene, da der Strand voller Badegäste war.
Migranten dürfen in Spanien schuften, aber nicht ihren Glauben ausüben – das ist der Eindruck, der nach Entscheidungen wie der in Jumilla entsteht. Die Diskussion darüber war noch nicht verhallt, da kam übrigens die Nachricht, dass eine junge Tagelöhnerin aus Marokko, die in der Ortschaft wohnte, bei der Arbeit von einer Maschine erfasst und getötet wurde.
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