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Aus: Ausgabe vom 11.08.2025, Seite 4 / Inland
Digitale Massenüberwachung

Angeblich ohne Abfluss

US-Firma Palantir beteuert Datenhoheit durch deutsche Polizei bei Einsatz von Überwachungssoftware
Von Marc Bebenroth
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Das US-Unternehmen hat dank lukrativer Staatsaufträge auch ohne direkte Datenleitungen gute Verbindungen zu diversen Staatsapparaten

In J. R. R. Tolkiens Romanvorlage dienen die Palantíri dazu, über weite Entfernung die informationelle Verbindung zwischen West und Ost aufrechtzuerhalten. Im Einsatz durch deutsche Behörden sei »eine Übertragung oder ein Abfluss von Daten« dagegen »technisch ausgeschlossen«, beteuerte ein Sprecher der real existierenden US-Überwachungsfirma Palantir am Wochenende gegenüber dpa. Die zur Vernetzung und Auswertung großer Datenbanken entwickelte Software »Gotham« – benannt nach der von Korruption und organisierter Kriminalität durchzogenen Metropole des »Batman«-Comicuniversums – wird in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen unter jeweils anderer Bezeichnung sowie als angepasste Version genutzt. Sie werde »ausschließlich« auf Servern der Polizei betrieben, sagte der Sprecher.

Dieser betonte gegenüber der Nachrichtenagentur, dass »keinerlei Verbindung zum Internet oder zu externen Servern« bestehe, Daten also »nicht aus dem polizeilichen Hoheitsbereich gelangen können«. Damit reagierte die IT-Rüstungsschmiede auf auch von Regierungspolitikern formulierte Bedenken über mögliche Datenabflüsse, zum Beispiel in die Speicher von US-Geheimdiensten. »Für mich ist entscheidend, dass teils hochsensible Polizeidaten in den Händen eines solchen Unternehmens landen können«, sagte die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) in einem am Sonnabend veröffentlichten Interview der Hannoverschen Allgemeinen. Da sei sich »die Mehrheit der Innenministerinnen und Innenminister der Länder einig«.

Die staatliche Massenüberwachung soll »auf digitale Souveränität« (Behrens) setzend, eigenständig auf die nächste Stufe gehoben werden – mittels europäischer Anbieter oder Eigenentwicklungen, fordert die Ministerin. Von der »digitalen Souveränität« der Bevölkerung hält diese wenig. Behrens vermisst die mehrfach höchstgerichtlich für grundrechtswidrig erklärte »Vorratsdatenspeicherung«. Und zur Fahndung nach »gefährlichen Personen« müsse die automatisierte Gesichtserkennung her.

Der Bremer Senat ist noch nicht überzeugt von Palantir. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sehe keine Rechtsgrundlage für den Einsatz der Software, wie der NDR am Sonnabend berichtete. Hamburgs Polizei hatte demnach eine Nutzung zumindest vorerst ausgeschlossen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will dagegen die Verwendung auf Bundesebene prüfen. Die Beteuerungen Palantirs ändern schließlich nichts an dem Umstand, dass deutsche Regierungen daran arbeiten, möglichst viele Daten über die Bevölkerung zu sammeln, zu verknüpfen und zentral abrufen zu können – auch solche, die zu anderen Zwecken erhoben worden sind.

So erfasst die Software des 2003 vom faschistischen Oligarchen Peter Thiel und einer CIA-Firma gegründeten Unternehmens, dessen Verwaltungsratschef Thiel ist, auch Informationen über Menschen, die von den Ermittlungsbehörden nicht als Verdächtige geführt werden. Auch Zeugen können, einmal in einer Datenbank verzeichnet, in den Sog der Überwacher geraten. Allein in Bayern geht es dabei laut dpa um Millionen Daten. Wozu der durch Palantir-Programme beschleunigte Zugriff auf diverse Datenbanken führen kann, zeigt die Jagd auf Einwanderer in den USA. Dortige Behörden nutzen die Software zur Echtzeitverfolgung von Menschen, die man aufspüren, festnehmen und ins Ausland verschleppen will.

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