Erste Ernten eingefahren
Von Florian Osuch
Ende Juli hat der Cannabisklub »Anbauverein 38« aus Salzgitter zum ersten Mal eine Ernte eingefahren. Stolz präsentierte der Vereinsvorsitzende Uwe Geisler ein Plastiktütchen mit den begehrten Blüten. Der »Anbauverein 38« war kurz nach der Reform des Betäubungsmittelgesetzes im April 2024 gegründet worden. Zunächst mussten allerlei Papiere zusammengetragen und eine Lizenz zum kollektiven Anbau beantragt werden. Die erhielt der Club im Januar, doch die erste Aussaat schlug fehl. »Unsere ersten Anbauversuche haben noch ein bisschen Schwäche gezeigt«, sagte Geisler dem Nachrichtenportal News38. Beim zweiten Mal gelang es. Den 200 Mitgliedern werden verschiedene Sorten zum Eigenkonsum angeboten. Der Preis für ein Gramm Cannabis kann je nach Ernteerfolg variieren, aktuell beträgt er sieben Euro, hinzu kommt ein Mitgliedsbeitrag von einem Euro pro Monat. Für Konsumenten von Genusscannabis eine preiswerte Alternative zum Schwarzmarkt, zumal die Pflanzen ohne toxische Stoffe aufgezogen werden.
In Fellbach bei Stuttgart haben Mitglieder der Anbauvereinigung »Greenhouse Farming« ebenfalls vor kurzem erstmalig Cannabis geerntet. Hier hatte es bis April 2025 gedauert, ehe eine Genehmigung erteilt wurde. Dafür konnte das Team um Jens Veigel zügig loslegen. Die Gruppe installierte eine 250 Quadratmeter große Anlage innerhalb eines bestehenden Gewächshauses, das Großvater Veigel bereits zur Aufzucht von Schnittrosen genutzt haben soll. Für erforderliche Sicherheitstechnik, darunter hohe Zäune mit Übersteig- und Untergrabungsschutz, Kameraüberwachung, Bewegungsmelder und Alarmanlage musste der Club viel Geld in die Hand nehmen. Es gibt aber ein anderes Problem: Bisher zählt der Club laut Stuttgarter Nachrichten nur 15 Mitglieder. Deshalb ist der Abgabepreis auch deutlich höher als in Salzgitter. Er beträgt neun Euro pro Gramm, plus 15 Euro Mitgliedsbeitrag pro Monat.
Die Beispiele zeigen: Es geht voran bei den Anbauvereinen, wenn auch schleppend. Von Flensburg bis Plauen muss jeder Verein die komplizierten Zustimmungsverfahren durchlaufen. Laut dpa wurde bis Mitte Juli rund 300 Clubs zugelassen, ebenso viele Anträge seien noch in Bearbeitung. Die regionalen Unterschiede sind groß. Die meisten Genehmigungen erteilten Nordrhein-Westfalen (83 Clubs), Niedersachsen (55) und Rheinland Pfalz (27). Schlusslicht bildet das Saarland, wo erst Ende Juli einem ersten Club im Landkreis Neunkirchen das Anbauen von Cannabis gestattet wurde.
Etwas unklar ist die Lage in Berlin mit seinen geschätzt einigen zehntausend Konsumierenden. Da pro Club jeweils höchstens 500 Mitglieder aufgenommen werden dürfen, könnte es in der Hauptstadt einige hundert Anbauvereinigungen geben. Vergeben wurden allerdings erst sieben Lizenzen. Die erste erhielt die »Green Leaf Society« mit Anbauflächen in einem Gewerbegebiet im Bezirk Marzahn. Die erste Ernte wurde laut RBB bereits im Januar an die Mitglieder abgegeben. Die Beiträge sind jedoch hoch: Nach einer Aufnahmegebühr von 100 Euro fallen fünf Euro Monatsbeitrag an, hinzu kommt der Preis für Cannabis von 7,50 Euro pro Gramm. Da es in Berlin schwer ist, geeignete Flächen oder Räume zu finden, weichen einige Cannabisenthusiasten offenbar ins Umland aus. In Brandenburg wurden laut Tagesspiegel bereits 16 Clubs genehmigt, so viele wie in keinem anderen Bundesland Ostdeutschlands.
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