Putin war’s
Von Arnold Schölzel
Am Dienstag schreibt Cornelia Schmergal im Spiegel-Newsletter »Die Lage am Morgen«: »Die Mieten in Berlin sind seit 2022 um 42 Prozent geklettert, so viel wie nirgendwo sonst im Lande. Das geht aus einer Recherche meiner Spiegel-Kollegen Henning Jauernig und Bernhard Riedmann hervor.« Die beiden haben nämlich ausgewertet, »wo die Angebotsmieten seit dem Beginn des Ukrainekrieges am meisten gestiegen sind.« Das Ergebnis lässt nichts zu wünschen übrig: Putin steigert die Mieten. Womit das größte soziale Problem der Hauptstadt fast schon gelöst ist. Wer die Ursachen von Wucher, Luxusbau und komplettem Ausfall staatlichen Interesses an Menschen und ihren wichtigsten Bedürfnissen kennt, der hat das Übel fast beseitigt.
In diesem Sinn berichtet Schmergal weiter: »Auch auf dem Wohnungsmarkt hat Putins Angriff auf die Ukraine zu einer Zäsur geführt: Das Angebot neuer Objekte wuchs seither kaum, weil die Bauzinsen stiegen und viele Baufirmen ihre Projekte stoppten. Zugleich erhöhte sich die Nachfrage nach Mietobjekten, weil auch Menschen aus der Ukraine jetzt auf Wohnungssuche sind und weil frustrierte Häuslebauer nun doch lieber zur Miete wohnen. (Ob sich ein Bausparvertrag noch lohnt, lesen Sie hier).« Im »hier« geht es offenbar um den Verkauf von Bausparverträgen oder anderen Finanzhütchenspielen. Das ehemalige Nachrichtenmagazin kommt seiner wahren Bestimmung näher: Anzeigenblatt deutscher Abzockclans. Die stramme Gesinnung der Mehrheit Bundesgermaniens – »Putin war’s« – liefert es gratis mit. Vermutlich wurden auch die Zeitgenossen, die gestern in Berlin-Moabit mal wieder zerkrachte Sessel, fleckige Matratzen und kistenweise Elektroschrott auf die Straße stellten, von russischen »Wegwerf«agenten angestiftet. Die Vermüllung Berlins ist im Kreml Chefsache. Die Spiegel-Investigation wird das demnächst heraustrompeten.
Während sich die Unfugillustrierte bestimmungsgemäß mit dem Satiremagazin Titanic zusammentun sollte, ist die FAZ von ähnlicher Bereitschaft, lustig zu sein, weit entfernt. Die Frankfurter haben offenbar den Eindruck, dass das politische Personal in Berlin sie nicht ernst nimmt, jedenfalls herrscht im Blatt politische Grabesstimmung. Außenpolitikchef Nikolas Busse macht am Freitag in dieser Lage das einzig Richtige: Wenn die Luschen Merz und Klingbeil nichts mehr gebacken bekommen, muss wenigstens einer in Deutschland Trump und Putin sagen, was beim Ukraine-Krieg herauskommen soll: »Am Ende käme es auf die Details an, deshalb müssen die Europäer alles daransetzen, Gehör zu finden: Es geht nicht nur um eine mögliche Neuordnung der Ukraine, sondern auch von (Ost-)Europa.« Das ist 80 Jahre nach dem unerwarteten und ungehörigen Auftreten der Roten Armee in Berlin mal eine Ansage, die zum Strammstehen veranlasst: »Neuordnung von (Ost-)Europa«. Hatten »wir« schon mindestens zweimal auf dem Wunschzettel, beim dritten Mal sollte es endlich klappen. Kleine Einschränkung: Wenn »die« Europäer, zu denen Busse keinesfalls die Osteuropäer zählt, Gehör finden, kann die Neuordnung letzterer endlich nach »unseren« Vorstellungen vonstatten gehen. Ach Donald, hörst du das sehnsüchtige Flehen? Du hast doch deinen Kolonialvertrag mit der Ukraine schon. Aber »wir«, »die Europäer«, müssen bitte auch etwas abbekommen.
Problem: Busse hat keine Peilung. Sein Kommentar beginnt mit dem Satz: »Wieder zeigt sich, dass Putin nur auf Druck reagiert. Offenbar hat er Trumps Drohung mit Sekundärsanktionen ernster genommen als mancher im Westen.« China, Indien, Brasilien oder Österreich und Ungarn beziehen kein Öl mehr aus Russland? Busse sollte das Ressort wechseln und herausfinden, wie Putin die Mieten am Main explodieren lässt.
Busse sollte das Ressort wechseln und herausfinden, wie Putin die Mieten am Main explodieren lässt
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