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Aus: Ausgabe vom 09.08.2025, Seite 12 / Thema
Druckindustrie

Unter hohem Druck

Einerseits sinkende Umsätze, Entlassungen und Insolvenzen, andererseits neue Märkte und mehr Profit: Zu Stand und Perspektiven der Druckindustrien
Von Florian Osuch
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Hochprofitabler Konzern: Offsetdruckmaschine der Ellerhold AG am Standort in Witten, NRW (28.9.2023)

Etwa seit der Jahrtausendwende befindet sich die Druckindustrie in einem tiefen Umbruch. Seitdem hat sich die Zahl der Druckereien in Deutschland durch Insolvenzen, Übernahmen und Standortverlagerungen von rund 13.000 auf etwa 6.500 halbiert. Aktuell suchen die Verpackungsdruckereien Bösmann und Druckhaus Rihn aus Detmold, die seit April insolvent sind, nach einem Käufer. Gelingt keine Übernahme durch einen Mitbewerber, stehen rund 100 Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei den Herstellern von Druck-, Falz- und Verarbeitungsmaschinen. Die Heidelberger Druckmaschinen AG, Weltmarktführer für Druckmaschinen, reduzierte die Mitarbeiterzahl von 24.900 im Jahr 2001 auf nur noch 9.600 im Jahr 2023. Um den sinkenden Umsatz im Kernsegment abzufedern, entwickelt die Firma seit 2018 Ladestationen für Elektroautos. Ende Juli gab die Heidelberg AG bekannt, in das Geschäft mit Rüstungsgütern einzusteigen (siehe auch jW vom 30.7.2025). Aktuell ist die Teilübernahme des Unternehmens Polar Mohn geplant. Diese Firma produziert Schneide- und Stanzmaschinen mit rund 250 Beschäftigten in Hofheim am Taunus. Die Heidelberg AG übernimmt Patente, Vertrieb, Service, weltweite Vermarktung und Markenrechte.

Die Zahl der Beschäftigten in der Druck- und Medienwirtschaft hat sich in den vergangenen 20 Jahren etwa halbiert. Im Jahr 2000 waren in der Branche noch 220.000 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, aktuell sind es nur noch rund 110.000. Auch der preisbereinigte Umsatz geht seit Jahren zurück. Dennoch lässt sich mit Druckerzeugnissen weiterhin gutes Geld verdienen. Es gibt hochprofitable Verlage und Unternehmen, die von Deutschland aus weltweit liefern. Um die Lage der Branche besser zu verstehen, lohnt ein Blick auf die Vielfalt der Produkte, die tatsächlich gedruckt werden.

Die Druck- und Medienbranche ist breit aufgestellt. Das wohl bekannteste Segment – Zeitungen und Zeitschriften – schrumpft seit Jahren kontinuierlich. Die Gründe für den Rückgang sind vielfältig. Die Auflagen sinken und mitunter verringern Verlage die Seitenanzahl, die Publikationen werden also dünner. Durch den Trick, auf ein anderes Seitenformat wie Tabloid oder dem sogenannten Berliner Format zu wechseln, kaschieren Verlage manchmal die Verringerung im Umfang. Teilweise werden ganze Titel vollständig oder teilweise eingestellt. So gibt die Taz ab Herbst die werktägliche Printausgabe (siehe auch jW vom 20.9.2024) auf und erscheint fortan als Wochenzeitung. Die Tageszeitung ND, vormals Neues Deutschland, erscheint bereits nur noch Dienstag bis Freitag in gedruckter Form.

Neue Absatzmärkte

Wo lässt sich in der Branche mit dem Drucken also noch Geld verdienen? Ein Blick in den Supermarkt genügt: Fast alle Produkte – außer frischem Obst und Gemüse – sind verpackt und bedruckt. Ob Süßigkeiten, Konserven, Fleisch, Käse, Milch, Getränke oder Knabberzeug – alles trägt Verpackungen oder Etiketten. Hinzu kommen die bedruckten Kartons aus Wellpappe oder Stiegen etwa für Jogurtbecher. Die Konzerne kämpfen um jeden Kunden, der im Supermarkt entweder zum eigenen Produkt oder dem des Konkurrenten greift. Am »Point of Sale« kann der erste Eindruck kaufentscheidend sein. Vor allem bei Premiumprodukten wie Wein oder Schokolade legen Hersteller Wert auf edle Optik und Haptik. Entstanden ist ein riesiger Markt für Faltschachteln, Beutel, Tüten und Etiketten.

Die Drogerien wie DM, Rossmann oder Müller verzeichnen gute Geschäfte. Müller in Ulm erzielte im Geschäftsjahr 2023/2024 einen Rekordumsatz von fünf Milliarden Euro. Das Sortiment ist vielfältig: Pflegeprodukte, Shampoo, Waschmittel, Windeln, Tiernahrung, Schreibwaren, Nahrungsergänzungsmittel, Sonnencreme und viele Make-up-Produkte sind verpackt oder mit bedruckten Etiketten versehen. Besonders bei teuren Pflege- und Kosmetikprodukten sind die Verpackungen oft aufwendig gestaltet und mit metallischen Folien oder Prägungen veredelt.

Neben Lebensmitteln und Drogerieprodukten ist auch der Medikamentenmarkt ein großer Bereich. Verpackungen von Tabletten, Kapseln, Säften, Salben, Pflastern, Sprays und Zäpfchen sind ebenfalls bedruckt und meist mit einem Beipackzettel versehen. Für diese Beilagen gibt es spezialisierte Druckereien. Das Design verschreibungspflichtiger Medikamente ist zwar meist schlicht, da Patienten kein freies Kaufverhalten zeigen, sondern auf Rezepte angewiesen sind, doch die Faltschachteln für die Pharmaindustrie sind drucktechnisch oft sehr komplex. Sonderfarben und gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsmerkmale helfen, Fälschungen zu verhindern.

Überhaupt kommen nur noch wenige Produkte ohne Aufdruck aus, sei es Textilien, Maschinengehäuse, Displays, Autoteile, Spielsachen, Elektronikgeräte, Sportartikel und selbst beim Fußbodenbelag Laminat ist die Holzstruktur bloß aufgedruckt und die Maserung mittels Stanze geprägt. Drogeriemärkte wie DM haben erkannt, dass auch mit dem Druck personalisierter Kalender, Poster oder Tassen gutes Geld verdient werden kann. Einige Filialen betreiben kleine Foto- oder Digitaldruckereien.

All das muss man berücksichtigen, wenn man über die Branche spricht, denn der Begriff Druckindustrie ist recht unscharf. Es gibt keine einheitliche Vertretung der Unternehmen. Druckereien, die Zeitungen, Zeitschriften und Gelegenheitsdrucksachen wie Broschüren oder Plakate herstellen, sind meist in regionalen Vereinen des Bundesverbands Druck und Medien organisiert. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels vertritt Verlage, die manchmal eigene Druckereien besitzen. Firmen, die Becher, Tuben oder Beutel aus Plastik bedrucken, gehören zum Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV). Unternehmen, die Wellpappe produzieren und bedrucken, sind Mitglied im Spitzenverband »Die Papierindustrie«. Diese wächst sogar leicht: Die Papierproduktion stieg seit 2020 um 5,7 Prozent auf 19,2 Millionen Tonnen (2024). Getragen wird das Wachstum allerdings vom Auslandsgeschäft (plus 39 Prozent seit 2020), während der Inlandsabsatz im gleichen Zeitraum um 15,6 Prozent sank. So deckt jeder Verband immer nur einen Teil des breiten Spektrums der Druckbranche ab.

Hochprofitable Unternehmen

Viele mittelständische Familienunternehmen haben sich zu Konzernen entwickelt, die Druckprodukte weltweit liefern. Ein Beispiel ist die Ravensburger Gruppe aus Oberschwaben, führend in der Herstellung von Brett- und Kartenspielen. Sie betreibt Offsetdruckereien in Ravensburg, Tschechien und der Slowakei. Laut Börsenblatt stieg der Umsatz 2024 um 18,2 Prozent auf 790 Millionen Euro. Den hohen Gewinn von durchschnittlich 40 Millionen Euro jährlich zwischen 2015 und 2023 verdankt Ravensburger vor allem dem Auslandsgeschäft.

Die Firma All 4 Labels aus Witzhave bei Hamburg ist ein führender Anbieter von Plastikverpackungen und Etiketten. Seit der Gründung 1969 hat sich das Unternehmen durch Zukäufe zu einem globalen Konzern entwickelt. Mit über 50 Standorten weltweit, darunter acht in Deutschland, produziert All 4 Labels Verpackungen und Etiketten für Lebensmittel, Getränke, Körperpflege, Arzneimittel und die Chemieindustrie. Der Jahresumsatz liegt bei über einer Milliarde Euro. Die Herstellung von Lebensmittelverpackungen stellt hohe Anforderungen: Es darf keine Farb- oder Materialübertragung auf die Produkte geben. Zudem müssen die Verpackungen die Eigenschaften der Waren berücksichtigen – etwa ölig, fettig, salzig oder tiefgekühlt. Für Kunden sind es oft einfache Umverpackungen, für Ingenieure und Drucker sind sie komplexe Produkte. Für All 4 Labels ist das ein großer Markt.

Auch das Geschäft mit Fotobüchern ist sehr profitabel. Kunden gestalten online ihr persönliches Fotobuch, etwa als Geschenk oder Erinnerungsstück. Der Auftrag wird per Mausklick an eine Druckerei gesendet, die das Buch meist vollautomatisch im Digitaldruck herstellt und verschickt. Marktführer im Fotofinishing ist die Firma CEWE aus Oldenburg. Ihr Umsatz stieg von rund 600 Millionen Euro (2016) auf 845 Millionen Euro (2024). Der Gewinn wuchs im gleichen Zeitraum von 30,4 auf 60,1 Millionen Euro. Diese Zahlen zeigen, dass mit Drucken weiterhin viel Geld verdient wird.

Kostenlose Zeitschriften

Es lohnt sich, genau hinzusehen, wenn von einer Krise der Druckindustrie die Rede ist – denn das trifft nur teilweise zu. Besonders betroffen sind Hersteller von Publikationen, die stark von Werbebudgets abhängig sind. Zeitschriften und Magazine finanzieren sich hauptsächlich über Anzeigen. Mit der Verlagerung der Werbung ins Fernsehen, Internet und auf Social-Media-Plattformen wie Tik Tok oder Instagram sinkt das Anzeigenvolumen in Printprodukten deutlich. Druckerzeugnisse wie Kataloge, die oft durch kostenlose digitale Angebote ersetzt wurden, sind fast verschwunden.

Ein Beispiel sind Stadtmagazine, die in den 1990er Jahren ihre Blütezeit hatten. Das Monatsmagazin Prinz erreichte bis 2012 eine Höchstauflage von 211.000 Exemplaren in 13 Städten. In Berlin gab es weitere Magazine, wie die aus der Westberliner Alternativszene hervorgegangene Zitty (1977–2020), die Ende der 1990er Jahre zweiwöchentlich 67.000 Exemplare verkaufte. Auch das zweiwöchentlich erscheinende Stadtmagazin Tip (gegründet 1972) kam auf 77.000 Exemplare. Nach starken Auflagenverlusten übernahm Tip den kleineren Konkurrenten und stellte Zitty dann komplett ein. Heute erscheint Tip nur noch mit 12.000 Heften pro Monat.

Trotz des allgemeinen Rückgangs behaupten sich kostenlose Fach- und Spartenpublikationen, die oft als Werbeträger für wachstumsstarke Branchen fungieren. Beispiele sind Biomagazine wie das seit 1985 erscheinende Schrot & Korn mit zuletzt 570.000 Exemplaren oder das Magazin Eve mit einer Auflage von 317.000 Stück. In Berlin hält sich das queere Monatsmagazin Siegessäule mit rund 42.000 Exemplaren. Unangefochtener Spitzenreiter ist die Apotheken-Umschau mit einer zweiwöchentlichen Auflage von über fünf Millionen Heften. Eine Anzeigenseite dort kostet Pharmakonzerne oft mehrere zehntausend Euro. Solange sich durch Werbung Einnahmen steigern lassen, bleiben solche Publikationen bestehen.

Druckereien profitieren zwar davon, doch die Maschinen sind oft nur schwach ausgelastet. Moderne Rotationsmaschinen im Rollenoffset drucken bis zu 50.000 Hefte pro Stunde. Kleine Auflagen wie die der Siegessäule entstehen inklusive Vor- und Nachbereitung in etwa zwei Stunden. Automatische Anlagen verpacken und stapeln die Zeitschriften direkt auf Paletten. Der Rollenoffset kämpft um Aufträge und Auflagen, während sich die menschliche Arbeit auf Papierbereitstellung, Druckplattenwechsel, Überwachung und Maschinenpflege konzentriert. Wirtschaftlich sind solche großen Anlagen oft kaum noch rentabel.

Starke Fliehkräfte

Das Druckgewerbe steht unter starkem Druck durch Internet und vor allem Social Media, durch dessen Konsum sich die Lesegewohnheiten verändern. Auch Werbebudgets schrumpfen oder verlagern sich. Zusätzlich gab es technische Neuerungen, die die Krise der Branche beschleunigten. Constanze Lindemann, Offsetdruckerin und frühere Bezirksvorsitzende der IG Medien (einer Vorläuferorganisation der Gewerkschaft Verdi), bezeichnete die Entwicklungen in den 1980/90er Jahre als »revolutionäre Technologiesprünge«. In der Druckvorstufe – das sind alle Tätigkeiten vom Design bis zum Druck – verschwanden viele Berufe. Wo früher Lithographen, Klischeeätzer, Fotogravurzeichner und Schriftsetzer Druckvorlagen mühsam und kleinteilig in Handarbeit erstellten, erzeugen Mediengestalter heute Vorlagen vollautomatisch per Mausklick. Der Digitaldruck, bei dem Tinte oder Toner direkt aufs Material aufgetragen wird, sollte die klassischen Verfahren ablösen – das geschah jedoch nicht. Ralf Sammeck, Exvorstand beim Druckmaschinenhersteller Koenig & Bauer, resümierte im Juli gegenüber dem Magazin Deutscher Drucker, insgesamt habe »alles, was digital ist, länger gedauert«. Er habe »den Entwicklungsprozess schneller eingeschätzt«.

Was schneller wurde, ist das Drucken selbst: Moderne Bogenoffsetmaschinen schaffen heute bis zu 21.000 Drucke pro Stunde – fast doppelt so viel wie in den 1980ern. Dazu laufen immer mehr Arbeitsschritte computergesteuert und automatisiert ab. Sinkende Auflagen bei steigender Maschineneffizienz führten Anfang der 2000er zu hohen Überkapazitäten. Mit dem Aufkommen von Onlinedruckereien wie Laserline und Flyeralarm kam es zu starkem Preisverfall. Flyeralarm, ab 2002 zunächst rein als Vermittler tätig, senkte später mit eigenen Maschinen die Preise weiter. Nie war Drucken so günstig. Viele Akzidenzdruckereien, die Broschüren, Plakate oder sonstige Gelegenheitsdrucksachen herstellen, konnten dem doppelten Druck durch schwindende Auflagen und Billigkonkurrenz nicht standhalten – tausende Firmen gingen bankrott oder wurden übernommen. Diese für die kapitalistische Produktionsweise typischen Prozess beschrieb bereits Marx: »Sie (die Konkurrenz) endet stehts im Untergang vieler kleinerer Kapitalisten, deren Kapitale teils in die Hand des Siegers übergehen, teils untergehen.«¹ Aufgekaufte Firmen bleiben oft formal bestehen, um Aufträge zu sichern. Laserline wurde 2018 gelöscht und in Saxoprint eingegliedert, deren Onlineshop läuft aber weiter. Solche Konzentration führt zu komplexen und teils unübersichtlichen Unternehmensstrukturen. Saxoprint gehört seit längerem zum bereits erwähnten CEWE-Konzern.

Jugend stützt Buchmarkt

Die Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichte 2013 die Branchenanalyse »Strukturwandel in der Druckindustrie«. Die meisten der dort aufgestellten Prognosen traten ein – mit einer Ausnahme: Bücher sollten demnach bis zu einem Drittel ihrer Auflage an E-Books verlieren. Doch die Entwicklung verlief traditioneller als erwartet. Laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels stagniert der E-Book-Umsatz seit Jahren bei rund sechs Prozent.

Insgesamt ist es für die Buchbranche nicht einfach, sich gegen Fernsehen, Streamingdienste wie Netflix oder Disney plus sowie Social Media zu behaupten. Das Statistische Bundesamt hat in einer Zeitverwendungserhebung wenig überraschend herausgefunden, dass die Menschen weniger lesen. Wenn gelesen wird, dann vor allem Bücher und weniger Zeitungen oder Zeitschriften. Doch die Umsätze stagnieren. Auch wenn der Gesamtumsatz der Buchbranche 2024 mit 9,9 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen ist (plus 1,8 Prozent), liegt er nur unwesentlich höher als im Jahr 2010. Für die Druckindustrie sind jedoch zwei andere Kennzahlen entscheidend, und da ist der Trend eindeutig negativ. Die Auflagen sinken, und es erscheinen deutlich weniger Neuerscheinungen. 2023 wurden nur noch 67.467 Titel veröffentlicht, in den Jahren 2006 bis 2013 waren es noch über 90.000 pro Jahr.

Trotz dieser Zahlen spricht Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins, von einer »positiven Entwicklung am Markt« und verweist auf einen interessanten Trend. Jugendliche und junge Erwachsene greifen häufig zum Buch. Beispiel Manga. Die japanische Comics, viele Jahre ein schwer erhältliches Nischenprodukt, sind heute wahre Bestseller und füllen in den Buchhandlungen meterlange Regale. Auch sogenannte New-Adult-Titel boomen: Bücher in Pastelltönen, die Themen wie Identität, Mobbing, Liebe oder Drogen aufgreifen – oft mit expliziten Sexszenen. Auf der Frankfurter Buchmesse 2024 war dieser Bereich mit über 8.000 Quadratmetern sehr groß. Immer häufiger sind New-Adult-Titel auf Bestsellerlisten plaziert, dabei auch solche aus dem Subgenre Dark Romance, das zusätzlich Gewalt, toxische Beziehungen oder Stalking thematisiert. Beliebt bei jungen Leuten sind auch Fantasy-Titel. Ebenfalls populär: Romantasy. Das ist die Kombination von Fantasy und New Adult, quasi eine Verbindung von Harry Potter und Shades of Grey. Literarisch können diese Bücher als zeitgemäßes Revival früherer Groschenromane wie »Dr. Stefan Frank – Dem Arzt, dem die Frauen vertrauen« (Liebe) oder »Perry Rhodan« (Science-Fiction) und »John Sinclair« (Fantasy) bezeichnet werden – abgesehen vom offenen Umgang mit Sex.

Für die Druckindustrie ist diese Buchproduktion überaus interessant. Vielfach sind New-Adult-Titel dicke Taschenbücher mit hoher Seitenzahl und aufwendig hergestellten Umschlägen. Veredelt werden die Cover oftmals mit metallisch glänzenden Folien und selbst der Buchblock ist dreiseitig bedruckt, was man als Farbschnitt bezeichnet.

Hohe Gewinne fährt auch der dänische Medienkonzern Egmont ein, der im deutschsprachigen Raum führender Verleger von Mangas sowie Kindermagazinen und Comics ist. Mit dem Verkauf des »Lustigen Taschenbuchs«, Comics der Asterix-Reihe (nach Egmont-Angaben 1,5 Millionen verkaufte Exemplare des letzten Titels »Die weiße Iris«), Lucky Luke, dem Pferdeheft Wendy oder den Teeniezeitschriften Mädchen und Popcorn erzielte der Konzern im Jahr 2023 insgesamt fast 2,4 Milliarden Euro Umsatz und einen Gewinn vor Steuern von 284 Millionen Euro.

Die eingangs dargestellte Zersplitterung von Druckereien auf verschiedene Branchen hat zur Folge, dass die organisierten Belegschaften mit den Gewerkschaften je nach Tarifrunde separat verhandeln. Die letzten Ergebnisse konnten sich zum Teil sehen lassen. Unterstützt durch Streiks setzte Verdi für die Druckindustrie im Juni 2024 Lohnerhöhungen von insgesamt 7,8 Prozent durch. Im November 2024 erzielte die IG BCE für die Beschäftigten der Papierindustrie Entgelterhöhungen von 5,9 Prozent. Das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Verdi und Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung im Frühjahr dieses Jahres war ein Anstieg der Gehälter von insgesamt 5,5 Prozent. Aktuell wird noch für Verlage und Buchproduktion verhandelt.

Zukunft der Branche

Ralf Sammeck sieht »gute Wachstumsmöglichkeiten, insbesondere in der Verpackung«. Auch bei Wellpappe gebe es Potenzial. Den Akzidenzdruck hingegen sieht er »unter Druck« – weitere Insolvenzen, Firmenübernahmen oder Verlagerungen von Produktionsstätten seien zu erwarten. Vermutlich hat er damit recht, auch wenn das Druckereisterben im Bereich Zeitungen, Zeitschriften und Akzidenzen weitgehend abgeschlossen scheint. So wird die Belegschaft der Axel-Springer-Druckerei in Berlin-Spandau zum 1. Januar 2026 auf nur noch 35 Personen schrumpfen, vor 30 Jahren arbeiteten dort nach Verdi-Angaben noch 700 Menschen.

Neben den genannten Konzernen ist es auch für kleine Druckereien weiterhin möglich, im umkämpften Markt zu bestehen. Voraussetzung ist ein Geschäftsmodell, das nicht auf Niedrigpreise setzt, sondern auf Qualität, Spezialisierung etc. Einige Akzidenzdruckereien sprechen gezielt ökologisch orientierte Kunden an und nutzen zertifizierte Papiere, lösemittelfreie Druckfarben, Solarstrom usw. Sogar Neugründungen gibt es vielerorts. In Berlin übernahmen 2024 fünf Personen die Textildruckerei Printworks. Sie bedruckten im Siebdruckverfahren T-Shirts, Pullover, Baby- und Kinderkleidung, Taschen und andere Produkte. »Unser Ansatz ist es, das Konkurrenzhafte zwischen uns als Produzierenden und den Kundinnen und Kunden zur Erlangung von möglichst billigen Textilien ad acta zu legen«, sagte ein Printworks-Kollektivist im Gespräch mit junge Welt. Die Firma müsse nicht um jeden Preis wachsen, wenngleich ein Umzug in größere Produktionsräume geplant ist und zukünftig eigene Nachwuchskräfte selbst ausgebildet werden sollen. Es scheint, als habe das kollektiv geführte Unternehmen eine Nische gefunden. »Produktionstechnisch bemühen wir uns, sozial, ökologisch und klimabewusst aufgestellt zu sein – sofern es die menschenfeindliche Struktur des Kapitalismus überhaupt zulässt.«

Anmerkung

1 Karl Marx: Das Kapital, Band 1, MEW Bd. 23, Dietz-Verlag, Berlin 1984, S. 655

Florian Osuch ist Ingenieur für Druck- und Medientechnik. An dieser Stelle schrieb er zuletzt am 28. Juni 2025 über den ersten Mormonentempel auf deutschem Boden – in der DDR: »Pragmatische Lösung«

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