Gewerkschaften machen Labour Ärger
Von Dieter Reinisch
Nicht genug, dass einige frühere Labour-Parlamentarier um den ehemaligen Parteichef Jeremy Corbyn und die Abgeordnete Zarah Sultana eine neue Partei gründen wollen: Vergangene Woche gesellte sich auch das erste Kommunalratsmitglied dazu, Councillor Grace Lewis aus Coventry.
Doch noch größeren Ärger machen der großbritannischen Labour-Regierung die Gewerkschaften, allen voran die mächtige Unite. Diese hatte bei ihrem Kongress im Juli beschlossen, ihre Verbindung mit Labour zu kappen und Angela Rayner, die Stellvertreterin des Premiers Keir Starmer, aus ihren Reihen auszuschließen. Ein zentraler Auslöser war die Rolle von Labour im Arbeitskampf der Müllabfuhr in Englands zweitgrößter Stadt, Birmingham. Dort wird seit März gestreikt, aber die von Labour geführte Stadtverwaltung will von geplanten Kündigungen und Lohnkürzungen nicht absehen.
Enttäuscht von Labour
»In meinen 35 Jahren bei Tarifverhandlungen großer Konflikte habe ich noch nie ein solches Chaos erlebt«, schrieb die Unite-Chefin Sharon Graham auf der Onlineplattform X am Mittwoch. »Das chaotische Missmanagement dieses Konflikts durch Angela Rayner und John Cotton macht es nur noch wahrscheinlicher, dass die Streiks bis Weihnachten und darüber hinaus andauern werden.« Cotton ist der Labour-Vorsitzende in Birmingham.
In dem Arbeitskampf geht es um Beschäftigte, die für Recycling zuständig sind. Ihre Posten wurden nach einem Streik im Jahr 2017 geschaffen. Die Labour-Stadtverwaltung möchte diese Stellen nun streichen und behauptet, das sei notwendig, »um Birmingham an die landesweiten Regelungen anzupassen und ungerechte Überbezahlung zu vermeiden«.
Viele Gewerkschaften sind in Großbritannien offiziell mit Labour verbunden und zählen dadurch zu den größten Geldgebern der sozialdemokratischen Partei. Laut Informationen der BBC erhielt Labour im Jahr 2024 drei Millionen Euro Spenden von Gewerkschaften. Größter Zahler war demnach Unite: Die zweitgrößte Gewerkschaft des Landes vertritt über 1,2 Millionen Mitglieder und liegt damit nur knapp hinter Unison mit 1,3 Millionen Mitgliedern. Unite entstand 2007 durch den Zusammenschluss der Gewerkschaften Amicus und der Transport and General Workers’ Union. Während der Streikwelle der vergangenen fünf Jahre gehörte Unite zu den kämpferischsten Gewerkschaften und gewann nach eigenen Angaben über 80 Prozent der Arbeitskämpfe.
Prominente Abgänge
Die Ankündigung von Unite, sich formell von der Regierungspartei zu lösen, kam wohl nicht zufällig gleichzeitig mit dem Austritt der Abgeordneten Sultana und ihrer Ankündigung, mit Corbyn eine neue Partei gründen zu wollen. Denn fast genau zehn Jahre zuvor, am 5. Juli 2015, hatte Corbyns Kandidatur für den Labour-Parteivorsitz einen enormen Auftrieb durch die Unterstützung von Unite erhalten. Es folgten beträchtliche Spenden aus dem gewerkschaftlichen Lager: Im letzten Jahr von Corbyns Parteivorsitz machten die Spenden der Gewerkschaften an die Partei noch rund acht Millionen Euro aus – unter Starmer sind sie signifikant gesunken.
Neue Geldgeber
Ohne die Gelder der Gewerkschaften ist Starmers Partei zunehmend auf Spenden von privaten Gönnern und Unternehmen angewiesen. Bereits jetzt erhält der Premier – ähnlich wie Tony Blair in den 1990er Jahren – viel Geld von Finanzdienstleistern und Banken aus der Londoner City.
Unite, so erwartete die Times in einem Kommentar vergangenes Wochenende, könnte hingegen bald ihre Unterstützung einer neuen Linkspartei offiziell machen. Beobachter vermuten, dass die Gewerkschaft das am Wochenende des Labour-Parteitags verkünden könnte, der am 28. September in Liverpool beginnt. Laut Umfragen von Ende Juli könnte die neue Partei von Corbyn und Sultana zehn Prozent der britischen Wählerstimmen auf sich vereinen.
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